
https://queer.de/?30787
Warnung vor Homo-"Propaganda"
AfD-Politiker: LGBTI-Schulaufklärung fördert "Missbrauch an Ihren Kindern"
Wenn im Schulunterricht Homosexualität erwähnt wird, ist das für AfD-Schulexperte Rainer Balzer nicht nur Kindessmissbrauch, sondern erinnere an die DDR und eine nicht weiter definierte "frühere Vergangenheit".

Rainer Balzer war bis 2013 Mitglied der CDU. Seit 2016 ist der Bruchsaler für die AfD Mitglied des Landtages in Stuttgart. In dem Bild ist er bei seiner Facebook-Tirade gegen den Bildungsplan zu sehen (Bild: Facebook / Rainer Balzer)
8. März 2018, 12:40h 3 Min. Von
Die AfD schwingt wieder einmal die Pädo-Keule gegen Schwule und Lesben: Rainer Balzer, der AfD-Vize-Fraktionschef im Landtag von Baden-Württemberg, hat am Mittwoch auf seiner Facebook-Seite die Kritik am Stuttgarter Bildungsplan wieder aufgewärmt. Zwischen 2013 und 2015 hatte es im Ländle erhebliche Proteste gegeben, weil die damalige grün-rote Landesregierung in ihrem Bildungsplan für Schulen auch LGBTI-Lebensweisen erwähnen und eine "Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt" etablieren wollte (queer.de berichtete).
Balzer, der laut seiner Biografie auf der Landtagswebsite seit 1992 Lehrkraft an der Hubert-Sternberg-Schule in Wiesloch ist, behauptete nun in dem Facebook-Eintrag, dass Aufklärung über sexuelle und geschlechtliche Minderheiten zu Kindesmissbrauch führen würde: "Der rot-grüne Bildungsplan und Akionsplan (sic) Baden-Württemberg öffnet Tür und Tor für Pädophilie und Missbrauch an Ihren Kindern in den Schulen", so der 58-Jährige. "Im Rahmen der Akzeptanzbildung für sexuelle Vielfalt (Schwule, Lesben, etc.) sollen Ihre Kinder im Schulalter legal genötigt werden können, vor ihren Mitschülern unter anderem Praktiken wie Blowjob, Gangbang und Analverkehr vorspielen zu müssen."
Dass selbst junge Kinder wegen des Bildungsplans mit sexuellen Praktiken konfrontiert würden, ist eine beliebte Legende der rechten Gleichbehandlungsgegner – und freilich nicht Teil des Bildungsplanes oder des "Aktionsplanes für Akzeptanz & gleiche Rechte".
Sehnsucht nach Paragraf 175
In einem an den Facebook-Beitrag angehängten Video schien sich Balzer sogar nach dem Paragrafen 175 zurückzusehnen: "Vor wenigen Jahren noch waren diese Themen, diese Inhalte, Anstiftung zu strafbaren Handlungen." Weiter erklärte er: "Es ist sexuelle Belästigung, oder sogar Nötigung oder auch Missbrauch – an manchen Stellen Missbrauch von Kindern – wenn diese ihre Geschlechtlichkeit in der Öffentlichkeit zur Schau stellen müssen."
Die Erwähnung von LGBTI im Schulunterricht erinnere ihn an die DDR und eine nicht weiter vom Rechtspopulisten definierte "frühere Vergangenheit":
"Meine Damen und Herren! Was kennzeichnet Diktaturen gegenüber freiheitlichen Staaten? Schon immer die Untergrabung des Erziehungsrechts der Eltern gegenüber ihren Kindern. Die Unterwanderung der Familien… Erinnern Sie sich an die DDR? Und an unsere frühere Vergangenheit? Das Ziel der Schulen damals war schon immer blinde Ergebenheit der jungen Leute gegenüber einer Ideologie, die Neigung zur gegenseitigen Bespitzelung, die Denunziation und die Entfremdung gegenüber den Eltern. Und dass Jugendliche mit 14 bis 16 sich leicht von den Eltern entfremden lassen, das wissen wir aus eigener Erfahrung. Wir lehnen diese Konzepte deswegen ab."
Warnung vor Homo-"Propaganda"
Außerdem stellte Balzer nach russischem Vorbild die Warnung vor Homo-"Propaganda" in den Mittelpunkt: "Dass hier staatlicherseits Propaganda für eine sexuelle Orientierung, für bestimmte Lebensmodelle gemacht wird, lehnen wir zugunsten stabiler Familien ab."
Balzer war bereits zuvor durch homophobe Aussagen aufgefallen. Vergangenes Jahr erhielt er deswegen sogar eine Rüge des Landtags (queer.de berichtete).
Der grün-rote Bildungsplan war in Baden-Württemberg auf heftigen Widerstand von (der damals noch außerparlamentarischen) AfD und der homo- und transfeindlichen Bewegung "Demo für alle", aber auch von CDU und sogar FDP gestoßen. Als die grün-rote Regierung die Initiative vorstellte, erklärte etwa FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, dass Homosexuelle grundsätzlich als "nicht gleichwertig" mit Heterosexuellen anzusehen seien (queer.de berichtete). Inzwischen trägt die CDU in der grün-schwarzen Landesregierung den Bildungsplan mit.
