"Lesben sollten in jedem Lebensalter und in ihren unterschiedlichen Lebenslagen, in ihrer Vielfalt und ihrer Power, mit ihren Themen und Interessen, ihren Beiträgen zu Kultur und Geschichte und insbesondere zu Geschichte der Frauenemanzipation sichtbar sein." Das ist die Forderung von LSVD-Vorstandsmitglied Ulrike Schmauch anlässlich des Tags der lesbischen Sichtbarkeit, der seit ein paar Jahren am 26. April begangen wird, bislang aber wenig öffentliche Beachtung findet.
Anlässlich des Tages verlangte Schmauch von der neuen Bundesregierung auch politische Initiativen – etwa ein "modernes Familien- und Abstammungsrecht, das Lesben und ihre Familien anerkennt und rechtlich absichert". Bei lesbischen Regenbogenfamilien sei etwa trotz der Öffnung der Ehe bis heute eine "langwierige und diskriminierende Stiefkindaoption" notwendig, da die Ehefrau einer lesbischen Mutter nicht automatisch als Co-Mutter anerkannt wird. Ein neues LSVD-Projekt mit dem Namen "Miteinander stärken – Lesbengruppen vernetzen" solle die Sichtbarkeit von Lesben in Politik und Gesellschaft verbessern und damit ihren politischen Forderungen mehr Ausdruck verleihen.
LGBTI-Aktivistinnen beklagen, dass Lesben grundsätzlich einer Mehrfachdiskriminierung aufgrund ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Identität unterliegen würden. "Schwarze Lesben, Lesben of Color, migrantische Lesben, körperlich und geistig beeinträchtigte Lesben, Lesben aus der Arbeiter*innenklasse, Lesben mit Fluchterfahrung, alte und /oder transgeschlechtliche Lesben" seien von zusätzlicher Diskriminierung betroffen, so Schmauch.
Berlin vergibt Preis für lesbische Sichtbarkeit
Das Land Berlin hat anlässlich des Tages erstmalig einen "Preis für Lesbische* Sichtbarkeit" ausgelobt. Die Auszeichnung soll ab 2018 zweijährig vom Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung vergeben werden. Der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert.
Die Nominierungsphase läuft ab sofort bis zum 26. Mai. Die Behörde erbittet daher Vorschläge aus der Öffentlichkeit. Mehr Infos und ein Online-Nominierungsformular gibt es auf der Website der Senatsverwaltung.
"Lesbisches Leben gehört zur Geschichte und Gegenwart unserer Stadt", so begründete Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) die Aktion. "Lesbische Menschen haben Berlin positiv und nachhaltig verändert und unverzichtbare Spuren hinterlassen, die bisher nicht ausreichend gewürdigt werden. Oder aber ihre sexuelle Identität wird bewusst verschwiegen. Unsichtbarkeit und das Verschwinden lesbischer Kultur, von Orten der Selbstbehauptung und des sozialen Miteinanders sind die Folge. Dem möchte sich der Senat entgegenstellen."
Aktionstag im Europäischen Parlament
Weltweit gibt es mehrere Aktionen zum Sichtbarkeitstag – so auch im Europäischen Parlament in Brüssel. Beim "Lesbian Visibility Day in the EP", der von der überparteilichen Parlamentariergruppe LGBTI-Intergroup mitorganisiert wurde, debattieren LGBTI-Aktivistinnen und Politikerinnen über das Thema. Geleitet wird die Veranstaltung von der schwedischen Linkspolitikerin Malin Björk und der deutschen Grünenpolitikerin Terry Reintke.
"Themen, die in Europa und anderswo Lesben betreffen, bleiben meist unsichtbar im politischen und öffentlichen Bereich", so Björk anlässlich des Events. "Die Frauenbewegung auf der einen Seite und die LGBTI-Bewegung auf der anderen Seiten konzentrieren sich häufig nicht auf die Belange von Lesben. Unsere Veranstaltung soll eine Erinnerung daran sein, dass das Europäische Parlament alle Bürgerinnen und Bürger in der EU vertritt – und dass Lesben, wie auch jeder anderen Person, zugehört werden sollte. Sie sollten ein Mitspracherecht haben bei den Gesetzen, die sie betreffen."
Im Oktober 2017 hatten sich bereits 500 lesbische Aktivistinnen, Künstlerinnen, Akademikerinnen, Politikerinnen und Journalistinnen aus 45 Ländern in Wien zur ersten "European Lesbian* Conference" getroffen und einen Bericht verabschiedet, in dem insbesondere eine bessere Sichtbarkeit für Lesben gefordert wird (queer.de berichtete). (cw)

11.30 Uhr: Ergänzt um den "Preis für Lesbische* Sichtbarkeit"