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"Nowaja Gaseta"

St. Petersburg: Aus Tschetschenien geflohener "Schwuler" entführt

Der 20-Jährige wurde laut einem Zeitungsbericht von seinem Vater und angeblichen Polizisten in ein Auto gezerrt – vor einer Geheimunterkunft des LGBT Network.


Zelimkhan Ahmadow und sein Hilferuf per SMS

  • 13. Juli 2018, 18:21h 9 4 Min.

Zu Update springen: Polizei stellt Beteiligte (18:35h)

"Heute, am 13. Juli 2018, wurde gegen 12.20 Uhr in St. Petersburg ein aus Tschetschenien stammender 20-Jähriger, Zelimkhan Ahmadow, entführt" – so beginnt ein bemerkenswerter Bericht der russischen Zeitung "Nowaja Gaseta", die als erste über die Schwulenverfolgung in Tschetschenien im letzten Jahr berichtete und das Thema seither weiter verfolgte wie kein anderes Medium.

Ahmadow hatte dem Bericht zufolge das russische LGBT Network um Hilfe gebeten bei der Flucht vor den tschetschenischen Behörden, die ihn wegen vermuteter Homosexualität verfolgten. "Als Ahmadow in Tschetschenien lebte, wurde er mehrfach außergesetzlich inhaftiert, geschlagen und dazu gezwungen, die Kontaktdaten seiner Freunde preiszugeben", so die Zeitung. Auch sei er durch Beamte zu Geldzahlungen erpresst worden.

Schließlich hätten die Behörden seinen Eltern erzählt, dass sie ihn für schwul hielten. Laut dem 20-Jährigen habe sich dann sein Bruder unter Druck der Wächter genötigt gesehen, einen Ehrenmord zu begehen.

Keine Sicherheit in Russland

"Ahmadow konnte von zu Hause fliehen, aber seine Verwandten fahndeten aktiv nach ihm", berichtet die Zeitung. Demnach habe ihn die tschetschenische Polizei auf eine russlandweite Fahndungsliste gesetzt, nachdem ihn sein Vater vermisst meldete. Das sei eine "gut bekannte und funktionierende Methode, um Menschen ausfindig zu machen, die sich vor ihren Verwandten verstecken wollen", so die "Gaseta". Es sei auch eine gute Methode, geflohene Erwachsene ausfindig zu machen.

Bereits im April wurde Ahmadow, als er sich einen neuen Pass abholen wollte, dem Bericht zufolge in Moskau überfallen. Ein ihn begleitender Freund wurde mit Messerstichen verletzt, er selbst konnte fliehen und nahm Kontakt zu dem LGBT Network auf, das ihn in eine seiner Geheimunterkünfte steckte.

Doch auch dort wurde er jetzt offenbar ausfindig gemacht: Als er den Müll rausbringen wollte, sei er am Freitag von mehreren Menschen empfangen worden, darunter mutmaßliche Polizisten, die laut Augenzeugen "nicht slawisch" wirkten, und sein Vater, ein einflussreicher Auto-Verkäufer aus der tschetschenischen Hauptstadt Grosny. Er habe "Ich werde entführt" geschrieen, als er in einen schwarzen BMW gezerrt wurde, der sich dann von dem Ort entfernte. Der Wagen sei laut Zeugen bereits am Vorabend gesichtet worden; der Fahrer habe gegenüber Wachleuten einen Ausweis eines St. Petersburger Polizeidepartments vorzeigen können.

Eine Kontaktperson des LGBT Network erhielt später noch eine SMS, "Hilf mir"; einen Kontakt zu dem jungen Mann hat der Verband seitdem nicht mehr. Das Network und die Zeitung haben die Behörden informiert und Ermittlungen gefordert. Dass sie mit Namen und Bild des Betroffenen in die Öffentlichkeit gingen, ist ein beispielloser Schritt.

Desinteresse in Russland, Hilfe aus dem Ausland

Das LGBT Network hatte seit April letzten Jahres über hundert Betroffenen der Schwulenverfolgung und einigen Familienangehörigen bei der Flucht geholfen und dabei stets betont, dass diese in Russland nicht sicher seien. Der Verband hatte sich daher um eine Vermittlung ins Ausland bemüht; mehrere Staaten haben inzwischen fast 100 Betroffene mittels eines humanitären Visums aufgenommen, darunter Deutschland (queer.de berichtete). Aber auch in Deutschland wurde kürzlich ein schwuler Mann aus Tschetschenien, der noch vor der großen Verfolgungswelle geflohen war, vom tschetschenischen Fernsehen aufgespürt und vorgeführt (queer.de berichtete).

Im Frühjahr 2017 waren in der teilautonomen Republik über 100 der Homosexualität verdächtigte Männer in außergesetzliche Gefängnisse verschleppt und an der Seite von angeblichen Drogensüchtigen und anderen Gefangenen gefoltert worden. Mehrere Menschen wurden dabei getötet, andere ihren Verwandten mit indirekten Mordaufforderungen übergeben. Seitdem kam es offbar immer wieder zu kleineren Verschleppungswellen, die auch lesbische Frauen und Transsexuelle betrafen.

Erst Ende Juni hatte das Parlament des Europarats mit einem ausführlichen Bericht und einer Resolution beklagt, dass Russland die Aufklärung der Verfolgung verschleppe (queer.de berichtete). Die zuständige russische Staatsanwaltschaft müsse die Verbrechen endlich aufklären und Verantwortliche anklagen, fordert die Resolution. Mitgliedsstaaten müssten Verfolgte aufnehmen und ihnen Schutz vor Repressalien seitens der Diaspora bieten. (nb)

 Update  18.35h: Polizei stellt Beteiligte

Laut einem Update der Zeitung "Nowaja Gaseta" hat die Polizei in einem Hostel die "Gruppe von Entführern" festgenommen. Unter ihnen befänden sich auch Offiziere des FSB, wobei deren Herkunftsregion noch unklar sei. Mitarbeiter und Anwälte des LGBT Network eilten nun zur Polizeiwache, um den ebenfalls zunächst festgenommenen Ahmadow zu unterstützen und Anzeigen wegen Entführung zu stellen.

 Update  16.7.: Junge wieder in Sicherheit

Laut einer Mitteilung des LGBT Network hat die Polizei Ahmadow noch am Freitag freigelassen. Er befindet sich, mit Unterstützung des LGBT Network, an einem sicheren und geheimen Ort. Der Vater befände sich hingegen noch in Gewahrsam – er soll noch auf der Wache den Sohn beschmipft und gebeten haben, ein Video aufzunehmen, in dem dieser behauptet, heterosexuell zu sein. Entgegen ersten Meldungen seien bei der Festnahme in einem Hostel keine weiteren Personen zugegen gewesen und weiter flüchtig.

#1 FOX NewsAnonym
  • 13.07.2018, 18:55h
  • Wenigstens hat die Polizei die Entführer geschnappt. Schlimm, dass aber der Geheimdienst und die Polizei unter einer Decke stecken.
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#2 von_hinten_genommenAnonym
  • 13.07.2018, 19:58h
  • Antwort auf #1 von FOX News
  • Dass die unter einer Decke stecken, ist nicht verwunderlich, wenn Tschetschenien und Russland es schaffen, ihre Verbrechen so lange umsetzen zu können, ohne dass andere Länder viel tun können.
  • Antworten »  |  Direktlink »
#3 by vornAnonym
  • 13.07.2018, 22:50h
  • Da kann sich doch Herr Seehofer, der Heimatminister der Bundesrepublik Deutschland, mal positiv ins Spiel bringen.

    Hol den Jungen in Sicherheit, Horst. Niemand will, dass er aus Verzweiflung noch Selbstmord begeht, dass er ermordet wird.
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