Am Dienstag hatte Nikki Haley, die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, den UN-Menschenrechtsrat als "Jauchegrube der politischen Voreingenommenheit" bezeichnet und den Austritt ihres Landes aus dem Genfer Gremium erklärt. Dieser Schritt führte sofort zu scharfer Kritik von Politikern und Bürgerrechtlern weltweit, darunter auch von LGBTI-Organisationen. Sie befürchten, dass sich damit die Lage von unterdrückten Gruppen in vielen Ländern verschärfen werde.
So erklärte OutRight Action International in einer ersten Reaktion, dass der Menschenrechtsrat trotz aller Probleme "ein zentrales internationales Instrument" sei, um auf "marginalisierte Gruppen" in der ganzen Welt aufmerksam zu machen. "Für viele queere Menschen sind der Menschenrechtsrat und die Vereinten Nationen die letzte Hoffnung, wenn ihre Regierungen versagen". Ohne den Einsatz des Rates hätten es bei LGBTI-Menschenrechtsfragen keinen Fortschritt innerhalb der UN gegeben. Der Austritt sende ein katastrophales Signal an andere Länder, die bei internationaler Kritik einfach ihren Austritt aus Menschenrechtrechtsvereinbarungen erklären könnten.
Ty Cobb von der LGBTI-Organisation Human Rights Campaign nannte den Austritt ein "Versagen der Regierung Trump", der "LGBTQ und anderen vulnerablen Teilen der Bevölkerung" Schaden zufügen werde. "In den letzten Jahren hat der Menschenrechtsrat eine Anzahl von Initiativen für LGBTI-Rechte gefördert", so Cobb.
Menschenrechtsrat hat seit 2016 einen LGBTI-Ermitter
Als Beispiel für die positiven Auswirkungen des Gremiums nannte Cobb die Einrichtung eines UN-Ermittlers für LGBTI-Menschenrechtsfragen, die 2016 gegen die Stimmen von Ländern wie China, Russland und Saudi-Arabien beschlossen worden war (queer.de berichtete). Erster Ermittler wurde der Thailänder Vitit Muntarbhorn, der sein Amt vergangenes Jahr aus persönlichen Gründen an den Costa-Ricaner Victor Madrigal-Borloz übergab. Der Ermittler legt in regelmäßigen Berichten den Finger in die Wunde von Ländern, die Minderheitenrechte von queeren Menschen verletzen. Im neuesten Bericht werden etwa Therapien zur "Heilung" von Homosexualität – auch in den USA – scharf kritisiert (siehe Bericht auf Englisch).
Als Grund für den Austritt nannten US-Vertreter die angeblich anti-israelische Haltung des Menschenrechtsrats, weil dieser den jüdischen Staat ständig wegen Auseinandersetzungen mit den Palästinensern verurteile. Außerdem seien viele Staaten, die Menschenrechte mit Füßen träten, Mitglied im Gremium. US-Außenminister Mike Pompeo, ein erbitterter Gegner der LGBTI-Gleichbehandlung, sagte in einer Pressekonferenz, der Rat sei ein "schlechter Verteidiger" der Menschenrechte. Botschafterin Haley ergänzte, dass die "inhumansten Regime" der Welt mit Samthandschuhen angefasst werden würden, während andere als Sündenböcke herhalten müssten.
Allerdings glauben Beobachter, dass die von den US-Vertretern ausgeführten Gründe nur ein Vorwand für den Rückzug seien; vielmehr könne der Austritt eine Reaktion auf die Kritik von Zeid Ra'ad al-Hussein, dem Chef des Menschenrechtsrats, an der neuen US-Asylpolitik sein, deren Bestandteil die Trennung von asylsuchenden Eltern und deren Kinder geworden ist. Bürgerrechtler hatten diesen weltweit einmaligen Schritt scharf verurteilt.
USA stimmten im Rat gegen Abschaffung der Todesstrafe für Homosexualität
Für Kritik unter Bürgerrechtlern hatte vergangenes Jahr die Ablehnung einer Resolution im Menschenrechtsrat durch die Amerikaner geführt, in der die Abschaffung der Todesstrafe für Homosexualität gefordert wurde (queer.de berichtete). Eine Sprecherin des Außenministeriums rechtfertige das "Nein" damit, dass die Resolution in Wirklichkeit generell gegen die Todesstrafe gerichtet sei, die man in den USA beibehalten wolle. Allerdings ist diese Aussage unwahr: Im Resolutionstext wird nicht die generelle Abschaffung von staatlich sanktionierten Hinrichtungen verlangt, sondern lediglich an Staaten, "die die Todesstrafe noch nicht abgeschafft haben", appelliert, sich bei der Anwendung an Antidiskriminierungsrichtlinien oder ähnliche Regeln zu halten. Ausdrücklich gefordert wird dagegen ein Verbot der Todesstrafe für geistig behinderte Menschen, die in Teilen der USA erlaubt ist (queer.de berichtete).
Der Menschenrechtsrat war 2006 eingerichtet worden – bereits damals wurde er wegen seiner angeblich israelfeindlichen Haltung vom damaligen Präsidenten George W. Bush kritisiert. Erst unter seinem Nachfolger Barack Obama normalisierte sich das Verhältnis und die USA ließen sich 2009 erstmals ins Gremium wählen.
Insgesamt gehören dem Rat 47 Mitglieder an, die auf drei Jahre von Mitgliedern der UN-Vollversammlung gewählt werden; Deutschland ist noch bis Ende des Jahres Mitglied. Kritik gibt es immer wieder daran, dass auch autokratische Länder mit wenig Achtung für Menschenrechte – wie Sudan, Aserbaidschan oder Kuba – in den Rat gewählt worden sind. Andererseits sei das Gremium ein Mittel, auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen und so Druck auf autoritäre Staaten auszuüben.
Aber dass die USA jetzt aus dem Menschenrechtsrat austreten und sich damit auf eine Stufe mit schlimmsten Schurkenstaaten begeben, ist nochmal eine ganz andere Hausnummer.
Wo führt das alles noch hin?!...