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Nach schwerer Krankheit
Offen HIV-Positiver kandidiert für die Grünen in Hessen
Erst vor knapp einem Jahr bekam Felix Martin die Aids-Diagnose. Jetzt will er die Welt ein Stück verändern und kandidiert für die Landtagswahl im Oktober.

Felix Martin ist 22 Jahre alt und kandidiert für den hessischen Landtag. (Bild: promo)
- Von Markus Kowalski
17. März 2018, 14:03h 3 Min.
Die Zeit im Krankenhaus hat im Leben von Felix Martin viel verändert. Vor knapp einem Jahr musste er wegen einer schweren Lungenentzündung behandelt werden, verlor zehn Kilo Gewicht. "Da war zuerst nicht klar, ob ich das Krankenhaus lebend verlassen werde." Dann kam die Diagnose: Er war nicht nur HIV-positiv, sondern die Krankheit war in seinem Körper bereits ausgebrochen und hatte die Lungenentzündung verursacht.
Doch jetzt ist Martin wieder fit und möchte positiv darüber sprechen, HIV-positiv zu sein. Noch mehr: Er will dieses Anliegen mit in die hessische Landespolitik nehmen. Am Freitag wurde er von der Mitgliederversammlung der Grünen im Werra-Meißner-Kreis bei Kassel zum Direktkandidaten für den Wahlkreis 9 aufgestellt.
Schlüsselerlebnis bei einem Treffen mit anderen Positiven
In den kommenden Wochen will er sich bei der Partei für die Landesliste auf Platz 16 bewerben. Bis zur Landtagswahl am 28. Oktober sind es noch einige Monate hin. Wenn sich die Grünen aber bei den 14 Prozent halten, die sie in der letzten Umfrage bekommen haben, würde Martin mit diesem Platz in den Landtag einziehen. Er wäre dann der zweite offen HIV-Positive Abgeordnete in Deutschland. Als erster war 2013 Carsten Schatz für "Die Linke" in das Berliner Abgeordnetenhaus eingezogen (queer.de berichtete).
Felix Martin will, das man auch als Positiver in der Politik "was werden" kann. Denn heute sind auch "ganz normale Leute" HIV-positiv, wie Martin nach seiner Diagnose herausgefunden hat. Ein Schlüsselerlebnis sei ein Positiven-Treffen in der Akademie Waldschlösschen bei Göttingen gewesen: "Da habe ich gesehen, dass es den anderen Positiven auch gut geht." Seitdem stehe für ihn fest: "Ich will die politische Botschaft kommunizieren, dass man mit der Krankheit ganz normal leben kann." Menschen sollen keine Angst mehr haben, sich vor Familie oder Kollegen zu outen.
Outing als HIV-positiv immer noch schwierig
Dabei hat er selbst erlebt, wie schwierig es immer noch ist, über die eigene Diagnose zu reden. In langen Gesprächen musste er Berührungsängste bei Bekannten abbauen. "Wieso versaust du dir dein Leben mit dem", habe der Vater seines Freundes über ihn gesagt. Für den 22-Jährigen ist das ein Ansporn, die Welt in diesem Punkt ein wenig zu verändern. Zuletzt sprach er in Darmstadt auf der "Kleinsten Aids-Gala der Welt" über sein Leben mit der Krankheit und die Zeit im Krankenhaus: "Ich musste mich immer wieder übergeben. Ich schämte mich vor den Krankenschwestern. Ich war so unfassbar hilflos." Seine ehrliche Rede berührte damals viele im Publikum.

HESSEN IST GEIL! / twitter Auf der "Kleinsten Aids-Gala der Welt" in Darmstadt sprach Felix Martin von seinem Leben mit der Krankheit. Bild:
"Geht's dir wieder gut?", fragten ihn manche Parteifreunde, als er aus dem Krankenhaus zurück in die Politik kam. "Sie meinen damit: 'Wir unterstützen dich'", sagt Martin. In der Partei habe er für seine Agenda Rückhalt. Obwohl seine politischen Schwerpunkte die Bildungs- und Finanzpolitik sind, ist Felix Martin auch die queerpolitische Arbeit wichtig.
Er will durchsetzen, dass die Verbände und Vereine der LGBTI-Community in Hessen mehr Geld bekommen. Ebenso sei der "Lehrplan Sexualerziehung" für allgemeine und berufliche Schulen wichtig. Dieser müsse so umgesetzt werden, dass spätere Landesregierungen die Fortschritte nicht wieder rückgängig machen können.
