James Miller behauptete, er habe sich mit der Tötung des schwulen Mannes nur vor dessen Anmachversuchen verteidigen wollen (Bild: Screenshot KXAN)
Im texanischen Austin ist der 69-jährige James Miller zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt worden, weil er seinen 32-jährigen Nachbarn Daniel Spencer mit zwei Messerstichen umgebracht hatte. Miller, ein pensionierte Polizeimitarbeiter, war ursprünglich wegen Mordes angeklagt worden, erhielt aber am Ende nur eine Strafe wegen fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge. Der Grund: Der Angeklagte hatte angegeben, dass ihn das schwule Opfer angemacht und er deshalb aus Panik gehandelt habe.
Zusätzlich zur Haftstrafe, die er anders als bei einer Verurteilung wegen Mordes in einem komfortablen Bezirksgefängnis absitzen darf, muss Miller 100 Stunden Sozialarbeit verrichten und der Familie seines Opfers 11.000 Dollar (9.000 Euro) Entschädigung zahlen. Er muss außerdem ein Jahr lang einen Alkoholmonitor tragen. Zudem erhielt er eine zehnjährige Bewährungsstrafe.
Die Anwendung der sogenannten "Gay Panic"-Verteidiung wird bereits seit Jahrzehnten von LGBTI-Aktivisten scharf kritisiert. Rechtsanwälte argumentieren dabei, dass ihr Mandant einen Homosexuellen nur getötet habe, weil er panische Angst vor seiner sexuellen Orientierung gehabt habe und dadurch nicht zurechnungsfähig gewesen sei. Bei einer wohlwollenden oder homophoben Jury können die Angeklagten sogar mit einem Freispruch rechnen: 2009 sorgte etwa der Freispruch eines 30-Jährigen für Empörung, der einen schwulen Mann mit 61 (!) Stichen mit einem Dolch getötet hatte (queer.de berichtete). Bislang haben nur zwei der 50 US-Bundesstaaten diese Verteidigungstaktik verboten – dabei handelt es sich um Kalifornien und Illinois.
Daniel Spencer starb im September 2015
Im vorliegenden Fall gab der Angeklagte an, dass er im September 2015 ins Haus seines späteren Opfers gegangen sei, um mit ihm zu musizieren: Miller spielte Gitarre, Spencer war Saxophonist. Beide hätten eine Jazzband gründen wollen.
Der ältere Mann behauptete, sein Nachbar habe bei einer Probe versucht, ihn zu küssen. Daraufhin habe er seinem Gegenüber gesagt, er sei nicht interessiert – der 20 Zentimeter größere Mann habe aber nicht abgelassen, woraufhin er ihn im Affekt erstochen habe. Miller gab an, er habe Angst gehabt, "dass er mir etwas antut".
Der Bezirksstaatsanwalt erklärte während des Prozesses, Spencer sei "das Opfer einer sinnlosen Tötung durch den Angeklagten gewesen", und betonte, dass den 32-Jährigen keine Schuld treffe. Der Verteidiger behauptete hingegen, sein Mandant habe sich nur selbst verteidigt – nach dem Urteil zeigte er sich enttäuscht, dass Miller nicht freigesprochen wurde.
Kritik von LGBTI-Aktivisten
LGBTI-Aktivisten waren über das milde Urteil empört. D'Arcy Kemnitz von der Anwaltsvereinigung LGBT Bar Association kritisierte die Entscheidung in Texas in der "Washington Post" mit den Worten: "Das ist etwas aus den dunkelsten Zeiten, basierend auf der Idee, dass wenn ein schwuler Mann einen Hetero anmacht, dieser alles machen darf, inklusive Mord." Das Urteil zeige, dass Schwule und Lesben immer noch immer um ihre Sicherheit fürchten müssten. (dk)
Es wird höchste Zeit, dass "Gay Panic" nicht mehr als Argument anerkannt wird.