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25. Jahrestag der Legalisierung von Homosexualität
Irland: Schwuler Premier entschuldigt sich für Schwulenverfolgung
Bis 1993 stellte die Republik Irland männliche Homosexualität unter Strafe. Inzwischen führt ein schwuler Konservativer das Land – und entschuldigt sich als erster Regierungschef offiziell für die Verfolgung.

Leo Varadkar ist seit Juni 2017 der erste offen schwule Taoiseach (Premierminister) der Republik Irland (Bild: Fine Gael)
- 20. Juni 2018, 14:33h 3 Min.
Der irische Premierminister Leo Varadkar hat sich am Dienstag in einer Parlamentsrede für die jahrzehntelange Verfolgung von Schwulen und Lesben in der Republik Irland entschuldigt. Die Entschuldigung, die anders als in Deutschland keine Entschädigungszahlungen vorsieht, wurde von allen Fraktion des Parlaments unterstützt. Den Antrag auf die offizielle Stellungnahme der Regierung hatte die oppositionelle Labour-Partei gestellt.
Anlass für die Entschuldigung war der 25. Jahrestag der Legalisierung von homosexuellen Handlungen unter Männern. Inzwischen gehört die irische Republik zu den europäischen Spitzenreitern bei LGBTI-Rechten – 2015 stimmten die Iren in einem Volksentscheid sogar für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare (queer.de berichtete).
In seiner bewegenden Rede bot der erste schwule Regierungschef, ein Mitglied der konservativ-liberalen Partei Fine Gael, seine "aufrichtige Entschuldigung" für staatlich verfolgte Homosexuelle an. Zwar seien offiziell nur Handlungen unter Männern strafbar gewesen, das Gesetz habe aber auch eine "abschreckende Wirkung" auf lesbische Frauen gehabt.
Varadkar: Homophobe Gesetze führen zu außergesetzlicher Gewalt
Varadkar erinnerte an den Mord an Declan Flynn, einen schwulen Mann, der 1982 wegen seiner Homosexualität von einer Gruppe Heranwachsender im Alter von 14 bis 19 Jahren mitten in Dublin zu Tode geprügelt worden war. Die Täter erhielten anschließend nur Bewährungsstrafen.
"Wenn das Gesetz etwas zu einer Straftat machen, denken manche Leute, sie hätten das Recht, diejenigen zu bestrafen, die ihrer Meinung nach dagegen verstoßen", erklärte Varadkar. "Diese Täter waren junge Männer, die in einer Gesellschaft aufgewachsen sind, die Homosexualität gehasst und gefürchtet hat. Sie nahmen das Gesetz in ihre eigenen Hände."
Twitter / campaignforleoRemembering Declan Flynn this evening during my speech to the Dáil on the 25th anniversary of the #decriminalisation of homosexuality. pic.twitter.com/ucsNKUQFAg
Leo Varadkar (@campaignforleo) June 19, 2018
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Dass ein schwuler Mann wie er einmal irischer Regierungschef sein würde, sei "undenkbar gewesen, als ich geboren wurde", so der Politiker mit Jahrgang 1979. "Das wäre sogar noch vor einigen Jahren unvorstellbar gewesen." Die Legalisierung von Homosexualität sei aber nicht nur für Betroffene positiv, sondern habe einen positiven Effekt auf die gesamte Gesellschaft gehabt, sagte Varadkar weiter. Dadurch sei die Gesellschaft "toleranter, verständnisvoller und menschlicher" geworden.
Politiker aller großen Parteien würdigten die Entschuldigung: Oppositionsführer Micheál Martin von der konservativen Partei Fianna Fáil sagte, dass die Legalisierung von Homosexualität 1993 die Diskriminierung nicht beendet habe, aber "eine Kettenreaktion auslöste, die unser Land ohne Frage zum Besseren verändert hat."
Im Senat erklärte der parteilose schwule Parlamentarier David Norris, der Ende der Siebzigerjahre mit seiner Klage gegen das Homo-Verbot die Debatte um die Legalisierung von Homosexualität losgetreten hatte, dass er wegen der Gesetze in Angst aufgewachsen sei. Allerdings verwies er darauf, dass die Gesetze ein Überbleibsel der alten Kolonialmacht gewesen seien, also von Großbritannien übernommen worden waren. "Es ist extrem freundlich, dass sich unsere Regierung für ein Gesetz entschuldigt, das nicht in diesem Land erdacht worden war", scherzte Norris. (dk)
