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Pseudo-Therapien
Wieso Behörden gegenüber "Homo-Heilern" ohnmächtig sind
Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt meint, nichts gegen den Leo-Verein unternehmen zu können – und schiebt die Verantwortung dem Landkreis zu. Doch dort sind Politik und Verwaltung überfordert.

"Selbsthass ist keine Therapie": Protest gegen "Homo-Heiler" in den USA (Bild: Daniel Tobias)
- Von Markus Kowalski
14. Juni 2018, 04:46h 3 Min.
Die Landesregierung in Magdeburg sollte sagen, was sie gegen "Homo-Heiler" machen will. So forderte es die Linksfraktion im Rechtsausschuss des Landtags von Sachsen-Anhalt am vergangenen Freitag. Nachdem ein Journalist im April durch die Veröffentlichung eines Handouts zeigte, dass der Verein Leo sogenannte Konversionstherapien für Homosexuelle bewirbt, sollte dieser rechtliche Konsequenzen spüren.
Doch die von der Opposition eingeforderten "Handlungsbedarfe" fielen mager aus. Wie Teilnehmer der nicht-öffentlichen Sitzung berichten, konnte das SPD-geführte Sozialministerium nur wiedergeben, was bereits in der Zeitung stand: Dass der Fall wieder auf der Kreis-Ebene behandelt wird. Die Landesregierung, hieß es, sei nicht zuständig.
"Wir haben da gar keinen Spielraum, die Verantwortung liegt beim Kreis", sagt Eva von Angern, Linken-Abgeordnete. Sie hatte den Fall in den Rechtsausschuss des Landtags eingebracht. "Auf keinen Fall sollte dieser Verein weiter öffentliche Gelder bekommen." Daher soll die freie Trägerschaft in der Jugendhilfe aberkannt werden. Doch dafür ist der Jugendhilfeausschuss des Landkreises Mansfeld-Südharz verantwortlich. In seiner Sitzung am 14. Mai einigten sich die Mitglieder darauf, die Aberkennung nicht sofort zu beschließen. Denn das hatte der Ausschuss schon 2014 gemacht. Der Leo-Verein klagte und bekam vor dem Verwaltungsgericht in Halle Recht. Die Aberkennung wurde rückgängig gemacht.
Verantwortung auf den Landkreis geschoben

Im "Birkenhof" in Bennungen veranstaltet der Verein für Lebensorientierung (Leo e.V.) Seminare, in denen für die "Heilung" von Lesben und Schwulen geworben wird (Bild: Markus Kowalski)
"Wir werden jetzt zunächst abwarten, wo das Rechtsamt der Kreisverwaltung juristische Möglichkeiten für eine wirksame Aberkennung sieht", sagt Christine Kümmel, Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses. Der Ausschuss sei entschlossen, gegen den "Homo-Heiler"-Verein vorzugehen. "Wenn es Möglichkeiten gibt, werden wir diese ausschöpfen." In den kommenden Wochen wird die Kreisverwaltung nun ein Rechtsgutachten erstellen, das eine Handlungsempfehlung aufzeigen wird (queer.de berichtete). "Das ist klug", sagt von Angern, "denn der Kreis ist schon einmal auf die Nase gefallen."
Das heißt ebenso: Die Landtagsabgeordneten überlassen den Kampf gegen "Homo-Heiler" lieber dem Landkreis. Ausschuss-Vorsitzende Kümmel sieht diese Haltung kritisch. "Das Land muss auch aktiv werden und darf nicht nur abwarten", sagt sie. Im April hatten Landespolitiker mehrerer Fraktionen politische Konsequenzen im Leo-Fall gefordert. "Jetzt lässt man uns im Regen stehen."
Ermittlungen gegen "Homo-Heiler" werden schwierig
Hinter vorgehaltener Hand wird in den Behörden im Südharz jedoch gesagt, dass die Kompetenz der Haus-Juristen für ein Rechtsgutachten nicht ausreiche, diesen komplizierten Fall rechtlich wasserdicht zu lösen. Die hausinterne Einschätzung könne nicht gut genug sein. Eva von Angern sieht daher eine weitere, bislang nicht genutzte Möglichkeit: "Dem Rechtsamt steht es frei, für solche Fälle Juristen einzukaufen, zum Beispiel einen Professor oder einen ehemaligen Richter des Bundesverfassungsgerichts." Denn rechtliche Gutachten gab es in dem Fall bislang noch nicht.
Für Manfred Bruns, ehemaliger Bundesanwalt am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, ist der Fall Leo eindeutig: "Das ist zunächst eine Tatsachenfrage", sagt er auf Anfrage von queer.de. Es müsse vom Landkreis ermittelt werden, was der Verein tue. "Dafür reicht es nicht aus, dass der Verein zu Fragen der Homosexualität Ansichten vertritt, die in konservativen Kirchen und Teilen von Kirchen heute noch immer vertreten werden. Dafür können sich diese Kirchen auf das Grundrecht der Glaubensfreiheit berufen." Zusätzlich müsse der Verein gezielte Anstrengungen unternehmen, um homosexuelle Jugendliche "umzupolen". Erst dann wäre eine Aberkennung der freien Trägerschaft gerechtfertigt. Die bisherigen Ermittlungen des Landkreises durch schriftliche Befragungen des Vereins-Vorstands reichten für einen Ausschluss nicht aus.

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Allerdings hält unsere Regierung wohl lieber Evangelikalen die Stange. Und was will man auch anderes erwarten bei einer Pfarrerstochter, die wegen ihrer Bauchschmerzen gegen die Ehe für Alle gestimmt hat? Sowie bei drei Vierteln der größten Regierungspartei(en), die ebenfalls dagegen gestimmt haben?
Wer nicht will, dass wir gleiche Rechte haben, wird selbstverständlich auch nichts dafür tun, dass solche zutiefst schädlichen "Therapien" verboten werden. Insgeheim wünscht er_sie sich doch viel eher, dass diese möglichst breit Anwendung finden und Menschen auf den buchstäblich "rechten" Weg geführt werden.
Mal wieder Grund für morgendlichen Brechreiz.
www.tagesspiegel.de/berlin/queerspiegel/verbot-von-homo-heil
ern-gefordert-ich-blieb-schwul-wurde-aber-suizidal/22660752.
html
www.tagesspiegel.de/berlin/queerspiegel/konversionstherapien
-bundesregierung-will-homo-heiler-nicht-verbieten/19476438.h
tml