Bei der Jahrestagung der Finanzminister*innen der Länder am 24. und 25. Mai in Goslar stand u.a. das Thema "Bürgerfreundliche Sprache in der Finanzverwaltung" auf der Tagesordnung. "Eine gute Gelegenheit, nun endlich auch für diskriminierungsfreie Steuervordrucke der Finanzverwaltung zu sorgen", appellierte die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbunds (djb) Prof. Dr. Maria Wersig.
Die Vordrucke für die Einkommensteuererklärung und die offizielle Anleitung zur Einkommensteuererklärung seien "durchsetzt von Rollenstereotypen", die dringend beseitigt werden müssten, kritisierte der djb in einer Pressemitteilung. Tatsächlich enthalten die Formulare unmittelbar diskriminierend das Bild des männlichen "Ernährers" und der weiblichen "Zuverdienenden".
So ist im Vordruck für die Einkommensteuererklärung bei Zusammenveranlagung von heterosexuellen Ehepaaren ausdrücklich der "Ehemann" als steuerpflichtige Person einzutragen, die nachrangige zweite Rubrik ist ausdrücklich für die "Ehefrau" vorgesehen. Diese Reihung ist auch dann einzuhalten, wenn sie mehr verdient als er und selbst dann, wenn Frauen das Familieneinkommen allein erwirtschaften. Die Einkommensteuererklärung wird immer unter dem Namen des Ehemannes geführt. Bis 2010 galt das Konto des Ehemannes sogar als Regelfall für Erstattungen.
Diskriminierung aus "organisatorischen Gründen"
Als ehemalige Parlamentarische Staatsekretärin im Bundesministerium der Finanzen räumte die SPD-Politikerin Barbara Hendricks schon vor mehr als zehn Jahren ein, dass sich die Vordrucke am tradierten Leitbild der Einverdienstehe orientieren – aus "organisatorischen Gründen". Für eingetragene Lebenspartnerschaften bzw. gleichgeschlechtliche Ehen waren diese organisatorischen Gründe allerdings lösbar.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Ehegattensplitting für eingetragene Lebenspartnerschaften im Mai 2013 wurden die Steuervordrucke überarbeitet. In der Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2013 konnten sich Lebenspartner*innen bereits als Lebenspartner A oder B eintragen. Nach der Einführung der Ehe für alle ermöglicht der Mantelbogen für die 2018 abzugebende Einkommensteuerklärung gleichgeschlechtlichen Paaren, sich als "Person A"/"Person B" bzw. "Ehegatte A"/"Ehegatte B" einzutragen. An der – fett gedruckten – Zuordnung von "Ehemann" und "Ehefrau" für Heterosexuelle hat sich jedoch nichts geändert.
Die heterosexuelle Ehefrau arbeitet nur halbtags
Das überkommene Rollenklischee wird in der offiziellen Anleitung zur Einkommensteuererklärung fortgesetzt: Nach dem "Beispiel" für 2017 arbeitet Frau Muster halbtags, Herr Muster dagegen offenbar Vollzeit. Die Vordrucke, so ist zu lesen, füllt Herr Muster für beide Eheleute aus (obwohl Frau Muster selbst Buchhalterin ist). "Dieses Bild spricht für sich und ist in staatlichen Vordrucken fehl am Platz", kritisierte der Juristinnenbund.
Auch die Gleichstellungs- und Frauenminister*innen und -senator*innen der Länder haben mehrfach eine diskriminierungsfreie Ausgestaltung von Steuervordrucken eingefordert. "Es ist nicht nachvollziehbar, warum die für gleichgeschlechtliche Ehen geltenden Ordnungsprinzipien der Steuerverwaltung nicht auf verschiedengeschlechtliche Ehen übertragbar sind", erklärte djb-Präsidentin Wersig: "Die Steuervordrucke sind umgehend diskriminierungsfrei zu gestalten. Überkommene Rollenklischees haben darin nichts zu suchen und auch im Hinblick auf eine Sprache, die alle anspricht – statt wie bisher nur das generische Maskulinum zu verwenden – ist noch viel Luft nach oben." (cw/pm)
Übrigens: als wir letztes Jahr erstmals eine gemeinsame Steuererklärung eingereicht haben, mußten wir eine gemeinsame Veranlagung erst erkämpfen, weil wir unterschiedliche Familiennamen und unterschiedliche Wohnsitze haben.