Grünenchef Christian Franke ist "angewidert", dass beim Koalitionspartner CDU weiterhin Menschen aktiv seien, die Homosexualität für eine heilbare Krankheit halten (Bild: Rubenengel / wikipedia)
In Sachsen-Anhalt herrscht Fassungslosigkeit über einen Verein, der in dieser Woche ein Seminar zur "Heilung" u.a. von Homosexualität angeboten hatte. In den Unterlagen zum Seminar "Schritte auf dem Weg zur Freiheit aus zwanghaften negativen Gefühlsstrukturen" des Vereins für Lebensorientierung (Leo e.V.) aus Bennungen wird Homosexualität als behandelbare "Störung" und als Folge von Selbstmitleid und Minderwertigkeitskomplexen dargestellt sowie mit Pädophilie gleichgesetzt (queer.de berichtete).
Der Lesben- und Schwulenverband Sachsen-Anhalt stellt daher unter der Überschrift "Keine Rehabilitation für Homoheiler und Leo e.V." einen Forderungskatalog an Kirche und Politik – etwa zu Leo-Chef Bernhard Ritter, ehemaliger CDU-Landtagsabgeordneter und evangelischer Pfarrer. So müsse sich die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland von den Praktiken des Vereins distanzieren und Ritter im Rahmen eines Disziplinarverfahrens die Ordination als Pfarrer entziehen. Der Landkreis Mansfeld-Südharz müsse zudem die Anerkennung als Freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe "aufgrund konkret vorliegender Seminarunterlagen, die die Untauglichkeit untermauern", aberkennen. Die Kommunalpolitiker hatten das bereits 2014 versucht, Leo e.V. konnte die Aberkennung der Trägerschaft aber mit einer Klage verhindern, weil man nach Ansicht eines Gerichts nicht mit Sicherheit sagen könne, was in den Kursen tatsächlich gelehrt wird. Der LSVD fordert, dass an den Verein auch keine öffentlichen Aufträge mehr an Leo e.V. vergeben werden dürften.
Auch die Landespolitik müsse sich von dem Verein distanzieren, so der Verband. Der Landtag müsse sich etwa in einem Ausschuss mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit befassen. "Für Homophobie darf es keine Förderung geben", so der LSVD. Konkret solle sich Gleichstellungsministerin Anne-Marie Keding (CDU), mit der Bernhard Ritter einträchtig im Vorstand des Evangelischen Arbeitskreises der CDU in Sachsen-Anhalt sitzt, von den Homo-"Heilern" distanzieren.
SPD, Grüne und Linkspartei sind entsetzt
Kritik an dem Leo-Angebot kommt auch von SPD und Grünen, mit denen die CDU in einer Koalition in Magdeburg regiert, sowie von der oppositionellen Linkspartei. Unterdessen herrscht bei den Christdemokraten Schweigen.
"Ein Verein, der vorgibt, er könne Homosexualität heilen, disqualifiziert sich als Träger der freien Jugendhilfe", erklärte die frühere Landesgleichstellungsministerin Angela Kolb-Janssen (SPD), die jetzt Sprecherin der sozialdemokratischen Fraktion für Gleichstellungspolitik ist. Sie halte es daher für "dringend geboten, dass es eine erneute Überprüfung der Zulassung des Vereins LEO e. V. als Träger der freien Jugendhilfe gibt".
Die Grünen attackierten direkt ihren Koalitionspartner CDU: "In der [CDU Sachsen-Anhalt] gehen 'Homoheiler' und ihre Unterstützer noch immer ein und aus. Dass diese Personenkreise innerhalb des CDU-Landesverbands weiterhin organisiert sind, erfüllt mich mit Entsetzen und großer Sorge", erklärte Christian Franke, der offen schwule Grünenchef in Sachsen-Anhalt per Twitter.
In weiteren Tweets wurde Franke noch deutlicher: "Es widert mich an, dass in der [CDU Sachsen-Anhalt] bis heute Menschen aktiv sind, die #Homosexualität für eine Krankheit halten", schrieb er etwa. In einem weiteren Eintrag bei Twitter heißt es: "Mit solchem Hokuspokus haben wir nichts zu tun. Für Voodoo-Politik sind offensichtlich andere zuständig."
Auch die Linkspartei hält die Nähe der CDU zu Homo-"Heilern" für problematisch. "Es ist unfassbar, dass dieser Verein noch immer Schaden bei Menschen mit einer ihm nicht genehmen geschlechtlich-sexueller Identität anrichtet! Ich fordere die CDU auf, ihre personellen Verstrickungen zum LEO e.V offenzulegen!", schrieb etwa der Landtagsabgeordnete Hendrik Lange auf Twitter.
Der linke Oppositionsführer Wulf Gallert ergänzte via Twitter mit sarkastischem Unterton: "Eine 'christliche Selbsthilfegruppe' aus Sachsen Anhalt stellt Homosexualität auf eine Stufe mit Pädophilie und will diese heilen. Aber wir sind ja hier im aufgeklärten Abendland und haben kein Problem mit religiösem Fundamentalismus." (dk)
Daher ja wohl auch die Herunterrelativierung von sexuellem Missbrauch an Kindern, Jugendlichen durch kirchliche Einrichtungen und kirchlich geleitete Schulen, Internate usw. und das als schlimmer darstellen einvernehmlicher Sexualität unter Erwachsenen, wenn sie gleichgeschlechtlich abläuft.
Wie die bei Leo e.V. arbeitenden "Homo-Heiler" genau arbeiten, muss doch zumindest über die Richtlinien für zugelassene Therapien oder bei einer Therapeuten-Vereinigung bekannt sein. Wenn schon ein Gericht feststellt, man könne nicht sicher sagen, was in solchen Kursen gelehrt wird, ist das schon außerordentlich eigenartig, das nicht einfach mal in Erfahrung zu bringen!!
In jede zugelassene Therapie-Form kann man selbst als Laie heute Einblicke erhalten, gewöhnlich wird einE TherapeutIn auch mit ihrem/seinem Klienten zusammen die einzelnen stufen einer Therapie durchgehen, denn sie/er erklärt schließlich die Bereitschaft, gemeinsam an Lösungsansätzen für welches Problem oder Komplex auch immer zu arbeiten.
Bei diesem Verein wird da offenbar nicht viel Transparenz geführt, das allein muss etwaige Klienten schon stutzig machen.
So ist auch kontinuierliche Weiterbildung dem therapeutischen Feld kein Fremdwort. Wissenschaft hält sich ihrer Verfeinerung und Verbesserung an und überholt Konzepte, die in irrige Richtungen laufen. Siehe die Entnahme von sexueller Orientierung / Homosexualität aus dem ICD bzw. der DSM Systematik und der Erkenntnis, dasses sich um eine normale Variation in der menschlichen Sexualitätsstreubreite handelt. ( Vielfalt)
"Homoheilung" ist ein irrationales, wohl eher aus religiös beeinflusstem Weltbild denn aus therapeutischem Ansatz hergbeigebrachtes Konzept und strebt das Gegenteil von therapeutischen Zielen an.
Hier werden Menschen fahrlässig oder mutwillig krank gemacht, es wird in Kauf genommen, dass sich Einzelne umbringen, durch die Destabilisierung ihrer persönlichen Instanz, durch Zerrütten ihres Lebensinteresses, weil die Erkenntnisbildung der Täter, als wohl auch deren Herzensbildung gravierende Mängel aufweist, oder versagt.
Wer Menschen mit Gewalt kaputt macht, verunsichert, ihnen das Leben verleitet, sollte keine Zulassung als TherapeutIn führen können. Gerade auch, wenn der religiös motivierte Hintergrund sich verbissen weigert, einen Teil der Weltwirklichkeit anzuerkennen. Dafür können diese "Klienten" nicht. Eigentlich müssten da eher die "TherapeutInnen" eine Behandlung angeboten bekommen, auch genannt Reality-Check.
Dass so etwas noch staatlioch hofiert oder unterstützt wird, ist eine Schande, die man getrost mit den "Verdiensten" des NS-Regimes, der Nachkriegs-Schwulenverfolgung, dem Umgang mit Trans*-Personen oder den Psychiatrie-Verfehlungen vergleichen kann.
Die Parallelen zwischen christlicher Ideologie und Faschismus sind immerhin bekannt = selektiv orientierte Menschenfeindlichkeit und Ausgrenzung.