24 Kommentare
- 04.06.2018, 13:08h
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Wo Steinmeier hätte deutlicher werden müssen
Denn nicht alle LGBTI haben wirklich das Gefühl, dass sie "selbstverständlich unter dem Schutz unseres Staates" stehen
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Genau das liegt am deutschen Grundgesetz:
wenn man dort in Art. 3 explizit Gleichheitsgrundsätze nennt (Abstammung, Glaube, etc.), aber LGBTI explizit ausnimmt, ist das nicht nur ein Fehlen, sondern eine Aussage.
Es führt kein Weg daran vorbei, dass Art. 3 GG um die Merkmale "geschlechtliche Identität" und "sexuelle Orientierung" ergänzt wird. Ersteres umfasst Intersexuelle und Trans-Menschen. Letzteres Schwule, Lesben und Bisexuelle.
Solange das nicht geschieht und wir in Art. 3 GG fehlen, sind wir eben schon per Grundgesetz nicht gleich. Solange sind wir in Deutschland Menschen 2. Klasse. - |
- 04.06.2018, 13:09h
- Beim aufmerksamen Lesen des Redetextes ist auch mir (wie Micha ja in seinem Beitrag thematisiert) die Erwähnung des Begriffes "Queer" durch den Bundespräsidenten positiv aufgefallen.
"Auch Ihre sexuelle Orientierung, auch Ihre sexuelle Identität stehen selbstverständlich unter dem Schutz unseres Staates. Auch Ihre Würde ist so selbstverständlich unantastbar, wie sie es schon ganz am Anfang hätte sein sollen."
Vielen Dank auch von mir für diese Worte - ich fühle mich angesprochen.
In den verschiedenen Überschriften hier auf queer.de, in der Antwort von und auch in diversen Berichten im Fernsehen, beispielsweise der Tagesschau gestern Abend um 20:00, wurde der Begriff "Queer" allerdings nicht erwähnt, meist beschränkten sich die genannten Begriffe auf LGTI.
Ich will keinesfalls das erlittene Unrecht und Leid, dass vor allem durch Paragraf 175 während der Nazizeit und noch fast bis heute verursacht wurde, kleinreden. Aber in Berichterstattung, Diskussionen (auch hier) und öffentlichen Reaktionen auf die Rede (beispielsweise von Günter Dworek), soweit ich diese verfolgt habe, kamen Menschen mit über LGTI hinausgehenden Geschlechtsidentitäten (agender, nonbinary, genderfluid fallen mir hier als Beispiele ein, ohne irgendeinen Anspruch auf Vollständigkeit) nicht vor.
Mich würde interessieren, wie die hier Mitlesenden das sehen. Werden jene Menschen mit eingeschlossen, wenn von LGTI die Rede ist, werden sie unabsichtlich, weil vielleicht eine zu kleine Gruppe, übersehen oder vergessen, oder werden sie nur unter dem Begriff "Queer" mitgedacht und sind ansonsten ausdrücklich nicht gemeint? - |
- 04.06.2018, 13:31h
- "Wie schwer sich Deutschland noch immer mit seinen queeren Bürgern tut, zeigt allein das geringe Medienecho auf den Festakt vom Sonntag. Nicht nur in der "heute"-Sendung des ZDF um 19 Uhr kam die historische Bitte des Bundespräsidenten um Vergebung nicht vor."
Dass die privaten Medien, die größtenteils in der Hand von wenigen Medienkonzernen sind, (siehe z.B.
netzfrauen.org/wp-content/uploads/2013/12/medienkonzerne.jpg
)
uns totschweigen, ist nichts neues. Und die müssen sich dann auch nicht wundern, wenn sie immer mehr Leser, Zuschauer und Hörer ans Internet verlieren.
Aber gerade die öffentlich-rechtlichen haben eigentlich aufgrund ihres Programmauftrags die Pflicht, neutral und umfassend zu informieren. Und das ist nicht nur eine rechtliche Verpflichtung, sondern aufgrund der GEZ-Gebühren auch eine moralische.
Wieso müssen LGBTI eigentlich immer noch GEZ-Gebühren zahlen, wenn sie selbstr in den öffentlich-rechtlichen Medien totgeschwiegen werden. - |
- 04.06.2018, 13:48h
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Dass auch die Öffentlich-Rechtlichen nicht so unabhängig und neutral sind, wie sie sich gerne hinstellen, sieht man an der Besetzung der Rundfunkräte.
Wieso sitzen da z.B. Vertreter aller Parteien drin? Wenn man wirklich unabhängig und neutral sein will, gehören die Vertreter der Parteien dort als erstes rausgeworfen.
Oder da sind z.B. auch mehrere Religionsvertreter drin, teilweise sogar mehrfach über zig Unterorganisationen, z.B. einmal offizielle Kirchenvertreter, dann aber auch nochmal über die "Caritas".
Eigentlich sollten gerade die Öffentlich-Rechtlichen nur nach journalistisch-fachlischen Gesichtspunkten geleitet werden; alle Interessenvertreter, Lobbyisten, etc. haben dort nichts zu suchen. Das ist keine Institution für Leute, denen man noch ein Pöstchen zuschachern will.
Wenn die uns immer nur marginalisieren, müssen sie uns auch die Chance geben, (ähnlich wie bei privaten Medien) auf deren Konsum zu verzichten, sie dann aber auch nicht mehr zwangsweise mit zu finanzieren. - |
- 04.06.2018, 13:53h
- Dabei wäre eine Berichterstattung darüber so wichtig gewesen - nicht nur als Zeichen für mehr Gleichstellung, sondern auch weil viele Deutsche immer noch nicht wissen, dass auch LGBTI ins KZ kamen, Opfer medizinischer Versuche wurden, gefoltert und ermordet wurden....
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- 04.06.2018, 14:23h
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Netzfrauen.org ..... hahahaha
www.psiram.com/de/index.php/Netzfrauen - |
- 04.06.2018, 14:26h
- "Warum dann der heftige Widerstand der Union gegen einen spezifischen Diskriminierungsschutz im Grundgesetz?"
Ganz einfach:
weil die Union aus Eigeninteresse (Wahlerfolg) rechtspopulistische Ressentiments bedienen will.
Die Union hat schon so viele konservative Positionen geräumt (Energiepolitik, Wehrpflicht, Migration/Asyl, etc.), dass sie den Rest ihres ehemaligen Profils noch verbissener verteidigt...
Aber das kann die Union auch nur, weil ihr mit SPD und FDP immer wechselnde Partner zur Verfügung stehen, die das mitmachen und der Union die Mehrheit dafür sichern.
Da erwarte ich jetzt auch von Frank-Walter Steinmeier die Neutralität als Bundespräsident, dass er auch seine eigene Partei, die SPD, an deren Wahlversprechen erinnert und immer wieder die weitere rechtliche Gleichstellung anmahnt. - |
- 04.06.2018, 14:31h
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Hier der richtige Link:
netzfrauen.org/wp-content/uploads/2013/12/medienkonzerne-102
4x414.jpg
Das Bild kursiert schon länger im Netz und ist teilweise auch schon leicht überholt, aber im Prinzip gilt es immer noch. Ich finde es gerade nur auf Netzfrauen und da ich auf der Arbeit bin, kann ich nicht so lange suchen... - |
- 04.06.2018, 14:38h
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Dass Frank-Walter Steinmeier nach Horst Köhler, Christian Wulff und Joachim Gauck der erste Bundespräsident ist, der sich da überhaupt mal blicken lässt, ist schon viel wert. Und alleine dafür hat er schon den Homo-Orden verdient.
Dass er sich dann aber auch noch verneigt, Deutschlands historische Schuld (damals, aber auch das Totschweigen seitdem) anspricht, um Verzeihung bittet und so klare Worte findet, ist extrem wichtig.
Aber ich stimme zu:
das darf jetzt kein einmaliger Akt bleiben. Sondern als Präsident ALLER Deutschen muss er jetzt immer wieder systematische Diskirminierung gegenüber einem Teil der Bürger anprangern und die volle Gleichstellung fordern.
Gerade als Bundespräsident darf er so lange nicht schweigen und muss immer wieder den Finger in diese Wunde legen, wie immer noch Diskriminierung gegenüber LGBTI besteht. (z.B. beim Thema Art. 3 GG) - |
Es ist ein grundlegender Unterschied zwischen
"sich entschuldigen", "um Entschuldigung bitten" und "um Vergebung bitten".
Man kann sich im Kern nicht selbst "für etwas entschuldigen", gesagt ist gesagt, getan ist getan, passiert ist passiert. - Man kann den /die anderen "um Entschuldigung" bitten, das hieße, daß man vom Gegenüber quasi "von der Schuld freigesprochen wird", also die Entschuldigung angenommen wird. Das erfordert aber immer die "Aktion" des Geschädigten oder Verletzten.
- Um Vergebung bitten" ist eine viel weitreichendere Geste. Auch hier "bittet man zwar (quasi) um Entschuldigung, verbindet das meines Erachtens aber gleichzeitig automatisch mit dem Schuldeingeständnis und der Vergebung durch den Geschädigten, also auch so etwas wie eine gegenseitige Geste der Versöhnung:
Das hat in der Tat noch nie jemand vorher in diesem Staat so deutlich und ehrlich und anerkennswert gesagt oder getan.
Hut ab!