Demonstranten auf einer Straße im touristischen Tel Aviv (Bild: Alon-Lee Green)
In ganz Israel sind am Sonntag, einem gewöhnlichen Arbeitstag, in einem landesweiten Streik zehntausende Menschen für LGBTI-Rechte auf die Straße gegangen. Zentrum des Streiks war die weltoffene Metropole Tel Aviv. Bei der Abschlusskundgebung am Rabin-Platz im Stadtzentrum nahmen nach Schätzungen der Polizei 60.000 Menschen teil – laut den Organisatoren waren es sogar 100.000 Demonstranten.
Der offen schwule Knesset-Abgeordnete Itzik Schmuli von der Zionistischen Union, nach der Likud-Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die zweitgrößte Fraktion im Jerusalemer Parlament, erklärte auf der Veranstaltung: "Wir werden nicht länger schweigen. Bei diesem Kampf geht es nicht nur um die LGBTI-Community, sondern um das Image des Landes."
Am Rabin-Platz demonstrierten zehntausende Menschen gegen die Politik der Regierung (Bild: Alon-Lee Green)
Protestaktionen gab es auch in Jerusalem, Haifa, Be'er Scheva und Afula – so demonstrierten hunderte Menschen nahe Netanjahus Wohnhaus in Jerusalem. Laut Polizeiangaben blieben die Demonstrationen überwiegend friedlich.
Anlass war Reform des Leihmutterschaftsrechts
Der Anlass für die Protestaktion war die Reform des Leihmuterschaftsrechts, die vom israelischen Parlament am Mittwoch beschlossen worden war. Das Gesetz erweiterte den Personenkreis, der Leihmütter in Israel engagieren darf, allerdings bleiben homosexuelle Paare ausdrücklich ausgeschlossen – dabei hatte Premier Nentanjahu wenige Tage zuvor versprochen, dass Homosexuelle in dieser Frage gleichgestellt werden würden (queer.de berichtete). Die Organisatoren begründeten den Streik zudem damit, dass die generelle Menschenrechtslage für LGBTI, aber auch für andere Minderheiten, unter der rechtsgerichteten Regierung problematischer werde.
Unterstützung für den Streik kam von mehreren internationalen Firmen wie Microsoft oder dem deutschen Unternehmen SAP, die ihren Mitarbeitern erlaubten, ohne Gehaltseinbußen am Streik teilzunehmen. Die Firmen appellierten an die Regierung in Jerusalem, bestehende Ungleichbehandlungen zwischen Homo- und Heterosexuellen zu beseitigen.
Scharfe Kritik an Netanjahu-Regierung
Unterdessen kündigten mehrere Politiker am Rande der Proteste an, die Reform des Leihmutterschaftsrechts erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Viele Politiker der Opposition sehen als einzige Chance für eine Verbesserung der Lage von LGBTI einen Regierungswechsel an. "Das Hauptziel muss sein: 'Bibi muss weg'", erklärte Ex-Gesundheitsministerin Ja'el German von der Oppositionspartei Jesch Atid. Bibi ist der Spitzname von Benjamin Netanjahu. "So lange er die Regierung anführt und solange er [in einer Koalition] von Religiösen und Orthodoxen gefangen gehalten wird, solange wird sich nichts ändern."
Die Knesset-Abgeordnete Merav Michaeli von der Zionistischen Union bezeichnete den Ministerpräsidenten als "gewohnheitsmäßigen Lügner", dem nicht zu trauen sei. Bei einer kleineren Demonstration in der Tel Aviver Rothschild-Allee erklärte Tamar Zandberg, die Chefin der sozialistischen Partei Meretz: "Letzte Woche hat die Regierung gegen die israelischen Bürger gestimmt und heute zeigen wird ihnen, dass Israel willensstärker ist als die Regierung."
Weitere Protestaktionen in Jerusalem und anderen Städten sind für Montag, Donnerstag und Freitag geplant. (dk)
Es muss sich endlich etwas ändern.
Gut, dass da Zehntausende Menschen mobilisiert werden können. Hierzulande bekommt man ja, wenn es nicht gerade um Party-CSDs geht, für wichtige Demos, z.B. zu Art. 3 GG, bestenfalls ein paar Hundert Leute zusammen.