Der Weg vom Nackt-Selfie zum Karriereknick ist häufig nur eine WhatsApp-Nachricht entfernt, dennoch ist das so genannte Sexting außerordentlich beliebt. Wie deutsche Jugendliche mit den heißen Schnappschüssen umgehen, hat Andreas Klein im Rahmen seiner Bachelorarbeit untersucht. Seine Ergebnisse wird er Anfang Juni auf der diesjährigen LGBT-Job- und Karrieremesse Sticks & Stones in Berlin präsentieren. Stuart B. Cameron, der Gründer der Messe, hat sich für queer.de mit dem Sexting-Experten unterhalten.
Sexting-Experte Andreas Klein hat knapp 3.000 Jugendliche über ihren Umgang mit Nackt-Selfies befragt
Für Deine Studie "Snapschuss aus der Hose – Sextingverhalten Jugendlicher in Deutschland" hast du knapp 3.000 Jugendliche befragt. Ergebnis: 61,4 Prozent der Befragten beteiligen sich einmal im Jahr am Sexting. Hat dich das Ergebnis überrascht oder hast du vielleicht sogar mit mehr gerechnet?
Überrascht bin ich nicht, ich sehe meine These eher bestätigt. In der Vorrecherche habe ich Dinge gelesen wie zum Beispiel, dass sich Menschen nicht am Sexting beteiligen, weil die MMS-Gebühren zu hoch seien. Sprich, die damals aktuellsten Umfragen sind vor dem WhatsApp-Zeitalter entstanden. Zusätzlich gab es nur Studien aus den USA. Dort ist die Rechtslage aber so streng, dass ich mir schon gedacht habe, dass in Deutschland ein anderer Umgang mit diesem Thema herrscht.
Was privat mit einem Nackt-Selfie beginnt, taucht auch gern mal öffentlich im Netz oder bei Arbeitskollegen auf. Mitunter werden sie weitergeschickt oder landen im Worst Case beim Arbeitgeber. Berufliche Folgen, egal ob für den Berufsstart oder die Karriere, bleiben nicht aus, oder?
Der öffentliche Aufschrei über einen hüllenlosen Fußballer, der sich nackt abgefilmt hat, oder über eine "Oben ohne"-Model-Kandidatin zeigen, dass Sexting noch lange nicht zur Normalität gehört – schon gar nicht im Job. Das Risiko mit illegal veröffentlichtem Sexting-Material wird allzu oft unterschätzt. Tumblr ist hierfür ein gutes Beispiel, hier werden gerne mal Sexting-Bilder veröffentlicht, die man dann nur ganz schwer wieder entfernt bekommt.
Dem gegenüber steht eine 2014 veröffentlichte Studie aus Österreich. Die besagt, dass 47 Prozent der Personaler Internetrecherche nutzen, um mehr über die Bewerber zu erfahren. Dabei wurden, um einen Einblick in die Persönlichkeit der Bewerber zu erhalten, in 51 Prozent der Fälle nach deren eigenen Postings gesucht, 36 Prozent gaben an, sich über Postings von Dritten über die Person zu informieren. Auch Fotos/Videos und freizügige Aufnahmen werden in 33 bzw. 20 Prozent der Fälle von den 299 befragten Personalern recherchiert. Am Ende hatten dann durchschnittlich 29 Prozent der Recherchen Auswirkungen auf den Bewerbungsprozess.
Sind Sexting-Opfer nicht selbst schuld?
Als vor einiger Zeit Nacktbilder von Lena Meyer-Landrut aufgetaucht sind, stand diese Frage auch ganz schnell im öffentlichen Raum. Obwohl die Fotos auf einem gesicherten Computer in einem abgeschlossenen Auto lagen. Das Auto wurde aufgebrochen und der Computer gestohlen. Trotzdem wurde Lena nicht als Opfer, sondern als Selbstverschuldete durch die Medien getrieben. Die Rollen von Opfer und Täter sind tatsächlich noch immer falsch in der Gesellschaft positioniert.
Die Gesellschaft ächtet es, obwohl deine Studie ja zeigt: Sexting ist keine Seltenheit. 31,4 Prozent der Befragten innerhalb deiner Studie senden mehrmals im Monat Text, Bilder und/oder Videos mit sexuellem Inhalt. Wie kann ich mich vor Missbrauch schützen, Thema Safer Sexting.
Meine Top drei sind: Sexting sollte immer einvernehmlich passieren, belästigt nicht einfach Menschen mit Nacktfotos. Sexting nu r mit einer vertrauensvollen Person. Und drittens: Es sollte nichts auf dem Material zu sehen sein, was euch wiedererkennen lässt. Lasst das Gesicht raus, Max Kruse wurde zum Beispiel anhand seiner Tattoos am Unterarm erkannt.
Spannender Fakt: besonders bi- und homosexuelle männliche Jugendliche beteiligen sich signifikant häufiger am Sexting als gleichaltrige Heterosexuelle. Warum?
In meinen Vorabrecherchen hatte ich bereits gelesen, dass Bi- und Homosexuelle eher eine kleine narzisstische Veranlagung haben, und aus meiner eigenen Erfahrung heraus kann ich sagen, dass Bi- und Homosexuelle in ihrer gesamten Entwicklung viel mehr mit ihrer eigenen Sexualität konfrontiert werden. Dazu gehört die frühe Feststellung, dass in der eigenen sexuellen Entwicklung etwas anders läuft als beim großen anderen Rest im eigenen Umfeld. Ich wurde schon früh als "Schwuchtel" gedisst, und bei der Suche nach der eigenen sexuellen Identität kann Safer Sexting hier sehr gut helfen, um sich selbst zu finden.
Event-TippMehr Safer-Sexting-Tipps von Andreas Klein – mit Power Point Präsentation und einer Vor-Ort-Umfrage – gibt es bei der Sticks & Stones Berlin Edition. Die LGBT-Job- und Karrieremesse startet am Samstag, den 2. Juni um 10 Uhr im SchwuZ und im Vollgutlager. Gratis-Tickets gibt es für alle, die sich
vorab online anmelden.
Der Umgang der Gesellschaft mit Nacktheit ist Teil des Unterdrücker-Systems, und vor allem Arbeitgebern muß es verboten werden privates zur Kündigung aus dem Job zu nutzen..
Denn hier feiern nur Neid, Missgunst und das Denunzianten-Tum fröhliche Urständ..