Die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS) setzte sich auf vielen CSD-Demos für die Rehabilitierung im letzten Jahr ein und bietet für Betroffene eine Hotline an (Bild: nb)
Vor 24 Jahren, am 11. Juni 1994, trat der berüchtigte Paragraf 175 des Strafgesetzbuches außer Kraft. Aus diesem Anlass hat der Berliner Justizsenator Dr. Dirk Behrendt (Grüne) am Montag eine Bundesratsinitiative zur Verbesserung der Rehabilitierung, Entschädigung und Versorgung von Personen, die zwischen 1945 und 1994 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verfolgt wurden, auf den Weg gebracht.
Die Initiative soll zunächst dem Berliner Senat zum Beschluss vorgelegt werden. Ziel sei insbesondere, dass für Betroffene, die in Folge einer Verurteilung, einer Haftstrafe oder wegen anderer Repressionen unter massiven Spätfolgen leiden, ein sozialer Ausgleich gewährt wird.
Im letzten Juni hatte der Bundestag einstimmig die Rehabilitierung der Verurteilten nach Paragraf 175 aus der Nachkriegszeit und nach einem ähnlichen DDR-Paragrafen beschlossen (queer.de berichtete). Das Gesetz sieht auch auf Antrag eine kleine Entschädigungsleistung vor (Infos zur Antragstellung).
Untersuchungshaft bislang unberücksichtigt
"Das Rehabilitierungsgesetz aus dem letzten Jahr war ein wichtiges Signal an die Opfer, doch es hat in der Praxis Lücken", so Behrend. "Beispielsweise bleiben jene Opfer unberücksichtigt, die in Untersuchungshaft saßen und nicht verurteilt wurden. Erinnert sei an dieser Stelle an Wolfgang Lauinger, der mit 99 Jahren vor kurzem verstarb und wegen dieser Regelungslücke nie entschädigt wurde. Wir sind den Opfern dieses Unrechts eine schnelle Hilfe schuldig, denn die Betroffenen sind in einem hohen Alter und sollten ihre Entschädigung noch erleben."
Wolfgang Lauinger saß im Rahmen der Frankfurter Homosexuellenprozesse mehrere Monate in Untersuchungshaft. Er starb im letzten Jahr.
Auch Grüne und FDP hatten in den letzten Monaten Nachbesserungen an dem Gesetz angemahnt. So hatten oft bereits reine Ermittlungen der Polizei soziale Folgen für die Betroffenen. Für Kritik hatte im letzten Sommer auch gesorgt, dass auf Druck der Union in letzter Sekunde alle Verurteilten pauschal von einer Rehabilitierung ausgenommen wurden, deren Partner zum "Tat"-Zeitpunkt unter 16 Jahre alt waren. Die Opposition hatte die Einschränkung als "neue Diskriminierung" scharf kritisiert (queer.de berichtete).
Vor rund einer Woche hatte mit Frank-Walter Steinmeier erstmals ein Bundespräsident das vor zehn Jahren eingerichtete Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen im Berliner Tiergarten besucht und dabei für die staatlichen Maßnahmen auch aus der Nachkriegszeit um Vergebung gebeten (queer.de berichtete). Verurteile aus der Nazizeit wurden bereits 2002 rehabillitert, erhielten aber keine Entschädigung.
Am letzten Freitag waren im Bundesrat bereits mit Beteiligung Berlins ein Gesetzentwurf zur Aufnahme der Merkmale "sexuelle und geschlechtliche Identität" in den Diskriminierungsschutz des Grundgesetzes und eine Aufforderung an die Bundesregierung zur umfassenden Neugestaltung der Rechte Trans- und Intersexueller eingebracht worden (queer.de berichtete). Beide Anträge werden nun zunächst in Ausschüssen behandelt. (nb/pm)