Auf das offizielle CSD-Motto "Bunt ist das neue Weiß-Blau" antwortete der LSU-Wagen mit dem Konterfei von Ludwig II. und dem Slogan: "Bayern war schon immer bunt" (Bild: Facebook / LSU Bundesverband)
Politiker des CSU werfen drei Monate vor der bayerischen Landtagswahl den Grünen vor, beim CSD in München "Parteiideologie" über "die Sache" zu stellen. Grund ist eine Sitzblockade der Grünen Jugend gegen den CSD-Wagen der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) bei der CSD-Parade vom Samstag (queer.de berichtete).
Die Jugendorganisation der Ökopartei hatte den Auftritt der CSU beim Pride in der bayerischen Landeshauptstadt wegen der Asylpolitik von Bundesinnenminister Horst Seehofer und des Kampfes der bayerischen Regierungspartei gegen die Ehe für alle als "heuchlerisch" bezeichnet.
Der offen schwule CSU-Politiker Bernd Fabritius, der Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten sowie der Chef des Bundes der Vertriebenen ist, attackierte die Grünen für "eine Pervertierung und politische Instrumentalisierung des CSD". "So ist das, wenn Ideologie und grüne Parteipolitik vor die Sache (!), um die es geht, gestellt wird. Es ging beim CSD um den Kampf für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung von LGBT!", erklärte der 53-Jährige in einem Kommentar bei Facebook.
Auf dem LSU-Wagen seien laut Fabritius die Mitstreiter in der Union gewesen, die oft gegen ihre eigenen Parteifreunde für LGBTI-Rechte kämpften: "Das sind die Kolleginnen und Kollegen, die klar FÜR die Eheöffnung gekämpft und auch (wie ich) dafür gestimmt haben, die in den Ausschüssen FÜR die Rehabilitierung der Opfer des 175 StGB gekämpft haben, und die FÜR DIE SACHE einstehen, selbst in einem Umfeld, in dem das nicht immer einfach ist!" Die eigene "Parteiideologie" stehe für diese grünen Aktivisten über dem, "wofür der CSD steht".
"Schämt Euch!", sagte der CSU-Politiker in Richtung der Grünen. Diejenigen in der Union, die für die Anliegen von Schwulen und Lesben eintreten würden, ließen sich aber nicht "von einer Handvoll lauter Grünies bremsen". Fabritius war von 2013 bis 2017 Mitglied des Bundestages; er stimmte vergangenes Jahr als einer von sieben CSU-Abgeordneten für die Ehe für alle (bei 46 Nein-Stimmen). Bei der CSD-Parade war Fabritius beim Verein lesbischer und schwuler Polizeibediensteter mitgelaufen.
CSU-Stadtrat: "Eine Grenze überschritten"
Auch CSU-Stadtrat Hans Theiss zeigte sich über die Aktion der Grünen empört und erklärte, damit sei "eine Grenze überschritten" worden: "So etwas ist für mich nicht mehr Teil eines demokratischen Meinungsstreits", sagte er in einem Statement. Theiss war auf dem CSD bei einer Rede ausgebuht worden, obwohl er auch leise Kritik an seinem Parteichef Horst Seehofer äußerte. Er hatte gesagt, dass er mit einigen Äußerungen auf Bundesebene "auch nicht glücklich" sei.
Insbesondere kritisierte Theiss nach der Parade, dass sein Stadtratskollege Dominik Krause (Grüne) ebenfalls an der Blockade beteiligt war. "Besonders absurd" sei, dass auf dem CSD, "wo Toleranz zurecht groß geschrieben wird, durch solche Aktionen der Versuch gemacht wird, Leute mit einem anderen politischen Hintergrund zu stigmatisieren."
Krause hatte beim CSD der CSU vorgeworfen, "keine Gelegenheit" auszulassen, um "zu hetzen". "Niemand der CSU-Politiker, die hier mitlaufen, hat den Kurs der Partei kritisiert. Ich will mit solchen Menschen nicht demonstrieren." Am Sonntag wies er Vorwürfe zurück, konservative Mitglieder der Community auszugrenzen. Die CSU, sagte der Grünenpolitiker, habe "in den letzten Monaten das konservative Spektrum verlassen".
Twitter / dominik_krause | Stadtrat Dominik Krause wirft der CSU vor, mit ihrer Asylpolitik das demokratische Spektrum verlassen zu haben
Landtagsabgeordnete beklagt Polizeigewalt beim CSD
Ein weiterer Zwischenfall beim CSD sorgt für Aufregung unter Aktivisten: Die bayerische Landtagsabgeordnete Claudia Stamm beklagte, von einem Polizisten "gehauen" und verletzt worden zu sein. Die ehemalige queerpolitische Sprecherin der Grünen, die im vergangenen Jahr ihre Partei verlassen hatte und die Regionalpartei "mut" gründete, behauptete am Sonntag, dass sie am Zaun des Backstage-Bereiches einen "massiven Polizeieingriff wahrgenommen" habe. Auf Nachfrage habe sie erfahren, dass es sich um einen Einsatz wegen einer Beamtenbeleidigung gehandelt habe.
Claudia Stamm ist seit 2009 grüne Abgeordnete im bayerischen Landtag, trat aber im letzten Jahr aus der Ökopartei aus
Als sie die Lage erkunden wollte, sei es zur Eskalation gekommen: "Die Kette der Polizei wollte mich nicht durchlassen, ich sagte daraufhin, dass es meine Aufgabe sei, die Exekutive zu kontrollieren und ich den Eingriff zumindest sehen möchte, und versuchte hinter die Polizisten zu gehen, damit mir dies möglich ist. Daraufhin wurde ich von einem Polizisten in die Gegend der unteren Rippen 'gehauen' und massiv am Arm festgehalten. Als ich nach dem Namen fragte, wurde mir dies verweigert."
Die Polizei teilte laut dem Bayerischen Rundfunk mit, dass eine "Mandatsträgerin" bei den Beamten angezeigt habe, von einem Polizisten geschlagen worden zu sein. Wie bei derartigen Vorwürfen gegen Polizeibeamte üblich, ermittle das Bayerische Landeskriminalamt. Die Polizei bestätigte in diesem Zusammenhang auch, dass es beim CSD zu einer Rangelei mit Mitgliedern der autonomen Szene gekommen sei und gegen fünf Personen wegen Körperverletzung, Widerstands, Gefangenenbefreiung sowie Beleidigung ermittelt werde. Zwei Personen seien vorläufig festgenommen und eine Person aufgrund ihrer Aggressivität in Sicherheitsgewahrsam genommen worden. Die Beamten seien unter anderen bedrängt und geschubst worden, nachdem sie die Identität eines Mannes feststellen wollten, der ihnen den Stinkefinger gezeigt hatte. (dk)