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Aufbruch in der Ukraine
Kiew: Polizei räumt CSD den Weg frei
Nach der Festnahme von über 50 Gegendemonstranten zog die bislang größte Pride-Demo durch die Innenstadt.

Ein Schild gegen die Hasser: Teilnehmerinnen beim CSD in Kiew
- 17. Juni 2018, 12:37h 3 Min.
Mit geschätzten 5.000 Teilnehmern – nach Veranstalterangaben fast doppelt so vielen wie im Vorjahr – hat Kiew am frühen Sonntagmorgen den bisher größten Pride erlebt. Von tausenden Polizisten geschützt konnten LGBTI und sie unterstützende Heterosexuelle für gut eine Stunde friedlich durch Teile der Innenstadt der ukrainischen Hauptstadt demonstrieren, bevor sie aus Sicherheitsgründen mit der Metro den Bereich verließen.
Twitter / EuroPride#KyivPride a success! pic.twitter.com/eCJL535PpD
EuroPride (@EuroPride) June 17, 2018
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Der Zugang zum Pride war streng kontrolliert worden. Nur vereinzelte Gegendemonstranten konnten die Demonstration auf dem Weg stören und wurden von der Polizei schnell zur Seite gezogen. Bereits gegen 6 Uhr morgens hatten die Beamten einen Blockadeversuch von hunderten Nationalisten auf der Wegstrecke unterbunden; die Gegendemonstranten setzten dabei teilweise Reizgas und Gewalt gegen die Beamten ein. Die Polizei nahm hier und später bei einer kleineren Ausschreitung am Einlass zum CSD über 50 Menschen fest; insgesamt wurden fünf Beamte verletzt.

Über 50 Nationalisten wurden festgenommen. Nach dem CSD kam es noch zu Rangeleien mit Beamten an der Gefangenensammelstelle
In den Vorjahren war der "Marsch der Gleichberechtigung" nicht immer so gut geschützt: Mehrfach konnten Nationalisten Teilnehmer attackieren. In einigen Jahren hatte die Stadtverwaltung nach Drohungen durch Rechtsextreme auch Absagen gefordert; 2012 und 2014 fand deshalb kein Pride statt. In den letzten Jahren hat sich die Zusammenarbeit zwischen CSD-Organisatoren und Stadtverwaltung und Polizei aber deutlich verbessert. Als wichtiger Wendepunkt gilt der CSD 2016, als viele Bürger den CSD nach Drohungen unterstützten (queer.de berichtete).
Twitter / UATV_en | Nachträglich hier eingebautes Video mit Eindrücken des Tages. Radio Free Europe bot auch einen mehrstündigen LivestreamToday, #KyivPride2018 attracted up to 5000 people, who support #EqualityForAll.
UATV English (@UATV_en) June 17, 2018
Ukrainian police ensured safety of the rally, with 57 provocateurs being detained. #KyivPride is reported to be biggest #LGBT pride march in Eastern Europe up to date pic.twitter.com/Y1AnDN2Uxe
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Unterstützung aus dem In- und Ausland
Wie in den letzten Jahren war auch wieder eine Delegation aus München angereist, die auf Facebook und in einem Blog von der Reise berichtet. Ganze 25 Menschen reisten im Namen von "Munich Kyiv Queer" an, Stadträtin Lydia Dietrich zum letzten Mal in offizieller Funktion. Der "Süddeutschen" schilderte sie die Tage, wie sich die Lage des Pride nach und nach verbesserte. Verstärkung bekam die Truppe in diesem Jahr vom Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, dem schwulen SPD-Politiker Michael Roth, vom deutschen Botschafter in Kiew sowie erneut von der grünen Europapolitikerin Rebecca Harms.
Twitter / MaximEristaviStrong German showing at #KyivPride and for equal European Ukraine: @RebHarms and @MiRo_SPD pic.twitter.com/J6DC2Z10Oc
Maxim Eristavi (@MaximEristavi) June 17, 2018
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Auch mehrere ukrainische Parlamentsabgeordnete und Pop-Sängerinnen nahmen an dem Pride teil; Iwanna Klympusch-Zynzadse, Vize-Ministerpräsidentin und Ministerin für europäische Integration, hatte in der Woche bereits einen Preis des CSD entgegen genommen. Den CSD unterstützten auch mehrere diplomatische Vertretungen. So ließen sich u.a. die Botschafter der USA, von Kanada und Schweden blicken. Unter den "regulären" CSD-Teilnehmern, die von Medien interviewt wurden, waren auch Besucher aus Russland (darunter eine Bären-Truppe aus St. Petersburg), aus Weißrussland und Moldawien.
Twitter / Hromadske"Nobody should stand alone here in #Ukraine because he is #LGBTI," – Germany's Minister of Europe Michael Roth @MiRo_SPD. #kyivpride2018 #KyivPride pic.twitter.com/gYZCFWajvj
Hromadske Int. (@Hromadske) June 17, 2018
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Zwischen Aufbruch und Gegenbewegung
Im Vorfeld hatte es einige Drohungen gegen den CSD gegeben, Nationalisten wie der "Rechte Sektor" haben noch immer viel Macht und Einfluss in der Ukraine. Unterstützung erhalten sie von der orthodoxen Kirche, der fast die Hälfte der Bevölkerung angehört und die sich öffentlich gegen Homo- und Transsexuelle stellt.

Schilder bei einem Gegenprotest vom Sonntag
Erst vor wenigen Wochen hatten über 7.000 Menschen in Kiew gegen LGBTI-Rechte demonstriert, angeführt von der orthodoxen Kirche nahmen laut "Munich Kiev Queer" auch Vertreter der katholischen Kirche, von Evangelikalen und Freikirchen sowie ein Rabbi teil.

Auch am Sonntag engagierten sich Gläubige gegen den CSD
Während sich die Lage rund um den CSD in Kiew dank klarem Polizeischutz entspannt, gibt es im ganzen Land noch immer Gewalt und Einschüchterungen gegen LGBTI-Veranstaltungen, -Einrichtungen und Organisationen. Erst vor wenigen Wochen hatte ein rechter Mob ein queeres Kulturfestival in Czernowitz verhindert (queer.de berichtete). Wenige Tage zuvor war bei einer Kundgebung zum 17. Mai in Saporischschja ein Feuerwerkskörper explodiert (queer.de berichtete).

Auch in Deutschland gibt es Rechtsextreme, die LGBTI ablehnen
CSDs fanden an diesem Wochenende derweil auch in anderen Städten Europas und der Welt statt. In Wien nahmen über 200.000 Menschen, eine Rekordbeteiligung, an der Regenbogenparade teil, die von einer kleineren, "Demo für alle"-artigen Gegenkundgebung begleitet wurde. Beim Zurich Pride wurde mit einer Rekordbeteiligung die Ehe für alle gefordert. In Deutschland gab es am Samstag Prides in Bielefeld, Oldenburg, in Hamm und erstmals in Schwäbisch-Hall.
