Michael J. soll im Herbst nächsten Jahres wieder auf freien Fuß kommen
Der wegen ungeschützten Geschlechtsverkehrs im US-Bundesstaat Missouri seit 2013 inhaftierte 25-jährige HIV-Positive Michael J. soll laut Buzzfeed im kommenden Jahr freigelassen werden. Ein Richter habe nach Angaben von J.s Anwalt beschlossen, dass der frühere Ringer am 9. Oktober 2019 vorläufig aus der Haftanstalt in Boonville entlassen werden soll – damit hätte J. seit seiner Inhaftierung sechs Jahre im Gefängnis verbracht. Die vorzeitige Freilassung im nächsten Jahr erfolgt allerdings mit der Auflage, dass sich J. bis dahin hinter Gittern nichts zu Schulden kommen lässt.
Der Fall des Studenten der Lindenwood University empörte LGBTI- und Aids-Aktivisten, weil die Bestrafung als nicht verhältnismäßig angeshen wurde. J. soll in fünf Fällen Sex mit anderen Männern gehabt haben, obwohl er bereits wusste, dass er HIV-positiv gewesen sei. Einer der Männer wurde nach dem sexuellen Kontakt HIV-positiv getestet. 2015 verurteilte ihn ein Geschworenengericht zu 60 Jahren Haft – ein Richter reduzierte die Strafe wenige Wochen später auf 30 Jahre (queer.de berichtete). Wegen Verfahrensfehlern wurde das Urteil schließlich im Dezember 2016 aufgehoben. In einem Deal mit der Staatsanwaltschaft stimmte J. dann im vergangenen Jahr einer zehnjährigen Haftstrafe zu.
Der frühere Student war nach einem Landesgesetz verurteilt worden, das HIV-Positiven verbietet, Sex zu haben, ohne den Partner über seinen HIV-Status aufzuklären. Derartige spezifisch gegen Positive gerichtete Gesetze gibt es in der Hälfte der US-Bundesstaaten. Nach dem Gesetz könnten sogar Positive belangt werden, deren Viruslast nicht nachgewiesen werden kann und die ein Kondom benutzt haben. Die Mindesthaftstrafe bei einer Übertragung beträgt zehn Jahre und liegt damit gleich hoch wie bei vollendetem Totschlag. Bei fahrlässiger Tötung – etwa wenn ein betrunkener Autofahrer ein Kind tödlich verletzt – verlangt das Gesetz dagegen nur sieben Jahre Haft.
Experten: Verfolgung von HIV-Positiven ist kontraproduktiv
Kritik an gegen HIV-Positive gerichtete Gesetze gab es in den letzten Jahren immer wieder, auch vom größten US-Ärzteverband, der American Medical Association. Experten kritisierten, dass eine derartige Strafverfolgung nichts bringe: "HIV-Strafgesetze haben keinen Effekt auf die Verbreitung von HIV", argumentierte etwa Dr. Jeffrey Birnbaum, ein Experte für HIV unter Jugendlichen. "Einen HIV-Positiven für Sex zu bestrafen, führt nach unserer jahrzehntelangen Erfahrung nur dazu, dass viele einfach nicht mehr zum Arzt gehen und sich nicht mehr testen lassen."
Die meisten dieser Gesetze stammten aus der Zeit der Aids-Panik der Achtzigerjahre und sollten HIV-Positive als generelle Gefahr für die Öffentlichkeit abstempeln. Oft wird auch kritisiert, dass HIV-positive Homosexuelle härter bestraft werden würden als Heterosexuelle.
In Deutschland können HIV-Positive ebenfalls für ungeschützten Sex hinter Gittern kommen, allerdings ist das Strafmaß nicht ganz so drakonisch. So wurde eine HIV-positive Sexarbeiterin 2014 zu vier Jahren Haft verurteilt (queer.de berichtete). Die Deutsche Aids-Hilfe kritisiert die Kriminalisierung der (potenziellen) HIV-Übertragung als kontraproduktiv. HIV-Prävention dürfte nicht einseitig positiven Menschen aufgebürdet werden. Bei Sex sei müsse jeder Teilnehmer Verantwortung übernehmen, argumentieren die Aktivisten.
Auch der Nationale Aids-Beirat der Bundesregierung kritisierte bereits im Jahr 2013, dass Strafverfahren bei HIV-Übertragungen nach einvernehmlichem Sex "keinen Beitrag zur HIV-Prävention" leisten würden (queer.de berichtete). (dk)