Der Techno-Club Berghain im Berliner Ortsteil Friedrichshain ist weltweit bekannt und berüchtigt (Bild: Yannick / wikipedia)
Der Berliner AfD scheint das Party- und Sexleben der Hauptstadt ein Dorn im Auge zu sein. Die parteilose Abgeordnete Sibylle Schmidt, die für die AfD in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg sitzt, fordert in einem neuen Antrag, den weltweit bei Hetero- wie Homosexuellen bekannten und beliebten Club Berghain zu schließen. Den bisherigen Betreibern sei die gewerberechtliche Erlaubnis zu entziehen, heißt es in dem Antrag; nach einer weiteren Prüfung solle ihnen "möglicherweise eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit zuerkannt werden"
Der Antrag fordert weiter, den nachfolgenden Gastronomen und Betreibern "Öffnungszeiten von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr morgens" aufzuerlegen, "um einen drogenfreien Besuch unter Berücksichtigung eines natürlichen Biorhythmus zu ermöglichen". Und: "Sexuelle Handlungen sind durch entsprechende Beleuchtung und Personal zu unterbinden." Womit die AfD wohl auf die ebenfalls weltweit bekannten Darkrooms zielt, die es auch in anderen Berliner Einrichtungen gerade der Schwulenszene gibt.
Der Antrag soll am 25. April in der Versammlung debattiert werden. Dort stellt die AfD allerdings nur drei der insgesamt 55 Abgeordneten.
Kein Sex, keine Drogen
Aktueller Anlass für den Antrag ist offenbar der Tod einer amerikanischen Touristin vor wenigen Wochen an einer Überdosis und einer zu späten ärztlichen Hilfe. Die AfD spricht von einem "vermeidbaren Tod mit mehreren Verantwortlichen" und einer "Entwicklung", die "vorauszuahnen" gewesen sei – und geht in dem Antrag weit über den aktuellen Fall hinaus.
"Seit Jahren finden im Berghain Verstöße gegen Gaststättenverordnungen statt", beklagt Schmidt darin. "Drogen aller Art – insbesondere wach haltende Amphetamine – werden konsumiert und können leicht erworben werden. Durchgängige Öffnungszeiten fordern den Gebrauch wach haltender Substanzen geradezu heraus."
In umliegende Krankenhäuser würden "junge Frauen und Männer eingeliefert, die durch chemische Substanzen die Kontrolle über sich verlieren und z.T. missbraucht werden", so Schmidt weiter, die zudem vage behauptet: "Schon 2010 wurde bei einer Besichtigung mit Stadtrat Beckers von mehreren AIDS-Infizierungen gesprochen". Gemeint sind wohl HIV-Infektionen.
Der Antrag ist kein Scherz – Ausschnitt aus der PDF-Version von der Webseite des Bezirksamts
Das Berghain setze sich über Gesetze weg und schaffe sich so einen Wettbewerbsvorteil, so Schmidt, die in dem Antrag weitere Kritik über "Wichtigtuer" des Clubs äußert und allgemeine Ratschläge zum Betrieb gibt. Zugleich solle das Abgeordnetenhaus "die Eigenbedarfsgrenze von Drogen wieder auf Null Gramm herabzusetzen", da es die Pflicht der Ämter sei, "unerfahrene Gäste und Berlin-Besucher vor unverantwortlichen und gefährdenden Betrieben zu schützen".
Schmidt hatte selbst jahrelang als Organisatorin von Veranstaltungen gearbeitet, zwischenzeitlich betrieb sie in Kreuzberg den alternativen Club "Blockshock" und später die "Tanzschule Schmidt". Bis 2016 war sie in der SPD und sitzt seitdem als parteilose Abgeordnete für die AfD-Fraktion in der Bezirksversammlung. 2017 kandidierte sie in einem Berliner Wahlkreis parteilos als Direktkandidatin der AfD für den Bundestag.
In Brandenburg hatte die AfD im letzten Jahr beantragt, die "finanzielle wie ideelle Unterstützung" der Landeskoordinierungsstelle für LesBiSchwule Belange einzustellen (queer.de berichtete) – im Landtag stellten sich alle übrigen Parteien dem Ansinnen resolut entgegen (queer.de berichtete). (cw)
Update 12.55h: Antrag offenbar zurückgezogen
Nach Informationen des rbb wurde der Antrag am Donnerstagmorgen zurückgezogen; er sei nicht mit der Fraktion abgestimmt gewesen, habe es dazu aus Parteikreisen geheißen. Auf der Bezirks-Webseite ist er derzeit noch unverändert abrufbar. Frank Hansel, Fraktionsgeschäftsführer der AfD im Abgeordnetenhaus, hatte am Mittwochabend auf Twitter die völlig korrekte Medien-Berichterstattung über den Antrag als "Fake News" bezeichnet und betont: "Schmidt ist kein AfD-Mitglied und kann nicht für die Partei sprechen. Das ist KEIN Antrag der AfD Berlin, sondern eine persönliche Nummer!" Die Politikerin ist offiziell als stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung registriert.
Update 17.25h: Antrag gestoppt
Die Bezirkswebseite verweist nun darauf, dass die AfD-Fraktion den Antrag zurückgezogen hat.