Der CSD auf dem Primorsky-Boulevard
In Odessa, einer ukrainischen Großstadt am Schwarzen Meer, haben am frühen Samstagmorgen über hundert LGBTI friedlich für ihre Rechte und ihre Liebe demonstriert. Aus Sicherheitsgründen war der CSD in Absprache mit der Polizei von Sonntag, einem hohen kirchlichen Feiertag, auf den Samstag vorverlegt worden. Auch konnten so Parallelkundgebungen umgangen werden.
Der "Marsch der Gleichheit" mit dem Motto "Unsere Familien sind unser Wert" zog, bewaffnet mit einer meterlangen Regenbogenflagge, friedlich über einen größtenteils weiträumig abgesperrten Primorsky-Boulevard in der Innenstadt – nur an einer Wegmarke musste der Pride an einem kleinen Gegenprotest von orthodoxen Aktivisten und Priestern vorbei, die mit Megaphon gegen den CSD anschrieen ("Sodom und Gomorra", "Verlust von Familienwerten"). Die im Vergleich zum Vorjahr deutlich reduzierte Zahl von Polizisten am Wegesrand, ein gutes und in der Wirkung wichtiges Zeichen, hatte die Lage soweit in Live-Videos erkennbar im Griff – auch am Ende der Demonstration, wo weit hinter einem Absperrgitter einige nationalistische Jugendliche Parolen brüllten.
Mit Bussen wurden die Pride-Teilnehmer später sicher aus dem Innenstadt-Bereich gebracht. Letzten Meldungen zufolge hatte die Polizei kurz vor Beginn des Pride zwei rechtsextreme Gegendemonstranten festgenommen, die Teilnehmer angegriffen haben sollen – die Berichterstattung lässt offen, ob verbal oder körperlich, vermerkt aber keine Verletzungen.
Wie beim CSD in Kiew Mitte Juni war wieder eine Delegation aus München angereist. Die Mitglieder von Munich Kyiv Queer berichten auf ihrer Webseite von den Erlebnissen vor Ort – etwa von der Errichtung des "Queer Home", dessen Miete aus München gespendet wurde.
Von der Münchner Künstlerin Naomi Lawrence kam auch eine bereits beim CSD in der bayrischen Landeshauptstadt getestete Kunstaktion, die unter der Woche in Odessa für Schlagzeilen sorgte: Ein begehbares Herz, an das Passanten in der Innenstadt Botschaften anheften konnten – die Aktion blieb friedlich und wurde überwiegend positiv aufgenommen. Mit Unterstützung aus München findet am Wochenende in Odessa noch ein queeres Chorfestival statt.
Prides unter Polizeischutz
Wie überall in der Ukraine ist der CSD in Odessa noch hart umkämpft zwischen Aktivisten, Gegendemonstranten sowie Polizei und Stadtverwaltung. Im letzten Jahr schützte die Polizei den Pride mit rund 100 Teilnehmern vor Gegendemonstranten, wollte dem CSD aber auch nicht den Weg freiräumen von einer Blockade von rund 50 Gegnern. Die Pride-Teilnehmer reagierten mt einem Sitzprotest, bevor sie in Bussen in sichere Bereiche gebracht wurden (queer.de berichtete).
2017 war der CSD vor lauter Beamten kaum zu sehen
2016 hatten rund 50 Aktivisten den ersten CSD in der Hafenstadt abhalten können, die Polizei schützte die kurze Demonstration vor einigen Rechtsextremen (Video). Im Jahr zuvor war die Pride-Demonstration noch nach Drohungen verboten worden (queer.de berichtete). Rechtsextreme überfielen an dem Tag einen Empfang zum CSD und warfen Feuerwerkskörper in den Raum (queer.de berichtete). 2014 hatten Anhänger der russischen Bewegung "Occupy Pedophilia" ein "Drag Queen Fest" in der Stadt gestürmt (queer.de berichtete). (nb)