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Lega Nord in Verantwortung
Neue italienische Regierung: Homophobie an der Macht
Für Vize-Regierungschef Matteo Salvini bestehen Familien nur aus Mann, Frau und Kindern. Familienminister Lorenzo Fontana nennt sich selbst einen "Kreuzzügler" gegen LGBTI-Rechte.

Gegen jedwede Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften: Für Italiens neuen Innenminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Matteo Salvini sind homosexuelle Paare auch mit Kindern keine Familien
- 2. Juni 2018, 15:11h 4 Min.
Die am Freitag vereidigte neue italienische Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega Nord hat für Entsetzen unter italienischen LGBTI geführt. Mit der "mehr oder weniger bewussten Mitschuld" ihrer Koalitionspartner werde der "homo- und transfeindliche Zorn" der rechten Partei "Schaden" anrichten, befürchtet etwa die Organisation Arcigay.
Als konkretes Beispiel benannte sie den gerade verkündeten Ausstieg der von der Lega Nord angeführten neuen Regierung der Region Friaul-Julisch Venetien aus einem Verwaltungs-Netzwerk gegen Homo- und Transphobie. Dieser unnötige und sich selbst isolierende Schritt sei ein "erster unverdaulicher Geschmack dessen, was die Liga in der späteren Regierung dieses Landes zu implementieren bereit ist", so Arcigay.
Sie hätte auch den Lega-Parteichef Matteo Salvini als Beispiel wählen können, der am Donnerstag – am Vorabend seiner Ernennung zum Innenminister und stellvertretenden Regierungschefs Italiens – vor Anhängern in Sondrio sagte: "Ich möchte Teil einer Regierung mit einigen klaren Ideen seien. In der die Mutter Mutter und der Vater Vater heißt. Ich möchte nicht über Eltern 1 und Eltern 2, 3, 4, 5 reden. In der Familie gibt es eine Mutter und einen Vater und Kinder, die eine Mutter und einen Vater haben."
"Kinder haben ein Recht auf einen Vater und eine Mutter", hatte Salvini bereits im Wahlkampf betont. Seine Partei hatte in der letzten Legislaturperiode die Einführung von Lebenspartnerschaften abgelehnt und mit ganzen 4.500 Änderungsanträgen zu blockieren versucht. Zusammen mit taktischen Spielchen der Fünf-Sterne-Bewegung, die eine Unterstützung der Gleichstellung versprochen hatte, hatte das wochenlange Chaos dazu geführt, dass die Regierung das ursprünglich geplante Recht auf Stiefkindadoption opferte.
Erzhomophober Familienminister

euranet_plus / wikipedia) Familienminister Lorenzo Fontana erklärte, dass "Homo-Ehen und Massenimmigration das italienische Volk auslöschen" (Bild:
Neuer Familienminister wird der Lega-Politiker Lorenzo Fontana, wie sein Parteichef ein Putin-Fan, der sich schon auf dem Roten Platz mit einem T-Shirt mit einem Konterfei des russischen Präsidenten fotografieren ließ.
Von ihm stammen homo-, trans und ausländerfeindliche Zitate wie die Aussage, dass "Homo-Ehen und Massenimmigration das italienische Volk auslöschen". Der frühere Abgeordnete des Europäischen Parlaments, der als Architekt eines Lega-Bündnisses mit dem französischen Front National gilt, hat sich zudem als strikter Abtreibungsgegner einen Namen gemacht und kämpfte in Straßburg gegen die Estrela- und Lunacek-Berichte, u.a. weil sie zu einer Schulaufklärung über LGBTI rieten oder "den Kampf für die traditionelle Familie als homophob definieren" würden.
Die Zitate stammen aus einem Brief von Fontana an die katholische Organisation Pro Vita, in dem er sich 2014 gegen Christopher Street Days aussprach und betonte: "Wir sind Kreuzzügler. Wir kämpfen nicht mit dem Schwert, aber mit den Werkzeugen der Kultur, der Wissenschaft und der wahrheitsgemäßen und korrekten Information, ein schwieriger Kampf, der aber zum Sieg führt." Das italienische Volk werde angegriffen durch Einwanderung und die "Schwächung der Familie durch den Kampf für die Homo-Ehe und die Gender-Theorie in den Schulen". All diese verwandten Themen hätten zum Ziel, "unsere Gemeinschaft und unsere Traditionen zu zerstören".
Die "natürliche Familie" werde durch Homosexuelle angegriffen, hatte Fontana mehrfach betont. Putin zeige in Russland, wie man gegen diese Bedrohungen angehen könne: "Es ist die Referenz für diejenigen, die an ein Identitätsmodell der Gesellschaft glauben." (nb)
Update 3.6.: Fontana: Regenbogenfamilien existieren nicht
Der neue italienische Familienminister sorgte am Samstag erneut für Schlagzeilen und Empörung. Im Interview mit der Mailänder Tageszeitung "Corriere della sera" sagte Lorenzo Fontana auf die Frage, was er für Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern tun wolle: "Existieren Regenbogenfamilien?" Auf den Einwurf des Journalisten, dass es davon sehr viele gebe, sagte Fontana: "Gesetzlich existieren sie derzeit nicht." Ferner meinte er, er verberge nicht, dass er katholisch ist. "Und deshalb sage ich auch, dass die Familie jene ist, wo ein Kind eine Mama und einen Papa haben soll."
"In den letzten 24 Stunden haben wir zahlreiche Erklärungen von Minister Salvini und Minister Fontana gelesen, die aus einer Zeitung von vor mindestens einem halben Jahrhundert stammen könnten", kommentierte Gabriele Piazzoni von Arcigay. "Ich finde es unerhört, dass ein Minister der italienischen Republik die Rechte jener Personen leugnet, die als Familie anerkannt werden wollen", meinte die PD-Politikerin Monica Cirinna, die das Gesetz zu Lebenspartnerschaften entworfen hatte.
Matteo Salvini sagte zu den Äußerungen, Fontana könne "seine eigenen Vorstellungen haben. Aber sie sind nicht Priorität und sie stehen nicht in unserem Regierungsvertrag."

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