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"Ich habe HIV. LOL"
Kondome manipuliert: Lebenslang für HIV-Positiven
Ein HIV-Positiver hat in England absichtlich Sex-Partner angesteckt und sie später verhöhnt. Eine Richterin schickte ihn nun wegen "raubtierhaftem" Verhalten für viele Jahre hinter Gittern.

Daryll R. wird wohl frühestens 2030 wieder auf freiem Fuß sein
- 19. April 2018, 13:25h 4 Min.
Ein 27-jähriger HIV-positiver Frisör ist am Mittwochnachmittag von einen Strafgerichtshof im südenglischen Brighton wegen schwerer Körperverletzung in fünf Fällen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Richterin Christine Henson befand Daryll R. nach einem sechs Wochen dauernden Verfahren für schuldig, mindestens fünf Sex-Partner vorsätzlich mit HIV angesteckt zu haben. R. kann nach dem Urteil nach frühestens zwölf Jahren vorzeitig aus der Haft entlassen werden.
Der aus dem schottischen Edinburgh stammende Angeklagte hat nach einem positiven HIV-Test zwischen Oktober 2015 und Dezember 2016 mit mindestens zehn Männern ungeschützten Sex gehabt, als er nicht in antiretroviraler Behandlung war – bei vielen der Fälle hat er zugegeben, das Kondom manipuliert zu haben. Fünf der Männer, die vor Gericht aussagten, wurden nach dem Sex-Akt HIV-positiv getestet, weitere wurden fünf waren negativ. Der Angeklagte habe sich laut Zeugenaussagen sehr rücksichtslos verhalten und es direkt darauf angelegt, seine Sex-Partner, mit denen er über die Dating-App Grindr in Kontakt gekommen war, zu infizieren. Bevor sie ihn festnehmen konnte, hatte die Polizei in Brighton öffentlich vor R. gewarnt.
Im Verfahren sagte ein Arzt aus, dass sich R. nach der positiven HIV-Diagnose geweigert habe, antiretrovirale Medikamente einzunehmen, obgleich diese im britischen Gesundheitssystem kostenlos ausgegeben werden. Sex-Partner sagten aus, dass R. oft auf ungeschütztem Sex bestanden und versichert habe, dass er "sauber" sei. Mehrfach habe er Kondome unbrauchbar gemacht, etwa die Spitze abgeschnitten oder während des Sex-Akts das Präservativ heimlich entfernt.
R. verhöhnte seine Partner nach dem Sex
Nach dem sexuellen Kontakt habe R. seine Partner oft via Telefon oder SMS verhöhnt. In einem Fall, in dem sein Partner auf ein Kondom bestanden hatte, sagte R. später in einem Telefonanruf: "Ich habe das Kondom etwas eingerissen. Du bist so doof, du hast das nicht mal gemerkt." Einem Sex-Partner schrieb er nach ungeschütztem Sex via SMS: "Ich habe HIV. LOL. Ups." Einer anderen Bekanntschaft simste er: "Vielleicht hast du jetzt Fieber… Ich habe HIV. Hoppla." In einer SMS an einen weiteren Mann höhnte er: "Ich habe das Kondom manipuliert. Hab dich erwischt!"
Die Opfer, die HIV-positiv getestet worden waren, berichteten vor Gericht, dass für sie oft eine Welt zusammengebrochen sei. Einige sagten aus, sie hätten über Selbstmord nachgedacht. Sie hätten auch darunter gelitten, von einem so kaltblütigen Mann hereingelegt worden zu sein. Vor Gericht sagte eines der Opfer aus: "Daryll hat mein Leben zerstört. Mir wäre es lieber gewesen, wenn er mich umgebracht hätte als so zu leben."
Richterin: Angeklagter ist "Gefahr für schwule Männer"
Richterin Henson attestierte dem Angeklagten, "raubtierhaftes" Verhalten an den Tag gelegt zu haben – es habe aber keine Anhaltspunkte gegeben, dass er an einer Persönlichkeitsstörung leidet, daher sei er voll für seine Taten verantwortlich. "Ich weiß nicht, wie lange Sie noch eine Gefahr für schwule Männer darstellen werden", sagte Henson bei der Urteilsverkündung. Gleichzeitig versicherte sie, dass es im Urteil "nicht darum geht, Menschen, die mit HIV leben, zu stigmatisieren".
Die Verteidiger von R. hatten eine mildere Strafe gefordert, da HIV heutzutage besser behandelbar sei und Positive inzwischen eine "lange Lebenserwartung" hätten. Sie warnten davor, dass ein hartes Urteil in der Öffentlichkeit dazu beitragen könnte, HIV-Positive generell als Gefahr für die Öffentlichkeit anzusehen. Damit könne man in die Zeiten der Aids-Panik der Achtziger- und Neunzigerjahren zurückfallen.
Twitter / THTorguk | Der Terrence Higgins Trust, eine britische Aids-Organisation, betonte, einen solchen Fall habe es noch nie gegebenThis case is absolutely unprecedented and its the first time an individual has ever been convicted of intentional #HIV transmission in England. We strongly condemn Rowes actions and hope that the case doesnt fuel the stigma and misinformation that still surrounds HIV. https://t.co/Phw6m1jqs8
Terrence Higgins Trust (@THTorguk) April 18, 2018
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Tatsächlich sehen Aids-Aktivisten auch in Deutschland eine generelle Kriminalisierung von HIV-Positiven kritisch, zumindest bei einvernehmlichem Sex ohne manipulierte Kondome. HIV-Prävention dürfte nicht einseitig positiven Menschen aufgebürdet werden. Der Nationale Aids-Beirat der Bundesregierung kritisierte 2013, dass Strafverfahren bei HIV-Übertragungen nach einvernehmlichem Sex "keinen Beitrag zur HIV-Prävention" leisten würden (queer.de berichtete). Zudem zeigen Studien, dass bei einer erfolgreichen retroviralen Behandlung die Viruslast bei Positiven so niedrig ist, dass die Ansteckung eines Sexpartners selbst ohne Kondom praktisch ausgeschlossen ist (queer.de berichtete). (dk)

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