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Warnung vor sozialen Netzwerken
Russischer Außenminister will das Internet vor Schwulen schützen
Vor Studenten in Minsk verglich Sergei Lawrow Homosexuelle mit Pädophilen und Terroristen.

Sergei Lawrow ist seit März 2004 Außenminister der Russischen Föderation
- Von Norbert Blech
2. Juni 2018, 04:34h 4 Min.
Der russische Außenminister Sergei Lawrow hat am Dienstag bei einem Vortrag in der weißrussischen Hauptstadt Minsk nach einer Frage aus dem Publikum zu "feindlicher Propaganda aus dem Ausland" vor Sicherheitsrisiken gewarnt, wie sie etwa Terroristen oder Bedrohungen der christlich-orthodoxen Werte darstellten.
Lawrow kritisierte in diesem Zusammenhang u.a. ukrainische Journalisten, die falsch berichteten oder "aggressive" Fragen stellten. Aber die Propaganda-Frage sollte vor allem aus Sicht von Behörden behandelt werden, die Massenkommunikation regeln, so der 68-Jährige. Zwar gebe es internationale Verpflichtungen zur Meinungsfreiheit, diese fänden aber ihre Grenzen, wenn es um die nationale Sicherheit oder die "moralische Gesundheit" eines Landes gehe. So müssten Wege gefunden werden, um das Risiko zu minimieren, dass Terroristen soziale Netzwerke nutzen.
Direkt im Anschluss meinte Lawrow: "Wir können und müssen tun, was derzeit unternommen wird, um die Nutzung von sozialen Medien durch Pädophile zu unterbinden, wenn für gleichgeschlechtliche Werte eingetreten wird, die stark und offen aufgezwungen werden. Wir werden alles tun, damit unsere christlichen, orthodoxen Werte gegen diese Art von Bedrohung gestärkt werden."
Zu den versammelten Studenten meinte er: "Ich bin mir sicher, dass wir hier auf einer Linie sind." In Weißrussland gilt die Lage von LGBTI als mindestens ebenso prekär wie in Russland: LGBTI-Proteste werden unterdrückt, anders als in Moskau werden auch ihre Vereine verboten bzw. nicht zugelassen (mehr zu Weißrussland hier).
Queere Portale auf Index gesetzt
Die Worte des russischen Außenministers sind nicht nur deswegen bemerkenswert, weil sie Homosexualität wieder als etwas Westliches darstellen, gegen das sich (nicht nur) Russland zu wehren habe, und weil sie diesem Thema eine große Priorität zuweisen. Sie sind auch im Zusammenhang mit der Frage der Regulierung des Internets interessant, weil die russische Medienaufsicht in den letzten Monaten zuerst die schwule Nachrichtenseite gay.ru und dann das queere HIV-Infoportal Parniplus auf den Index gesetzt hatte (queer.de berichtete).
Die Gerichtsentscheidungen dazu basierten auf dem landesweiten Gesetz gegen "Homo-Propaganda", das seit 2013 die "Bewerbung nicht-traditioneller Beziehungen" im Beisein von Jugendlichen verbietet – und von Lawrow schon vor der Verabschiedung damit verteidigt wurde, dass eine Mehrheit der Bevölkerung Homosexuellen ablehnend gegenüberstehe und gläubig sei (queer.de berichtete).

Lawrow bei seinem Vortrag in Minsk
Medien oder Internetportale konnten sich bislang einer Verfolgung durch das Gesetz entziehen, wenn sie sich als "18+" kennzeichnen – bei den queeren Portalen half das aber plötzlich nicht mehr. Ansonsten wurde das Gesetz bislang vor allem zum Vorabverbot von Demonstrationen und zur Begründung der Festnahme von Demonstranten genutzt, aber kaum in gerichtlichen Verfahren genutzt. Im letzten November hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen Einspruch Russlands zurückgewiesen und damit ein früheres Urteil bestätigt, wonach Gesetze gegen "Homo-Propaganda" unrechtmäßig sind (queer.de berichtete). Diese verstärkten "Stigmatisierung und Vorurteile und befördern Homophobie", so die Richter. Auch Jugendliche hätten ein Recht auf objektive Informationen zum Thema und auf einen Schutz vor Homophobie.
Um die Sicherheit queerer Bürger kümmert sich Russland derweil weiter wenig. So hatte Lawrow im letzten Jahr gegenüber Volker Beck die Schwulenverfolgung in Tschetschenien angezweifelt (queer.de berichtete), nachdem seine Stellvertreterin zuvor Fragen eines finnischen Journalisten zum Thema schroff zurückgewiesen hatte (queer.de berichtete). Erst vor wenigen Wochen hatte das russische LGBT Network beklagt, dass die für Ermittlungen zuständige föderale russische Staatsanwaltschaft kaum Interesse an einer Aufklärung der Verschleppungen und Morde zeige (queer.de berichtete).
Der russische Botschafter in London betonte derweil vor Studenten in dieser Woche, dass er nicht sicher sei, ob in Tschetschenien überhaupt Homosexuelle lebten, und dass Russland ein sicheres Land für LGBT sei, zumal er selbst schwule Freunde habe und Elton John und Wladimir Putin mal über das Thema gesprochen hätten.
Für Sonntag, den 10. Juni, sind in mehreren deutschen und europäischen Städten anlässlich der WM Kundgebungen vor russischen Botschaften und Konsulaten geplant, darunter in Berlin, München, Frankfurt am Main, Leipzig und Bonn. Mehr Infos auf der Kampagnen-Webseite und in unserem Terminkalender.

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ja, so ne fußball-WM kostet milliarden und bringt dem gastgeber wenig. jetzt gilt es davon abzulenken, dass die eigene bevölkerung unter der großmannsucht putins wirtschaflich immens zu leiden hat.