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Wieder Skandal um App
Grindr gibt Nutzer-Angaben zum HIV-Status an Fremdfirmen weiter
Ein weiterer Datenskandal belastet die Dating-App: Sie will die Weitergabe von Daten zum HIV-Status stoppen, zeigt sich aber nur bedingt einsichtig.

Rund 3,6 Millionen Nutzer sollen Grindr nach eigenen Angaben weltweit nutzen – das sollte eigentlich ein erhöhtes Bewusstsein für die Sensibilität und Sicherheit der erhobenen Daten fördern
- Von Norbert Blech
3. April 2018, 10:38h 4 Min.
Die schwule Dating-App Grindr steht erneut wegen des Umgangs mit den Daten ihrer Nutzer in der Kritik: Am Sonntagabend deutscher Zeit berichteten der schwedische Sender SVT und das amerikanische Portal Buzzfeed über eine Entdeckung des norwegischen Forschungsinstituts Sintef. Die Wissenschaftler hatte herausgefunden, dass die Firma Nutzerdaten mit den Firmen Apptimize und Localytics teilt.
Diese bieten Grindr technische Dienstleistungen wie Statistiken zur Nutzung der Apps. Eine entsprechende Weitergabe von Daten ist nicht unüblich, allerdings übergab die Dating-App die Daten nicht anonymisiert und miteinander verbunden: Die Fremdfirmen konnten so etwa die sensible Angabe zum HIV-Status, die Nutzer in der App freiwillig machen können, mit Profildaten verknüpfen.
Neben Daten zum HIV-Status und Datum des letzten HIV-Tests erhielten die Firmen gemeinsam auch die GPS-Koordinaten, die Telefon-ID und E-Mail-Adressen der betroffenen Nutzer. "Der HIV-Status ist mit all den anderen Informationen verknüpft. Das ist das Hauptproblem", sagte Antoine Pultier von Sintef gegenüber Buzzfeed. "Ich glaube, das zeigt einfach die Inkompetenz mancher Entwickler, die einfach alles weitergeben, inklusive dem HIV-Status."
Weiter unverschlüsselte Datenweitergabe
Ebenfalls problematisch: Die Weitergabe der Daten erfolgt direkt durch die Apps der Nutzer. Wie ein Überblick der norwegischen Forscher zeigt, gibt Grindr automatisch einzelne Daten an etliche Firmen weiter, darunter Werbenetzwerke, Google und Facebook. Einige der Tracker arbeiteten dabei weiter über eine unverschlüsselte Verbindung. Das ermögliche "Menschen, Firmen oder Regierungen" in einem Netzwerk "mitzuhören, wer Grindr nutzt, wo sie sich präzise zu welcher Zeit eines Tages befinden, wie sie aussehen, was sie mögen", so Sintef.

Die norwegischen Forscher hatten analysiert, welche Daten die Grindr-App sendet
Das setze die Nutzer etlichen Risiken aus, beklagen die Forscher, gerade in Ländern, in denen Homosexualität stigmatisiert oder kriminalisiert wird. Dabei sei die Weitergabe mancher Daten, wie die des HIV-Status, zu analytischen Zwecken einfach "unnötig".
Grindr: Kritik unverhältnismäßig
Die Dating-App stand immer wieder wegen unsensiblen Umgangs mit Nutzerdaten in Kritik. Grindr hat inzwischen mit mehreren – teils wenig einsichtigen – Stellungnahmen gegenüber Medien reagiert. So sagte der Sicherheitsbeauftragte Bryce Case, der HIV-Status sei ausdrücklich nur mit zwei spezifischen analytischen Firmen geteilt worden, jeweils über sichere Verbindungen. Die Firmen seien vertraglich verpflichtet, die Daten nicht weiterzugeben. Die Angaben zum HIV-Status seien zudem freiwillig und zugleich auch über die App sichtbar.

Am Sonntag befand sich Grindr erneut im Krisen-Modus
Das Unternehmen beklagte eine Überreaktion der Medien: Das Tracking in Apps und die Weitergabe von Nutzerdaten seien branchenüblich. Man habe sehr vorsichtig eine vernünftige Balance zwischen den Interessen der Nutzer und denen von Werbekunden geschaffen. Ein Vergleich zum Datenskandal bei Facebook sei unangemessen, da die beiden beauftragten Firmen keine Datenhändler seien und man bei den anderen Firmen keine Daten weitergebe oder verkaufe, die eine direkte Identifizierung ermöglichten. Ähnliches schrieb Grindr-Manager Scott Chen in einem Blog-Eintrag bei Tumblr. Später gab das Unternehmen bekannt, dass man die Weitergabe der Daten zum HIV-Status mit dem nächsten Update der jeweiligen Apps stoppen werde.
Bislang weisen die Datenschutzbestimmungen von Grindr übrigens auf die Weitergabe von Daten, auch denjenigen zum HIV-Status, hin. Das Unternehmen warnt dort allgemein: "Teilen Sie keine Informationen in Ihrem Profil, die privat bleiben sollen."
Dienste immer wieder in Kritik
Seit seiner Gründung 2009 war das weltweit erfolgreiche Unternehmen immer wieder durch Lücken und einen lockeren Umgang mit Daten aufgefallen: Anfangs erfolgte die Grindr-Nutzung teilweise über eine unverschlüsselte Verbindung, später ließen sich Nutzer durch Abfrage von Datenschnittstellen lokalisieren (queer.de berichtete).
Erst kürzlich konnte ein Hacker durch eine inzwischen geschlossene Lücke auf einer Webseite Grindr-Nutzern anzeigen lassen, welche Profile einem in dem Dienst geblockt hatte. Im Februar warnte die Stiftung Warentest vor der Weitergabe von Daten durch Grindr, Gayromeo & Co. (queer.de berichtete).
Für Bedenken von Datenschützen und LGBTI-Aktivisten sorgte auch der Verkauf der Firma an einen chinesischen Technologiekonzern (queer.de berichtete). Auch andere Dating-Apps fielen in den letzten Jahren durch Siherheitslücken und geringen Schutz von Daten auf – und wurden alle in manchen Ländern bereits als App an sich von Behörden (und manchen Kriminellen) genutzt, um Schwule ausfindig zu machen, zu erpressen oder zu verfolgen (queer.de berichtete).

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