Hauptmenü Accesskey 1 Hauptinhalt 2 Footer 3 Suche 4 Impressum 8 Kontakt 9 Startseite 0
Neu Presse TV-Tipps Termine
© Queer Communications GmbH
https://queer.de/?30973

Homophobie nicht als Motiv bewiesen

Arnheim: Sozialstunden nach Angriff auf schwules Paar

Der brutale Übergriff auf ein schwules Paar erschütterte vor einem Jahr die Niederlande. Die vier Täter im Alter von 15 bis 17 Jahren kamen mit einer milden Strafe davon. LGBTI-Aktivisten kritisieren das Urteil als "falsches Signal".


Jasper und Ronnie hatten den Fall vor einem Jahr publik gemacht (Bild: Facebook / Ronnie Sewratan-Vernes)

  • 11. April 2018, 11:58h 104 3 Min.

Vier männliche Jugendliche sind am Montag in Arnheim wegen eines Übergriffs auf ein schwules Paar Anfang April 2017 zur Ableistung von 80 bis 160 Sozialstunden verurteilt worden. Außerdem müssen sie eine Entschädigung von insgesamt knapp 5.000 Euro zahlen.

Laut Gericht hatte es nicht genug Beweise dafür gegeben, dass die Täter aus Hass auf Homosexuelle agiert hatten. Dabei war nachgewiesen worden, dass die Jugendlichen ihre Opfer mit homophoben Wörtern wie "flikker" (Schwuchtel) drangsaliert hatten.

Die Verteidigung hat angekündigt, möglicherweise Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Auch LGBTI-Aktivisten fordern, das Urteil so nicht zu akzeptieren.

Der in den niederländischen Medien viel diskutierte Übergriff ereignete sich auf der Nelson-Mandela-Brücke in der Innenstadt von Arnheim. Demnach beschimpften die Jugendlichen – drei 17-Jährige und ein 15-Jähriger – den 31-jährigen Ronnie und seinen 34-jährigen Freund Jasper, weil das Paar händchenhaltend durch die Straße gelaufen sei. Daraufhin kam es zu einem Gerangel und die Jugendlichen fügten schließlich den beiden Schwulen Verletzungen zu – Ronnie wurden vier Zähne ausgeschlagen, Jasper erlitt Prellungen an den Rippen (queer.de berichtete).

Der Übergriff führte zu einer Solidarisierungswelle. Unter dem Hashtag #allemannenhandinhand setzen viele Nutzer sozialer Netzwerke, darunter viele Prominente, ein Zeichen gegen homophobe Gewalt, indem sie sich händchenhaltend ablichten ließen (queer.de berichtete).

Opfern "aggressives" Verhalten vorgeworfen

Die Verteidiger der Jugendlichen sagten im Verfahren, es müsse sich strafmildernd für ihre Klienten auswirken, dass sich die beiden schwulen Männer selbst "aggressiv" verhalten und nach den schwulenfeindlichen Sprüchen der Jugendlichen zuerst zugeschlagen hätten. Dem folgte das Gericht – die Opfer hätten durch ein "provokatives und herausforderndes Verhalten" eine Mitschuld. Ferner behaupteten die Anwälte, dass ihre Mandanten praktisch wegen der Medienberichterstattung vorverurteilt worden seien. Dies wurde aber vom Gericht nicht berücksichtigt.

Einer der Anwälte erklärte, er denke über Rechtsmittel gegen das Urteil nach, weil sein Klient wegen der Berichterstattung gelitten habe und deshalb schon genug bestraft worden sei. Er sei etwa von der Schule geflogen und beschimpft worden.

Ursprünglich hatte die Polizei in Pressemitteilungen Homophobie als Motiv genannt, weil homosexuellenfeindliche Beschimpfungen stattgefunden hatten. Im Dezember veröffentlichte die Behörde eine Entschuldigung dafür, dass man "voreilige Schlüsse gezogen" habe.

- w -

COC Nederland ist empört

Die LGBTI-Organisation COC Nederland zeigte sich empört, dass homophobe Beschimpfungen vom Gericht nicht als Homophobie gewertet wurden. Die Justiz sende damit "ein völlig falsches Signal" an die Öffentlichkeit. "Es wird so getan, als ob es die normalste Sache der Welt sei, wegen seiner sexuellen Orientierung beschimpft zu werden", so die Organisation in einer Stellungnahme.

Die beiden Opfer sind jedoch glücklich, dass das Verfahren vorbei ist. Jasper erklärte, er sei nicht sicher, ob ein Einspruch sinnvoll sei: "Das letzte Jahr hat uns richtig fertiggemacht. Ich weiß nicht, ob wir nochmal durch diesen ganzen Prozess gehen sollten, nur damit die Täter 20 Sozialstunden mehr kriegen." Andererseits unterstütze er aber freilich die "prinzipientreue Position" von COC. (dk)

Direktlink | Bericht über den Fall im niederländischen Fernsehen
Datenschutz-Einstellungen | Info / Hilfe

-w-

#1 herzesEhemaliges Profil
  • 11.04.2018, 14:53h
  • Genau solche Urteile sind bei den Jugendgerichten auch in Deutschland üblich.
    Da ich mit teils kriminellen Jugendlichen arbeite, mache ich immer wieder die Erfahrung, dass die Jungs und Mädels mit Körperverletzung, schwerer Körperverletzung (Messer), nahezu immer mit einem Grinsen aus dem Gerichtssaal kommen. Heißt, es gab mal wieder nur Sozialstunden, in einem Prozess frühestens 1/2 Jahr nach der Tat.
    Selbst wenn man persönlich dem drösigen Jugendgerichtshelfer erzählt, dass derjenige mal einen Schuss vor den Bug braucht um zu kapieren, faselt der was von Kindheit, hat es im Heim schon schwer genug etc..
    Die meisten von den Jugendlichen sind tatsächlich, wenn man anständig mit Ihnen umgeht, nette Personen. Trotzdem hilft hier kein Wattebausch.

    So läßt sich keine Pädagogik machen und den Jugendlichen ist nicht geholfen. Im Gegenteil... sie rutschen noch mehr ab.
  • Direktlink »
#2 LorenEhemaliges Profil
  • 11.04.2018, 16:07h
  • Antwort auf #1 von herzes
  • Ich habe da auch manche Erfahrung mit jugendlichen Intensivstraftätern in Köln sammeln können. Das Thema ist wie so manches andere ein komplexes. Was auch immer man im Einzelfall für eine adäquate Maßnahme hält, unterm Strich geht es in der Realität um Kosten und Nutzen. Und wenn es ums Geld geht, zeigt sich häufig, dass dem Staat Sozial- oder Arbeitsstunden auf kurze Sicht (das laufende Haushaltsjahr, die laufende Legislaturperiode) billiger kommen als jede andere Maßnahme, welche materielle und personelle Kapazitäten erfordert und bindet. Absolvierte Arbeitsstunden werden vor Ort von irgendwem abgezeichnet (da habe ich die dollsten Sachen erlebt) und an die Jugendgerichtshilfe geschickt. Das wars. Kontrolle von außen: Keine wegen Arbeitsüberlastung. Übrigens habe ich in Fallbesprechungen zu meiner Zeit feststellen können, dass anwesende Jugendrichter und -staatsanwälte sehr genau über die Kapazitäten, Zustände und Möglichkeiten in den damaligen Jugendstrafanstalten in NRW Bescheid wussten und sich aktuelle Informationen besorgten, bevor sie zu urteilen hatten. Immer dann, wenn Unterbringungsmöglichkeiten aktuell gar nicht bestanden, die personelle Situation in den Jugendstrafanstalten nicht den Erfordernissen entsprach oder aufgrund der aktuellen "Belegung" dort eine mögliche Gefährdung für den jugendlichen Straftäter antizipiert wurde, fuhr derjenige nicht ein. Im Urteilsspruch fanden diese zur Urteilsfindung beitragenden Gedankengänge selbstredend keine Berücksichtigung. In den Fallbesprechungen wurde auch von Seiten der Jugendrichter und -staatsanwälte recht freizügig vorhandener Unmut geäußert, selbstverständlich laut Absprache nur für die Ohren der Anwesenden bestimmt. Die Öffentlichkeit ist über so manches nicht informiert, da das nicht im Interesse verantwortlicher Politiker ist und "Verbesserungsvorschläge" gefälligst intern auf dem Dienstweg zu erfolgen haben, sodass ja nichts nach außen dringt, denn Politiker streben eine Wiederwahl an und brauchen dafür alles andere als negative Berichterstattung ihren Verantwortungsbereich betreffend. Wie gesagt: Ein schwieriges Thema im Land der schwarzen Nullen.
  • Direktlink »
#3 AndreasKA
  • 11.04.2018, 16:14hKarlsruhe
  • Hier steckt ja viel im Beitrag drin.

    Ich schlucke aber besonders schwer an dem Passus, dass das Gericht den Opfern (bescheuertes Wort übrigens) ein provokantes Verhalten vorgehalten hat. Es steht da nur, dass sie händchenhaltend durch die Stadt gegangen seien - oder habe ich da etwas übersehen.

    Das kann doch unmöglich als Provokation gesehen werden und sich strafmildernd auf einen Angriff auswirken!
  • Direktlink »

Kommentieren nicht mehr möglich
nach oben
Debatte bei Facebook

Newsletter
  • Unsere Newsletter halten Dich täglich oder wöchentlich über die Nachrichten aus der queeren Welt auf dem Laufenden.
    Email: