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ESC 2018
Eurovision: China zensiert irischen Beitrag und Regenbogenflagge
Zwei Jungs, die sich umtanzen und Händchen halten, werteten chinesische Zensoren offenbar als Verstoß gegen die Gesetze.

Ryan O'Shaughnessy mit den beiden Tänzern Alan McGrath und Kevin O'Dwye bei einer Probe in Lissabon (Bild: EBU / Andres Putting)
- 9. Mai 2018, 21:04h 3 Min.
Wenige Wochen, nachdem ein inzwischen wieder zurückgenommenes Verbot von LGBTI-Inhalten im chinesischen sozialen Netzwerk Weibo zu einem Shitstorm durch die Nutzer führte (queer.de berichtete), macht das Land erneut mit Zensur homosexueller Inhalte von sich reden.
Bei der um mehrere Stunden versetzten Ausstrahlung des ersten Halbfinales des diesjährigen Eurovision Song Contests im Streaming-Dienst MangoTV des staatlichen Senders Hunan TV fehlte der irische Beitrag am Mittwoch völlig – in ihm ist ein verliebtes Jungenpaar zu sehen, das miteinander tanzt und zwischenzeitlich Händchen hält.
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Auch in den Schnelldurchläufen fehlte der irische Beitrag. An anderer Stelle der Übertragung (Video) wurde eine im Publikum hochgehaltene Regenbogenflagge während des Schweizer Beitrags nur verpixelt ausgestrahlt.
Internationale Medien und ESC-Fan-Seiten führten die Zensur auf ein im letzten Jahr erlassenes Gesetz zurück, das homosexuelle Inhalte in Online-Videos verbietet (queer.de berichtete).
Auch Sänger mit Tattoos zensiert
Neben Irland fehlte in der chinesischen Fassung des ersten ESC-Semis 2018 auch der Beitrag Albaniens – was auf ein Anfang des Jahres eingeführtes Verbot zurückgeführt wird, Schauspieler oder Performer mit Tattoos zu zeigen. Selbst Fußballer wurden zuletzt aufgefordert, diese bei Spielen zu verdecken.

Eugent Bushpepa mit einigen seiner Tattoos auf der ESC-Bühne. Bild: EBU / Andres Putting
Bereits 2013 hatte das chinesische Fernsehen, damals der Staatssender CCTV, einen Kuss unter Frauen aus dem Eurovision Song Contest geschnitten. Damals küsste die finnische Sängerin Krista Siegfrids zum Schluss ihres Liedes "Marry me" eine Mitsängerin (queer.de berichtete). Die heterosexuelle Sängerin wollte damit ein halbernstes Statement setzen.

Schon beim ESC aus Malmö wurde gleichgeschlechtlich geknutscht. Bild: EBU
Anders als bei teilnehmenden Ländern beharrt die EBU bislang beim Verkauf der Ausstrahlungsrechte an Drittländer nicht darauf, dass die Shows in voller Länge gezeigt werden.
Irland überraschend im Finale
Der romantische Tanz der beiden Jungs im irischen Beitrag scheint neben dem emotionalen, selbst verfassten Lied von Ryan O'Shaughnessy die Zuschauer in Europa berührt zu haben – entgegen den Erwartungen von Wettbüros und Experten schaffte das Land den ersten Finaleinzug seit 2013.
Bereits das Musikvideo hatte die beiden Tänzer gezeigt, wie sie durch das nächtliche Dublin schlendern und tänzeln. Der 25-jährige, selbst heterosexuelle Sänger meinte dazu bei einer Proben-Pressekonferenz in Lissabon, in Musikvideos zu Liebesliedern gehe es fast immer nur um Mädchen trifft Junge – "das ist einfach nicht mehr die moderne Welt, in der wir leben". Liebe sei Liebe, egal ob zwischen gleich- oder verschiedengeschlechtlichen Partnern.
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Mehr zu O'Shaughnessy und seinen Tänzern sowie der ebenfalls fürs Finale qualifizierten lesbischen Sängerin Saara Aalto aus Finnland in diesem Bericht. Beide hatten bei der Auslosung in der Pressekonferenz am Dienstag Glück und dürfen in der zweiten Hälfte des Finales am Samstag auftreten, das ab 21 Uhr im Ersten und auf eurovision.de zu sehen ist. Die genaue Reihenfolge wird in der Nacht zum Freitag festgelegt, nach dem zweiten Halbfinale am Donnerstagabend (21 Uhr, One und eurovision.de). (cw)

Glückliche Iren nach der Show vom Dienstag. Jetzt hofft Ryan, beim Finale besser abzuschneiden als sein Onkel Gary 2001 in Kopenhagen (Platz 21)
Update 10.5., 23.30h: EBU greift durch
Die EBU hat als Reaktion auf die Zensur die Zusammenarbeit mit dem Sender Mango TV mit sofortiger Wirkung eingestellt.

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