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Anerkennung der Maghreb-Staaten als "sicher"

"Skandalöse Verharmlosung" von Homo-Verfolgung: LSVD kritisiert Bundes­regierung

Die Bundesregierung will Algerien, Marokko und Tunesien das Prädikat "sicherer Herkunftsstaat" verleihen, obwohl alle drei Länder Homosexuelle verfolgen lassen.


Wer wegen seiner Homosexualität aus Algerien, Marokko oder Tunesien nach Deutschland flieht, könnte von der Bundesregierung bald leichter zurück zu den Folterknechten ins Gefängnis geschickt werden, befürchten Menschenrechtler (Bild: Dave Nakayama / flickr)

  • 18. Juli 2018, 12:23h 45 3 Min.

Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland hat die Entscheidung der Bundesregierung scharf kritisiert, Algerien, Marokko und Tunesien als "sichere Herkunftsstaaten" anzuerkennen. Das Kabinett hatte am Mittwochvormittag beschlossen, das Prädikat den drei nordafrikanischen Ländern zu verleihen, damit Flüchtlinge leichter dorthin abgeschoben werden können. Das Vorhaben ist auch Bestandteil des Koalitionsvertrages und des "Masterplans Migration" von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).

"Die Bundesregierung betreibt eine skandalöse Verharmlosung der Menschenrechtslage in den Maghreb-Staaten", erklärte LSVD-Vorstandsmitglied Marion Lüttig nach der Entscheidung. Die Bundesregierung beschädige ihre Glaubwürdigkeit in der Menschenrechtspolitik, wenn sie die Kriminalisierung von Homosexualität verharmlose und Menschenrechtsverfolgungen einen Freifahrtschein ausstelle. "Staaten, die Homosexualität kriminalisieren, sind nicht sicher, sondern sind Verfolgerstaaten", so Lüttig. Der LSVD rufe daher Bundestag und Bundesrat auf, dieses Gesetzesvorhaben zu Fall zu bringen.

Anträge könnten künftig generell abgelehnt werden

Auch andere Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kritisieren das Vorhaben scharf. Es bestehe die Gefahr, dass damit Asylanträge von aus diesen Ländern geflüchteten Personen pauschal als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt würden, selbst wenn die Menschen Verfolgungen ausgesetzt seien. Zwar steht auch Personen aus "sicheren" Ländern formal ein Recht zu, einen Asylantrag zu stellen; in der Realität würde dieser aber wohl kaum mehr ernsthaft bearbeitet werden, so Amnesty. In den Maghreb-Ländern werden nicht nur Homosexuelle verfolgt, sondern auch die politische Opposition unterdrückt – auch Folter soll dort ein Mittel der Sicherheitsbehörden sein.

Besonders subtil in ihrer Abneigung gegenüber Homosexuellen zeigen sich Politik und Justiz in den drei Ländern nicht: So hat der marokkanische Menschenrechtsminister Mustapha Ramid vergangenes Jahr in einem Interview Homosexuelle pauschal als "Müll" bezeichnet (queer.de berichtete).

Der Streit um die Einstufung der Maghreb-Staaten dauert bereits mehrere Jahre an. 2016 hatte der Bundestag schon einmal mit den Stimmen der Großen Koalition die Anerkennung der Maghrebstaaten als sicher beschlossen (queer.de berichtete). Am Ende scheiterte der Entwurf allerdings im Bundesrat; alle Länder mit Regierungsbeteiligung der Linken oder der Grünen – mit der Ausnahme von Baden-Württemberg – lehnten den Antrag in der Länderkammer ab (queer.de berichtete).

CDU, CSU, SPD und FDP für Verleihung des Prädikats "sicher"

Derzeit unterstützen CDU, CSU, SPD und FDP – und freilich auch die AfD – die Anerkennung der Maghreb-Staaten als "sicher", Linke und große Teile der Grünen lehnen sie ab. Die Liberalen meinen, dass das Prädikat "sicher" auch für Verfolgerstaaten angebracht sein könne: "Deutschland gewährt aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verfolgten Menschen auch dann Asyl, wenn sie aus 'sicheren Herkunftsstaaten' kommen", behauptete Jens Brandenburg, der FDP-Sprecher für LGBTI, anlässlich eines Gesetzentwurfes seiner Partei zur Anerkennung der Maghreb-Staaten (queer.de berichtete). Die Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge müssten für diese besonderen Fluchtgründe weiter sensibilisiert werden, "um eine frühzeitige Anerkennung und einen vertrauensvollen Umgang mit den Verfolgten zu gewährleisten", so Brandenburg weiter.

Im Bundesrat könnte die Abstimmung erneut knapp werden: Länder, die ausschließlich von Union, SPD und FDP regiert werden, haben keine Mehrheit. Neben der grün-schwarzen Kretschmann-Regierung in Baden-Württemberg, die bereits ihre erneute Zustimmung signalisiert hat, müsste noch ein weiteres Land, das von Grünen oder Linken mitregiert wird, für die Gesetzesänderung stimmen. (dk)

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#1 unterstützerAnonym
  • 18.07.2018, 13:28h
  • Eigenartig:
    Ein Gericht entscheidet, daß ein Gefährder !!! nicht in einen Magreb Staat abgeschoben werden darf und sogar zurückgeholt werden muß!
    Wieso, wenn der Staat angeblich sicher sein soll!
    Wäre wünschenswert, wenn man sich mit der dortigem menschenrechtslage befassen würde, auch mit dem (eventuell nicht gezückten Scheckbuch!)
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#2 Rechtsruck-WatchAnonym
  • 18.07.2018, 13:39h
  • Diese Staaaten sind sicher für wen? Sicherlich sind sie nicht sicher für Menschen, deren politische Überzeugung oder sexuelle Identität dem dort Geforderten nicht entsprechen. Daher muss z.B. Homosexualität endlich in Deutschland ein Asylgrund werden. Aber mit dem politischen Arm der Christen in der Regierung, der auch noch mittelalterlich Kreuze im öffentlichen Raum aufhängen lässt, ist das offensichtlich nicht zu erreichen.
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#3 DominikAnonym
  • 18.07.2018, 13:54h
  • Die Behauptung von Jens Brandenburg (FDP) ist richtig und wahr: Individuelle Schutzgründe wie die Verfolgung wegen Homosexualität bleiben davon unberührt. Homosexuelle Asylbewerber, die nachweisen können, von Polizei, Justiz oder anderen Behörden verfolgt zu werden, können weiter mit einem Positivbescheid rechnen.

    Linke und Teile der Grünen argumentieren unaufrichtig. Gesellschaftliche Tabuisierung von Homosexualität und Alltagsdiskriminierung finden z.B. auch in vielen osteuropäischen Ländern statt. Dort ist die Lage für Homosexuelle nicht viel anders als in Marokko, Algerien oder Tunesien. Die Unaufrichtigkeit der Linken und Grünen besteht darin, die Kontroverse um die sicheren Herkunftsstaaten nur auf die genannten Maghreb-Staaten zu lenken, damit man einen Grund hat, der Bundesregierung ans Bein pinkeln zu können. Reichlich inkonsequent ist das, bei Marokko lauthals aufzuheulen und bei Georgien auf "business as usual" zu machen!

    Allgemein betrachtet sind Marokko, Algerien und Tunesien zwar Entwicklungsländer und bei weitem keine lupenreinen Rechtsstaaten; das stimmt natürlich. Doch Krieg, Bürgerkrieg oder Staatsterrorismus findet da derzeit auch nicht statt, sodass ich die Entscheidung der Bundesregierung bzw. der deutlichen Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag auch gut nachvollziehen kann.

    Was wir endlich brauchen, ist ein Einwanderungsgesetz, dass qualifizierte Zuwanderung nach bestimmten Kriterien regelt und daneben aber auch klare Standards für politisches oder individuelles Asyl festlegt.
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