Ministerpräsident Andrej Babiš hat es in den letzten Jahrzehnten als Unternehmer zu einem Gesamtvermögen von rund fünf Milliarden Euro gebracht – und ist laut "Forbes" damit der zweitreichste Mann in Tschechien (Bild: David Sedlecký / wikipedia)
Die Tschechische Republik hat einen großen Schritt in Richtung Ehe-Öffnung getan: Ministerpräsident Andrej Babiš und seine Regierung haben am Freitag ihre Unterstützung für einen von 46 Abgeordneten eingebrachten Gesetzentwurf erklärt, mit dem homosexuelle Paare im Ehe-Recht gleichgestellt werden sollen. Tschechien wäre das erste postkommunistische Land in Europa, das Schwule und Lesben im Ehe-Recht gleich behandelt (abgesehen von der Ex-DDR).
Unterstützer des Gesetzentwurfes gibt es in sechs der neun im tschechischen Parlament vertretenen Parteien; neben Mitte- und Linksparteien sprechen sich auch Parlamentarier in Babiš' populistischer ANO-Bewegung (tschechisch für "Ja") für das Vorhaben aus. Babiš regiert seit Dezember 2017 als Anführer einer Ein-Parteien-Minderheitsregierung. Noch ist unklar, ob die instabile Regierung das Projekt Ehe-Öffnung durchbringen kann.
ANO-Abgeordnete: Ehe-Öffnung schützt Kinder in Regenbogenfamilien
"Das grundlegende Prinzip dieses Gesetzentwurfs ist es, gleichgeschlechtlichen Paaren und deren Kindern die gleiche Würde und den gleichen Schutz ihres Familienlebens zu gewähren, den heterosexuelle Paare und deren Kinder bereits besitzen", so die ANO-Abgeordnete Radka Maxová, eine Mitautorin des Gesetzes. Das Hauptanliegen der Ehe-Öffnung sei es, Kinder in Regenbogenfamilien zu schützen. "Ich verstehe nicht, dass sich die [christdemokratische] KDU-ČSL nicht um den Schutz von Kindern kümmern will", so Maxová weiter.
Bislang haben eingetragene Lebenspartner und deren Familien nur begrenzte Rechte, beispielsweise gibt es kein Adoptionsrecht für Homo-Paare. In einem Urteil vom letzten Jahr hat der Verfassungsgerichtshof des Landes allerdings entschieden, dass ein schwules Paar als Eltern anerkannt werden müsse (queer.de berichtete).
Homophobe Parteien wollen verfassungsrechtliches Ehe-Verbot für Homosexuelle
37 Abgeordnete von homofeindlichen Parteien – neben der KDU-ČSL auch die konservative ODS und die rechtspopulistische SPD – haben als Reaktion auf die Bestrebungen für die Ehe-Öffnung einen Entwurf eingebracht, der das Ehe-Verbot für Schwule und Lesben in der tschechischen Verfassung verankern soll. Dieser Antrag gilt allerdings als praktisch aussichtslos, weil dafür eine Zweidrittelmehrheit im 200 Sitze zählenden Parlament nötig wäre – die Ehe-Öffnung könnte dagegen bereits mit absoluter Mehrheit beschlossen werden.
Tschechien gilt unter Ländern im Osten der EU als relativ LGBTI-freundlich, auch weil das Land bereits 2006 eingetragene Lebenspartnerschaften eingeführt hatte (queer.de berichtete). Anders als in den meisten postkommunistischen Ländern unterstützt die Bevölkerung LGBTI-Rechte. Laut einer Umfrage vom Februar diesen Jahres sprechen sich 75 Prozent der Tschechen für die Ehe für alle aus. Als einer der Gründe für die homofreundliche Haltung wird angeführt, dass Tschechien anders als die Nachbarn in Polen und der Slowakei ein weitgehend säkulares Land ist, in dem die katholische Kirche wenig Einfluss hat. (dk)
Postkommunismus sagt gar nichts, demokratische Traditionen sehr viel.
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