Den S.A.M-Heimtest kann man in Ruhe zu Hause machen – man muss Proben lediglich per Post in ein Labor schicken (Bild: DAH)
Ein kleiner Stich in den Finger zur Blutentnahme, eine Urinprobe, einige Abstriche mit Wattestäbchen, die Proben in einen Plastikbeutel verstauen und in die Post geben: So einfach funktioniert das neue Heimtest-System S.A.M für Checks auf HIV und Geschlechtskrankheiten. Ab sofort wird es in Bayern für ein Jahr erprobt. Entwickelt wurde das Konzept von der Münchner Aids-Hilfe und ihrem Dachverband, der Deutschen Aids-Hilfe, sowie vom britischen Pharmakonzern ViiV Healthcare und dem Labor Lademannbogen in Hamburg.
S.A.M steht für Sampling (englisch für Probenentnahme). Das Paket beinhaltet Tests auf HIV, Syphilis, Chlamydien und Gonokokken (die Erreger von "Tripper"). Interessierte können sich online anmelden und dann in vier bayerischen "Checkpoints" in München, Nürnberg und Regensburg ein Erstgespräch mit persönlicher Beratung führen. Sie entscheiden dann selbst, ob sie das Testkit alle drei, sechs oder zwölf Monate automatisch zugesandt bekommen möchten. Das Angebot kostet 32 Euro pro Testvorgang.
Blut- und Urinproben sowie Abstriche werden zu Hause selbst entnommen und dann ins Labor nach Hamburg gesendet. Wird keine Infektion festgestellt, erhalten die Nutzerinnen oder Nutzer das Ergebnis per SMS auf ihr Handy. Liegt eine Infektion vor, erhalten sie eine SMS mit der Bitte um Rückruf. Eine medizinische Fachkraft steht für ein Beratungsgespräch bereit und verweist gegebenenfalls an medizinische Einrichtungen und Aidshilfen weiter.
13.000 HIV-Positive wissen nichts von ihrer Infektion
Das Ziel der Initiative: Mehr Infektionen sollen früher entdeckt und behandelt werden. Denn in Deutschland leben laut Schätzungen rund 13.000 Menschen mit HIV, ohne es zu wissen – rund ein Drittel aller Diagnosen erfolgt erst, wenn bereits Aids oder ein schwerer Immundefekt vorliegt. Auch andere sexuell übertragbare Infektionen bleiben oft lange unerkannt. Nötig seien daher nach Ansicht der Aids-Hilfen weitere Testangebote, die die Hemmschwelle senken und möglichst bequem sind.
"Frühe Diagnosen zu fördern, ist heute so wichtig wie nie", erklärte Armin Schafberger, Referent für Medizin und Gesundheitspolitik der Deutschen Aids-Hilfe. "Bei rechtzeitiger Behandlung haben Menschen mit HIV mittlerweile eine fast normale Lebenserwartung und können leben wie andere Menschen auch. Bleibt HIV unbehandelt, drohen schwere gesundheitliche Schäden. Auch Geschlechtskrankheiten können unerkannt viel Schaden anrichten, sind aber gut behandelbar."
Eine Chance für Ungetestete
"S.A.M – mein Heimtest" habe insbesondere Vorteile für Menschen in ländlichen Regionen mit wenig Angeboten und für alle, die ungern eine Teststelle aufsuchen, zum Beispiel aus Scham. "Indem wir die Hemmschwelle senken, ermöglichen wir Menschen einen Test, die sonst keinen machen würden", betonte Christopher Knoll von der Münchner Aids-Hilfe.
Christopher Knoll bei einer Vorstellung des Projekts im Frühjahr in Berlin. Bild: nb
Das Verfahren ist einfach, diskret und bequem. Eine Onlineplattform gibt alle wichtigen Informationen rund um Test und Infektionen.
In Großbritannien wird ein ähnliches Verfahren bereits seit vier Jahren erfolgreich eingesetzt. Die Erfahrungen zeigen: Der so genannte Einsendetest motiviert tatsächlich Menschen dazu, sich erstmals oder früher testen zu lassen.
Ziel: Aids bis 2030 beenden
UNAIDS will die Aids-Epidemie weltweit bis zum Jahr 2030 beenden. Die deutsche Regierung hat sich diesem Ziel in ihrer 2016 beschlossenen Strategie BIS 2030 verpflichtet. Mit der Kampagne "Kein Aids für alle!" möchte die Deutsche Aids-Hilfe dieses historische Ziel in Deutschland schon bis 2020 erreichen. Ein zentraler Schlüssel sei dabei, dass mehr Menschen mit HIV wissen, dass sie infiziert sind, und sich behandeln lassen.
Seit 2010 ist die Zahl der HIV-Neuinfektionen weltweit um 18 Prozent auf 1,8 Millionen im vergangenen Jahr gesunken. Den Vereinten Nationen geht das allerdings nicht schnell genug, um das Ziel bis 2030 zu erreichen – vor allem, weil der Kampf gegen HIV/Aids in Osteuropa und Teilen Asiens nicht vorankomme und die Zahl der Neuinfektionen in vielen Ländern sogar ansteige. Michel Sidibé, der Chef der Organisation UNAIDS, fordert daher jährlich sechs Milliarden Euro mehr. In vielen Ländern führt die staatlich geförderte Homophobie oder Sexfeindlichkeit auch dazu, dass es keine ausreichende Präventionsarbeit gibt, beispielsweise in Indonesien (queer.de berichtete).
Auch abseits des Projekts in Bayern ist in die Frage von HIV-Tests kürzlich Bewegung gekommen. So will das Bundesgesundheitsministerium ab Herbst den Verkauf von Selbsttests in Apotheken und im Online-Handel ermöglichen (queer.de berichtete). Das Angebot ergänzt Testmöglichkeiten in Arztpraxen, Gesundheitsämtern oder in Checkpoints von Aidshilfen. (pm/dk)