
https://queer.de/?31548
Streit um Kita-Handreichung
Bildungsministerium: Homophobie des Staatssekretärs ist "persönliche Meinung"
Mit dem CDU-Abgeordneten Thomas Rachel diffamierte ausgerechnet ein Bildungsstaatssekretär Aufklärung über LGBTI als "Verunsicherung" von Kindern und Eltern – das Ministerium hat damit kein Problem.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Rachel ist seit 2003 Bundesvorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises von CDU/CSU und seit 2005 Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung (Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde)
15. Juli 2018, 13:36h 3 Min. Von
Das CDU-geführte Bundesbildungsministerium hat kein Problem damit, dass sich sein eigener Parlamentarischer Staatssekretär Thomas Rachel (CDU) mit LGBTI-feindlichen Untertönen und heftigen Vorwürfen gegen SPD, Grüne und Linke gegen eine Aufklärung über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Kita ausgesprochen hat. Die Regierung sehe sich "zu keiner Stellungnahme veranlasst", heißt es in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage (PDF) des Grünen-Abgeordneten Kai Gehring.
In einem Beitrag für die Zeitschrift "Evangelische Verantwortung" (PDF) des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der Union hatte Rachel, der auch Vorsitzender des EAK ist, die vom Berliner Senat geförderte Handreichung "Murat spielt Prinzessin, Alex hat zwei Mütter und Sophie heißt jetzt Ben" (PDF) als "Verunsicherung" von Kindern und Eltern bezeichnet und der rot-rot-grünen Landesregierung vorgeworfen, "Kinder im Sinne einer Ideologie zu instrumentalisieren und die Grundlagen für sachliche Diskussionen verschwinden zu lassen".
In der Broschüre zum Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, die sich ausschließlich an pädagogische Fachkräfte richtet, würde, so Rachel, "der – in quantitativer Hinsicht – Normalfall zum problematischen Sonderfall erklärt" und der Sonderfall wiederum "zur erstrebenswerten Normalität" (queer.de berichtete).
Ausweichende Antwort des Ministeriums
Gehring hatte mit seiner Kleinen Anfrage wissen wollen, ob dies die "offizielle Position" des Bildungsministeriums sei – eine konkrete Antwort bekam er nicht. "Die angesprochene Äußerung spiegelt die persönliche Meinung von Thomas Rachel wider, die er in seiner Funktion als Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU in der Verbandszeitung 'Evangelische Verantwortung' in einem Diskussionsbeitrag vertreten hat", erklärte der Parlamentarische Staatssekretär Michael Meister (CDU). Er fügte hinzu: "Das Bundesministerium für Bildung und Forschung tritt für Toleranz und eine altersangemessene Pädagogik in den Bildungseinrichtungen ein."
Gegenüber queer.de zeigte sich Kai Gehring enttäuscht von der Antwort. "Da Staatssekretär Rachel den Beitrag als Abgeordneter verfasst hat, sieht sich die Bundesregierung nicht zur Stellungnahme verpflichtet. Dennoch ist es gerade seine herausgehobene Funktion als Parlamentarischer Staatssekretär, die solcher Bigotterie besondere Autorität verschafft", kritisierte der grüne Fraktionssprecher für Forschung, Wissenschaft und Hochschule. "Eine inhaltliche Klarstellung seitens des Ministeriums wäre darum angebracht, denn wir erwarten Wertschätzung von Vielfalt."
Hinter gutem Journalismus stecken viel Zeit und harte Arbeit – doch allein aus den Werbeeinnahmen lässt sich ein Onlineportal wie queer.de nicht finanzieren. Mit einer Spende, u.a. per oder Überweisung, kannst Du unsere wichtige Arbeit für die LGBTI-Community sichern und stärken. Abonnent*innen bieten wir ein werbefreies Angebot.
"Entweder nicht gelesen oder nicht verstanden"

Harald Krichel / wikipedia) Der Grünen-Abgeordnete Kai Gehring ist Fraktionssprecher für Forschung, Wissenschaft und Hochschule und Mitglied des Menschenrechtsausschusses (Bild:
Gehring warf Rachel vor, die Berliner Handreichung "entweder nicht gelesen oder nicht verstanden" zu haben: "Mit dieser Fachbroschüre wird niemandem ein Thema aufgedrängt, sondern sie unterstützt Erzieher*innen beim altersgerechten Umgang mit den Fragen, die Kinder von sich aus in der Kita stellen. Es geht nicht darum, Kinder zu behelligen, sondern sie bei Fragen kindgerecht zu informieren."
Das Bekenntnis des Ministeriums für "Toleranz und eine altersangemessene Pädagogik" sei "sehr dünn", so der Grünen-Politiker weiter. "Bei den sogenannten Demos für alle hat die Bundesregierung in der Vergangenheit geschwiegen. Auf eine Förderung von Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt in Bildungseinrichtungen warten wir vergebens." Gehring erinnerte zudem daran, dass Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) im letzten Sommer in der Begründung ihrer Nein-Stimme zur Ehe für alle wissenschaftliche Studien über Kinder in Regenbogenfamilien geleugnet hatte (queer.de berichtete). Sein Fazit: "Ohne Druck aus Zivilgesellschaft und demokratischer Opposition wird sich nichts bewegen."
Vor Thomas Rachel hatte bereits die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Stimmung gegen die Kita-Handreichung gemacht und gemeinsam mit der AfD dafür gestimmt, die Broschüre aus dem Verkehr zu ziehen (queer.de berichtete). Der Berliner Landesverband der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) hatte den Erzieher-Leitfaden dagegen verteidigt. "Die Inhalte sind gut und professionell aufgearbeitet und der Zielgruppe der Pädagogen vollkommen angemessen", hieß es in einer Stellungnahme zu den "längst überfälligen Handlungsempfehlungen" (queer.de berichtete).

Sie sind angeblich verunsichert, wenn Sie das Wort Verunsicherung ins Spiel bringen.
Verunsichert sind gewöhnlich nur Menschen, die sich mit einem Thema nicht weit und nicht gründlich genug befasst haben.
Aufgeklärte Menschen fühlen sich von Lesben und Schwulen und von der ganzen LSBTTIQ nicht verunsichert, sondern sind aufgrund unserer Situation im Jahre 2018 sehr besorgt.
Wären Sie also bitte so freundlich und würden sich mit diesem Thema beschäftigen und sich wichtige Informationen einholen, bevor Sie etwas äußern, was ungerechtfertigt ist?