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Sachsen-Anhalt
CDU-Ministerin für Gleichstellung verschleppt LGBTI-Aktionsplan
Nach Recherchen von queer.de bremst Anne-Marie Keding die Umsetzung queerer Projekte. Fast 90.000 Euro bleiben ungenutzt, die Behörden blockieren oder arbeiten viel zu langsam. Aus Angst vor der AfD?

Martin Rulsch, Wikimedia Commons / wikipedia) Die CDU-Politikerin Anne-Marie Keding ist seit 2016 Ministerin für Justiz und Gleichstellung in Sachsen-Anhalt, zuvor war sie Staatssekretärin im Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt (Bild:
- Von Markus Kowalski
19. Juni 2018, 10:19h 3 Min.
Die CDU-Ministerin Anne Marie Keding, vor zwei Jahren noch stolze Schirmfrau der Hirschfeld-Tage, verschleppt die Umsetzung des LGBTI-Aktionsplans in Sachsen-Anhalt und lässt Gelder ungenutzt. Das geht aus Recherchen von queer.de hervor.
Aktuell sind zwölf Maßnahmen aus dem Plan, die bereits umgesetzt oder begonnen sein sollten, noch nicht bearbeitet. Betroffen sind beispielsweise die Unterstützung von queeren Geflüchteten, das Aushängen einer Antidiskriminierungsrichtlinie in allen Schulen oder das Organisieren von LGBTI-Fortbildungen für Psychotherapeuten, Richter und Staatsanwälte. All das sollte schon in Arbeit sein – doch die Behörden arbeiten viel zu langsam.
In Kedings Justiz- und Gleichstellungsministerium rechtfertigt man sich: Man habe einen "Zeitrahmen bis zum Jahr 2020", so eine Sprecherin. Dies ignoriert jedoch die genauen Zeitfenster, die der LGBTI-Aktionsplan vorsieht. Auch das Bildungsministerium teilt auf Anfrage mit, dass man "mittelfristig" prüfen werde, ob Antidiskiminierungsrichtlinien für LGBTI an Schulen überhaupt nötig seien – obwohl diese Maßnahme bereits durch den Landtag beschlossen wurde. Das Innenministerium beantwortete Fragen von queer.de wochenlang nicht – nach eigenen Angaben wegen "personeller Überlastung".
Bewilligtes Geld wird nicht ausgegeben

Zeigte früher mehr Einsatz: Anne-Marie Keding (li.) beim Hissen der Regenbogenfahne zum CSD Magdeburg 2016 (Bild: Grüne Fraktion Magdeburg)
Hinzu kommt, dass Gelder, die für den LGBTI-Aktionsplan vorgesehen waren, im vergangenen Jahr teilweise nicht ausgegeben wurden. "Wir bedauern sehr, dass die aus 2017 zur Verfügung stehenden Mittel bei der Position 'Dienstleistung Außenstehender' unverbraucht blieben", sagt Bettina Götze, Mitarbeiterin des zuständigen Referats im Justiz- und Gleichstellungsministerium. Das sind laut Haushaltsplan 88.400 Euro, die nicht eingesetzt wurden.
Bereits im Juni letzten Jahres war bekannt geworden, dass das Referat des Ministeriums nicht arbeitsfähig war. Eine engagierte Mitarbeiterin, die das Aktionsprogramm mit verfasst hatte, kündigte. Die Stelle blieb monatelang unbesetzt (queer.de berichtete). Doch anschließend wurden im Referat zwei Stellen neu besetzt. Die Beamten hätten mehrere Monate Zeit gehabt, bevor das Kalenderjahr ablief und damit die Nutzung der Gelder unmöglich wurde. Das Justizministerium weist die Verantwortung auf Nachfrage von sich: "Der vergleichsweise geringe Mittelabfluss ist im Wesentlichen auf anhaltende Personalengpässe im zuständigen Referat des Ministeriums für Justiz und auf die fehlende Umsetzungsstruktur im Landesverwaltungsamt zurückzuführen", so eine Sprecherin.
"Das Geld ist weg", sagt Sven Warminsky vom Lesben- und Schwulenpolitischen Runden Tisch Sachsen-Anhalt (LSPrT), der im Beirat des Programms sitzt. "Ich bezweifele, dass es im letzten Jahr keine Möglichkeit gegeben hätte, diese Gelder auszugeben." Er vermutet fehlenden Willen im Ministerium, geplante Projekte tatsächlich umzusetzen. Wie beim Kita-Koffer zur LGBTI-Aufklärung für Kinder. Den hatte die Behörde erst mit rund einem Jahr Verspätung in Auftrag gegeben. Die Organisation, die die Inhalte des Koffers zusammenstellen sollte, erhielt die Fördermittel schließlich Monate zu spät (queer.de berichtete).
Ministerin will queere Themen in neuem Aktionsprogramm verstecken
Nun will Ministerin Keding das LGBTI-Aktionsprogramm mit dem frauenpolitischen Gleichstellungsprogramm zusammenlegen. Doch Interessenvertreter beider Programme sind gegen diesen Plan. In der Beirats-Sitzung im Dezember 2017 kam es schließlich zum offenen Streit zwischen den Aktivisten beider Programme und der Ministerin: "Die Mitglieder des Beirats sprechen sich mehrheitlich für eine Beibehaltung deutlich abgegrenzter Programme aus, damit die Sichtbarkeit der Themen gewährleistet bleibt", heißt es dazu im Protokoll, das queer.de vorliegt.
Auch Sven Warminsky ist gegen eine Zusammenlegung: "LGBTI-Belange werden in diesem neuen Programm als Randnotiz untergehen." Er vermutet, dass Ministerin Keding die Anliegen von queeren Menschen verstecken möchte. "Damit sie nicht zur Zielscheibe der AfD wird." Die Rechtsaußenpartei ist zweitstärkste Kraft im Landtag von Sachsen-Anhalt und versucht sich immer wieder mit Hetze gegen queere Belange zu profilieren (queer.de berichtete).
Im Justizministerium verteidigt man die Angleichung beider Programme: "Das Aktionsprogramm LSBTTI ist von Beginn an Bestandteil des Landesprogramms für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt", sagt eine Sprecherin. "Unabhängig von der angestrebten Harmonisierung mehrerer Landesprogramme bleibt das bestehende Aktionsprogramm LSBTTI unangetastet und wird weiterhin planmäßig abgearbeitet."

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