Der Bundesrat wird am 6. Juli darüber abstimmen, ob der Gleichbehandlungsartikel 3 des Grundgesetz um die Merkmale "sexuelle und geschlechtliche Identität" ergänzt werden sollte. Der "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 Satz 1)" (PDF) war am 8. Juni vom Land Berlin eingebracht worden, mit Unterstützung von Brandenburg, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen. Kein einziges Bundesland mit Beteiligung der Union konnte sich dazu durchringen, den Antrag, der zunächst in die Ausschüsse verwiesen worden war, offiziell mitzuzeichnen.
Die drei Bundesrats-Fachausschüsse, die in den vergangenen zweieinhalb Wochen über den Antrag diskutiert haben, sind sich nicht einig, ob ein entsprechender Antrag verabschiedet und dem Bundestag vorgelegt werden soll. Der Rechtsausschuss und Innenausschuss haben am Dienstag entschieden, die Ablehnung zu empfehlen, während sich der Ausschuss für Frauen und Jugend für den Entwurf aussprach.
Widerstände bei Union und AfD
Für eine Grundgesetzänderung sind jeweils Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und im Bundesrat notwendig. Das Vorhaben wird von SPD, Grünen und Linkspartei bereits seit Jahren unterstützt, wurde aber immer wieder von CDU/CSU und FDP abgelehnt (queer.de berichtete). Die Liberalen änderten im vergangenen Bundestagswahlkampf allerdings ihre Position und unterstützen nun auch eine Verfassungsänderung (queer.de berichtete). Offen ablehnend ist die AfD: Bei einer Debatte zum Thema im Landtag von Sachsen-Anhalt erklärte AfD-Fraktionschef André Poggenburg vor wenigen Wochen, dass ein derartiger Diskriminierungsschutz für LGBTI "dekadent" sei (queer.de berichtete).
Derzeit sieht das Grundgesetz nur das Verbot von Diskriminierung aufgrund der Merkmale Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben, religiöse oder politische Anschauungen sowie Behinderung vor. Im 2006 beschlossenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sind zusätzlich "sexuelle Identität" und "Alter" als Diskriminierungsmerkmale genannt.
Obgleich sexuelle und geschlechtliche Minderheiten nicht ausdrücklich in Artikel 3 des Grundgesetzes erwähnt werden, hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern aufgrund dieses Artikels für verfassungswidrig erklärt, etwa bereits 2010 bei der Erbschaftssteuer (queer.de berichtete). Die Richter beriefen sich dabei auf den Einstiegssatz von Artikel 3: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich".
Befürworter der Grundgesetzänderung wie Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) argumentieren jedoch, dass es gerade jetzt wegen des Erstarkens der homophoben AfD wichtig sei, die "Errungenschaften der homosexuellen Emanzipation sturm- und wetterfest für die Zukunft" zu machen. (dk)
Denn solange dort explizit Merkmale der Gleichheit / der Nicht-Diskriminierung genannt werden, ist es zutiefst diskriminierend, die geschlechtliche Identität und die sexuelle Orientierung dort nicht zu nennen.