Eine angeblich positive Aussage von Papst Franziskus gegenüber einem offen schwulen Mann hat unter LGBTI-Katholiken für Freude gesorgt. Der Chilene Juan Carlos Cruz, der als Kind Opfer von Missbrauch durch den berüchtigten Priester Fernando Karadima geworden war und den Papst vor zwei Wochen traf, behauptete in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit der spanischen Tageszeitung "El País", der Papst habe ihm in einer Audienz gesagt, dass Gott ihn schwul gemacht habe und das so in Ordnung sei.
Von der Zeitung direkt auf seine Homosexualität angesprochen, sagte Cruz: "Ja, wir haben darüber gesprochen. Ihm wurde praktisch gesagt, dass ich ein Perverser bin. Ich habe ihm erklärt, dass ich nicht die Reinkarnation des heiligen Aloisius von Gonzaga bin, aber auch kein schlechter Mensch. Ich versuche, niemandem wehzutun. Er sagte mir: 'Juan Carlos, dass du schwul bist, spielt keine Rolle. Gott hat dich so geschaffen, und er liebt dich so, und es ist mir ganz egal. Der Papst will dich so. Du musst glücklich sein, mit dem, was du bist.'"
Der Vatikan kommentierte die angeblichen Aussagen nicht – das ist ein Standardvorgehen bei privaten Audienzen. Es gab auch kein Dementi.
"Unsere Hoffnung ist, dass Franziskus in der Öffentlichkeit derartige Worte wiederholt"
LGBTI-Aktivisten begrüßten die vermeintlichen Äußerungen. "Wenn diese Kommentare wahr sind, bedeutet das eine grundlegende Veränderung im offiziellen Umgang der Kirche mit LGBTI-Themen", erklärte Francis DeBernardo von der amerikanischen LGBTI-Katholikenvereinigung "New Ways Ministry". Das sei eine der eindrucksvollsten Aussagen, die jemals ein Papst zum Thema Homosexualität gemacht habe. "Unsere Hoffnung ist aber, dass Papst Franziskus auch in der Öffentlichkeit derartige Worte wiederholt und sich nicht nur in Privatgesprächen dementsprechend äußert."
Auch das generell LGBTI-feindlich eingestellte Magazin katholisches.info behandelte die Aussagen als glaubwürdig – und befürchtete in einem am Dienstag veröffentlichten Artikel, dass die Äußerungen de Papstes eine neue Linie in der Kirche bedeuten könnten: "Wird der schwerwiegende Skandal von sexuellem Missbrauch Minderjähriger […] am Ende sogar zu einem Instrument der Homosexualisierung in der Kirche?", fragte das Magazin am Dienstag.
Widersprüchliche Botschaften des Papstes
Allerdings sendet der Papst seit Jahren widersprüchlichen Botschaften zum Thema LGBTI-Rechte aus. Mit der rhetorischen Frage "Wenn eine Person homosexuell ist und Gott sucht und guten Willens ist, wer bin ich, über ihn zu richten?", hatte Franziskus bereits kurz nach seinem Amtsantritt im Jahr 2013 gegenüber Journalisten Hoffnungen auf einen neuen Kurs der katholischen Kirche gemacht (queer.de berichtete). 2016 sagte er zudem, die Kirche sollte sich gegenüber ausgegrenzten Homosexuellen entschuldigen (queer.de berichtete).
Demgegenüber stehen viele Äußerungen, in denen der Papst die Distanz der Kirche zu sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten bekräftigt – mit teils heftiger Rhetorik. So beklagte er mit Blick auf gleichgeschlechtliche Eheschließungen den angeblichen "Weltkrieg" gegen die Hetero-Ehe oder behauptete gegenüber Journalisten, dass Homosexualität "kein Grund zum Jubeln" sei. Außerdem bekämpfte seine Kirche die Einführung die politische Öffnung der Ehe in vielen Ländern und polemisierte sogar gegen die Einführung von Lebenspartnerschaften mit weniger Rechten, wie etwa in Italien. Ende 2016 stellte die Kirche zudem klar, dass Homosexualität, selbst wenn sie nicht sexuell ausgelebt wird, ein Ausschlussgrund für das Priesteramt sei (queer.de berichtete). (dk)
Und dann würden sie auch die GLBTI akzeptieren, die sich nicht der Kirche anbiedern und sich nicht deren Doktrin unterwerfen.
Aber selbst wenn die Kirche all das täte, würde das nicht ungeschehen machen, was die über Jahrhunderte an Leid und Elend über die Menschheit gebracht haben.