Der Amerikaner Claibourn Robert Hamilton und sein rumänischer Ehemann Adrian Coman haben Rumänien verklagt
Der Europäische Gerichtshof hat die Grundrechte von binationalen Homo-Paaren gestärkt: Die Richter haben in einem am Dienstagvormittag verkündeten Urteil grundsätzlich entschieden, dass die gleichgeschlechtlichen Partner von Schwulen und Lesben auch ein Anrecht auf EU-Freizügigkeit haben. "Der Begriff 'Ehegatte' im Sinne der unionsrechtlichen Bestimmungen über die Aufenthaltsfreiheit von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen umfasst Ehegatten gleichen Geschlechts", so drückte es das Gericht in einer ersten Pressemitteilung zum Fall C-673/16 (PDF) aus.
Konkret heißt das: Wenn ein EU-Bürger einen gleichgeschlechtlichen Nicht-EU-Bürger heiratet, muss diese Ehe im Hinblick auf das Aufenhaltsrecht in allen 28 Mitgliedsstaaten der Union anerkannt werden; der Partner darf sich im jeweiligen Land niederlassen und eine Arbeit oder ein Studium aufnehmen. Diese Verpflichtung gilt auch, wenn die gleichgeschlechtliche Eheschließung im entsprechenden Land nicht anerkannt wird oder sogar ausdrücklich verboten ist.
Die Richter erklärten zwar, dass es EU-Staaten frei stehe, "für Personen gleichen Geschlechts die Ehe vorzusehen oder nicht vorzusehen". Die Union achte "die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen zum Ausdruck kommt". Allerdings dürfe sich ein Mitgliedsstaat nicht weigern, im Aufenthaltsrecht eine rechtmäßig geschlossene Ehe eines EU-Bürgers mit einem Nicht-EU-Staatsangehörigen anzuerkennen, weil damit die Freizügigkeit dieses EU-Bürgers eingeschränkt werde.
Außerdem verweist das Gericht auf Artikel 7 der Europäischen Grundrechtecharta, der das Privat- und Familienleben von EU-Bürgern schützt. Die Luxemburger Richter betonten, dass bereits nach einem Urteil der Kollegen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte "die von einem homosexuellen Paar geführte Beziehung genauso unter die Begriffe 'Privatleben' und 'Familienleben' fallen kann wie die Beziehung eines in derselben Situation befindlichen verschiedengeschlechtlichen Paares".
Vorlage aus Rumänien
Im konkreten Fall geht es um den Rumänen Adrian Coman, der seinen amerikanischen Partner Claibourn Robert Hamilton 2010 in Brüssel geheiratet hatte. Im Dezember 2012 beantragte das Ehepaar dann bei den rumänischen Behörden die Ausstellung der Unterlagen, die dafür notwendig sind, dass sich der US-Bürger mit seinem Ehegatten auf Dauer in Rumänien aufhalten und dort arbeiten kann. Die Behörden des südöstlichen EU-Landes verweigerten Hamilton aber das Aufenthaltsrecht. Die Begründung: Das Land erkenne gleichgeschlechtliche Ehen nicht an.
Der Europäische Gerichtshof entscheidet in letzter Instanz über die Auslegung von Europarecht (Bild: G. Fessy / CJUE)
Das binationale Paar klagte gegen diese Entscheidung und zog bis vor das rumänische Verfassungsgericht. Die Höchstrichter in Bukarest riefen daraufhin den Europäischen Gerichtshof an, weil der Fall EU-Recht betreffe (queer.de berichtete).
Die Entscheidung der Europarichter deutete sich bereits im Januar an: Damals gab EU-Generalanwalt Melchior Wathelet bekannt, dass die Nichtanerkennung des Paares gegen die in der Europäischen Union geltende Freizügigkeit für EU-Bürger und ihre Familienangehörigen verstoße (queer.de berichtete). Die Luxemburger Richter folgen in fast allen Fällen den Gutachten des Experten.
Kläger Adrian Coman verfolgte das Urteil aus Bukarest mit Aktivisten der LGBTI-Organisation "Asociatia Accept", die ihn und seinen Partner im langjährigen Verfahren unterstützte. Auf Facebook kündigte Coman und die Organisation an, das Urteil beim CSD Bukarest am kommenden Wochenende zu feiern.
Auswirkungen auf mehrere osteuropäische Länder
Das Urteil hat Folgen für weitere Länder im Osten der EU, die gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht anerkennen, also weder eine Lebenspartnerschaft anbieten noch die Ehe für alle. Neben Rumänien sind auch noch Lettland, Litauen, Polen, die Slowakei und Bulgarien betroffen. Freilich bedeutet das Urteil nicht, dass diese Länder Lebenspartnerschaften oder die Ehe anbieten müssen, sondern dass sie lediglich ausländischen Ehen das Aufenthaltsrecht gewähren müssen; ob weitere Rechte dazukommen, etwa im Erb- oder Steuerrecht, ist bislang noch nicht sicher – weitere Klagen werden wohl folgen.
In vielen der homofeindlichen Länder gibt es eine starke organisierte Gegenbewegung, die die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren verhindern will: In Rumänien hat etwa eine homophobe Allianz unter Führung der orthodoxen Kirche 2016 drei Millionen Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt, um das Ehe-Verbot für Schwule und Lesben auch in der rumänischen Verfassung zu verankern (queer.de berichtete). Derzeit wird Homosexuellen zwar bereits per Gesetz eine Ehe verboten, nicht aber ausdrücklich in der Verfassung. Die Abstimmung dazu soll im Herbst diesen Jahres stattfinden und könnte die homophobe Atmosphäre im Land weiter anheizen. Laut EU-weiten Untersuchungen von Eurobarometer ist die gleichgeschlechtliche Eheschließung in Rumänien verhasster als in jedem anderen Land der Union.
"Ein historischer Tag für Regenbogenfamilien in der EU"
In einer ersten Reaktion hat die EU-Abgeordnetengruppe LGBTI-Intergroup, die sich um die Rechte sexueller und geschlechtlicher Minderheiten einsetzt, das Urteil begrüßt: "ENDLICH! Der Europäische Gerichtshof erkennt die Freizügigkeit für gleichgeschlechtliche Paare an. Heute ist ein historischer Tag für Regenbogenfamilien in der EU", so die Gruppe auf Facebook.
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Ein wichtiger Sieg.
Alles andere wäre wohl auch kaum mit EU-Recht vereinbar.
Noch schöner wäre natürlich, wenn die den Ehestatus auch in allen anderen Bereichen und nicht nur beim Aufenthaltsrecht anerkennen müssten. Denn es kann ja nicht sein, dass man trotz EU-Freizügigkeit einen Rechtsstatus und damit verbundene Rechte aus anderen Staaten verliert, nur weil man seine Aufenthalts- und Arbeitsfreiheit innerhalb der EU nutzt.