Die politisch engagierte Berliner Dragqueen Margot Schlönzke hat alle CSD-Teilnehmer aufgefordert, den amerikanischen Botschafter Richard Grenell "bei jeder Gelegenheit beim Berliner CSD auszubuhen und auszupfeifen". Auf Facebook begründete die 42-Jährige ihre Initiative damit, dass Grenell kein Vertreter der USA sei, sondern "Vertreter der trumpschen Politik".
"Er sucht gezielt den Schulterschluss mit der europäischen politischen Rechten, möchte gezielt die Erzkonservativen in Europa stärken, ist ein Verfechter der menschenverachtenden Grenzpolitik zwischen den USA und Mexiko und mischt sich – für einen Botschafter ebenfalls völlig unangemessen – ins tagespolitische Geschehen ein", kritisierte Schlönzke angesichts der Teilnahme des Botschafters beim CSD an diesem Samstag.
Auch Grenells Positionen zu LGBTI-Rechten seien inakzeptabel, so Schlönzke: "Obwohl selbst offen schwul, spricht er sich klar gegen die Gleichberechtigung von Transmenschen aus, setzt sich sogar in Teilen gezielt gegen eine in Teilen bereits erreichte Gleichbehandlung und Gleichberechtigung ein, arbeitet am Rollback und widerspricht damit grundlegenden Forderungen der Pride- und CSD-Bewegung." Man solle niemanden auf dem CSD akzeptieren, der sich "gegen die Gleichberechtigung von Menschen einsetzt".
Grenell hatte seine Teilnahme beim CSD angekündigt. Er wird höchstwahrscheinlich auf dem Wagen der US-Botschaft teilnehmen (Wagennummer 5); die amerikanischen Diplomaten sind zum siebten Mal in Folge beim Pride vertreten. Der 51-Jährige hatte bereits vergangenes Wochenende am Motzstraßenfest teilgenommen. Die israelische Botschaft veröffentlichte Bilder, wie sich Grenell an ihrem Stand mit Familienministerin Franziska Giffey (SPD) und Gesundheitsminiter Jens Spahn (CDU) unterhält.
Margot Schlönzke will den Aufruf nicht als amerikafeindlich verstanden wissen – vor zwei Jahren hatte sie mit anderen eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des "Pulse"-Anschlags vor dem Brandenburger Tor organisiert (queer.de berichtete). Mitstreiter Dirk Ludigs betonte auf Facebook, es sei wichtig, dass sich dieser Grenell-Protest "nicht gegen die Botschaftsangehörigen oder deren Wagen richtet, oder gegen die USA als Land, sondern ausschließlich gegen Grenell persönlich."
Seit Mai in Berlin im Dienst
Grenell war nach nach langen Debatten in diesem Frühjahr vom US-Senat bestätigt worden (queer.de berichtete). Die meisten Mitglieder der demokratischen Oppositionsfraktion stimmten gegen den langjährigen Trump-Anhänger und begründeten das unter anderem mit sexistischen Tweets gegen politische Gegner wie Hillary Clinton oder die lesbische Journalistin Rachel Maddow, für die er sich inzwischen entschuldigt hat. Seinen Amtseid legte er im Mai ab – der homophobe Vizepräsident Mike Pence schwor ihn damals offiziell ein, sein langjähriger Lebenspartner hielt dabei die Bibel (queer.de berichtete). Seit dem 8. Mai ist er der erste offen schwule US-Botschafter in Deutschland.
Während seines gesamten Lebens war Grenell in konservativen Zirkeln unterwegs: Nach seinem Studium an einer von der evangelikalen Pfingstbewegung betriebenen Privat-Hochschule sowie an der Universität Harvard arbeitete er für mehrere republikanische Politiker, darunter den New Yorker Gouverneur George Pataki, US-Senator John McCain und den Kongressabgeordneten Dave Camp. Grenells diplomatische Laufbahn begann im Jahr 2001, als er vom damaligen Präsidenten George W. Bush zum US-Sprecher bei den Vereinten Nationen ernannt wurde. Diese Rolle hatte er bis 2008 inne, länger als jeder andere. Danach gründete er ein Beratungsunternehmen für Medien und arbeitete unter anderem in der Wahlkampagne des republikanischen Kandidaten Mitt Romney im Jahr 2012, trat aber nach Anfeindungen von Republikanern wegen seiner sexuellen Orientierung zurück (queer.de berichtete).
In den letzten Jahren war er als republikanischer Kommentator in amerikanischen Nachrichtensendern, insbesondere im konservativen Haussender Fox News Channel, tätig. Grenell war außerdem ein Unterstützer der ersten Stunde von Präsidentschaftskandidat Donald Trump und folgte dessen politischem Kurs bislang bedingungslos.
In seinen wenigen Wochen als Botschafter ist Grenell bereits mehrfach angeeckt. Anders als die meisten Botschafter kommentiert er auch teils aggressiv die deutsche oder europäische Tagespolitik. In einem Interview mit dem rechtspopulistischen "Breitbart News Network" gab er offen zu, in Europa "konservative Kräfte" stärken zu wollen. (dk)
So sehe ich das auch bei diesem US-Botschafter. Er ist zwar offen schwul, aber trotzdem unterstützt er rechts außen.
Wieso sollte man nun seine politische Haltung aufgrund seiner Identität ignorieren?
Also wenn mir Weidel begegnen würde, und sie würde sagen, dass sie mich zu einem Drink einlädt, würde ich dankend ablehnen. Da kann sie lesbisch sein wie sie will.
Genauso auch der Botschafter: mit seiner politischen Einstellung muss er beim CSD zumindest mit Leuten rechnen, die etwas Abstand halten werden. Rechts außen und der CSD harmonieren nicht wirklich zusammen.