Das Wissen über das Konzept "Schutz durch Therapie" ist besonders hoch in Skandinavien, Großbritannien und einigen kleineren Ländern, während die Unwissenheit im Osten Europas höher ist
Bis Ende Januar diesen Jahres konnten sich Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), an der European MSM Internet Survey (EMIS) beteiligen; Hauptziel der Befragung war, Daten für die Verbesserung der Prävention von HIV und anderen Geschlechtskrankheiten für schwule und bisexuelle Männer zu gewinnen (queer.de berichtete). Am Dienstag wurden erste Ergebnisse im "Community Report Vol. 1" (PDF) vorgestellt: Dabei zeigt sich, dass das Kondom die bekannteste Möglichkeit zum Schutz vor HIV bleibt. Immerhin etwas mehr als die Hälfte der Befragten weiß aber auch: HIV wird bei wirksamer HIV-Therapie nicht übertragen und die HIV-Prophylaxe (PrEP) schützt vor einer Ansteckung.
Konkret wussten 97 Prozent der Befragten, dass korrekt angewendete Kondome das Risiko einer Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten einschließlich HIV senken. 59 Prozent der Teilnehmer wussten nach eigenen Angaben auch, dass eine funktionierende HIV-Therapie das Risiko von HIV-Übertragungen praktisch auf Null senkt ("Schutz durch Therapie"). Zudem waren sich 51 Prozent der Befragten bewusst, dass ein Medikament zur Präexpositions-Prophylaxe (PrEP) von HIV-Negativen eingenommen werden kann, um eine Übertragung zu verhindern. Allerdings wussten lediglich 20 Prozent der Teilnehmer, dass die PrEP auch als vorübergehende ("anlassbezogene") Schutzmaßnahme eingesetzt werden kann, zum Beispiel für ein Sexdate oder eine Sexparty. Bei der Befragung lagen die deutschen Teilnehmer bei den Ergebnissen weitgehend im europäischen Mittelfeld.
Durchschnittlich wissen 51 Prozent der Befragten, was die PrEP ist – im europäischen Vergleich gibt es aber Unterschiede
134.000 Teilnehmer
An der Umfrage teilgenommen haben etwa 134.000 Männer, die Sex mit Männern haben. Ein Zehntel von ihnen gab an, einen postiven HIV-Test erhalten zu haben. Die Teilnehmer kamen aus 49 Ländern – neben Europäern beantworteten auch Männer aus Kanada, Israel und dem Libanon die Fragen. Allein in Deutschland beteiligten sich über 20.000 Männer.
Die Nachfrage nach der PrEP ist laut den Ergebnissen offenbar bei jenen Männern am größten, die mehr Sexpartner als andere haben und beim Sex häufiger Drogen konsumieren, erklärte Dr. Dirk Sander, Referent der Deutschen Aids-Hilfe für Schwule und andere MSM. Es sei anzunehmen, dass diese Gruppe aus Erfahrung wisse, dass sie sich beim Sex nicht immer mit Kondomen schützt. EMIS mache daher deutlich, dass die PrEP eine HIV-Präventionslücke schließe. Sander erwartet, dass der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigte geregelte Zugang zur PrEP zu einem deutlichen Rückgang bei den HIV-Neudiagnosen führt.
Die Teilnehmer wurden auch nach ihrem Sexleben befragt. Auch hier wurden erste Ergebnisse veröffentlicht: So hatten gut zwei Drittel (70 Prozent) der befragten Männer in den zwölf Monaten vor ihrer Befragungsteilnahme "nie" oder "fast nie" Alkohol oder andere Drogen zum Sex konsumiert. Sieben Prozent dagegen hatten Sex nach eigenen Angaben "immer" oder "fast immer" unter Drogeneinfluss.
EMIS 2017 wurde von der Londoner Forschungsorganisation Sigma Research durchgeführt und von der Europäischen Kommission finanziert. Zu den deutschen Partnern gehören unter anderem die Deutsche Aids-Hilfe. Weitere Ergebnisse sollen in den nächsten Wochen und Monaten veröffentlicht werden. (dk/pm)
"Schwule und bisexuelle Männer" ist eigentlich eine sehr unspezifische Gruppe, da es sehr viele verschiedene Typen von schwulen und bisexuellen Männern gibt. Längst nicht jeder lebt promiskuitiv, längst nicht jeder hat regelmäßig Sexdates oder Sexpartys oder Sex unter Drogeneinfluss. Wenn das alles nicht auf mich zutrifft, so brauche ich auch kein umfangreiches Wissen über PrEP. Es ist ja kein Medikament, das jeder schwule oder bisexuelle Mann dringend benötigt, sondern nur dann Sinn macht, wenn man ständig wechselnde Sexualpartner hat.
Außerdem wird in der Umfrage nur nach oberflächlichem Wissen zur PrEP-Pille gefragt: Wozu ist sie da, und wie kann man sie einnehmen? Ich bin mir ziemlich sicher, würde man auch danach fragen, woraus sich das Medikament zusammensetzt, wie es im Körper wirkt, und was die Risiken, Nebenwirkungen und Nachteile sind oder sein könnten, hätte man als Ergebnis noch sehr viel mehr Unwissen vorliegen; und zwar auch auf Seiten der Befürworter.
Die Umfrage ist mMn ungenau und lässt wenig Rückschlüsse zu!