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Moldawien
Lesbische Aktivistin mit Weihwasser besprenkelt: Geldstrafe
Ein Gericht sah in dem Vorfall in einer TV-Sendung Diskriminierung. Der Priester beklagt nun religiöse Verfolgung.

Gennadi Valutu mit Weihwasser am Rande des CSD in Chisinau 2017
- 20. August 2018, 11:40h 3 Min.
Der weltweit geführte juristische und politische Streit um den Schutz vor Diskriminierung von Homo- und Transsexuellen im Spannungsfeld von Religionsfreiheit ist um eine weitere Episode reicher: Ein moldawisches Gericht hat laut Medienberichten vom Montag einen ultraorthodoxen Aktivisten bestraft, nachdem er eine lesbische Aktivistin mit Weihwasser besprenkelt hatte.
Der Vorfall hatte sich bereits 2014 in einer TV-Sendung ereignet, in der sich Gennadi Valutu, Gründer der Organisation Pro Ortodoxia, mit der Aktivistin Angelika Frolowa von der Organisation "Genderdoc-M" über LGBTI-Rechte stritt. Valutu sagte dazu, das geweihte Wasser werde helfen, queere Aktivisten vom bösen Geist zu befreien.

Aktivisten von "Genderdoc-M" mit ihrer CSD-Kampagne "Keine Angst"
Frolowa wandte sich an die Antidiskriminierungsbehörde und beklagte eine Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und – als Nicht-Mitglied der orthodoxen Kirche – wegen des Glaubens. In einer Entscheidung forderte die Stelle eine Entschuldigung Frolowas – als diese ausblieb und ein Widerspruch des Aktivistin nicht im Rahmen der gesetzten Frist eintraf, ging Frolowa vor Gericht und forderte eine öffentliche Entschuldigung und eine Geldstrafe von 30.000 Leu (rd. 1570 Euro). Valuta schrieb hingegen an das Gericht, dass Priester nicht für Diskriminierung rechtlich verfolgt werden könnten.
Schmerzensgeld
Das Gericht gab nun der LGBTI-Aktivistin in beiden Diskriminierungsfragen Recht und verurteilte Valutu zur Zahlung von 5.000 Leu (rund 260 Euro) an die Aktivistin als Wiedergutmachung für "moralische Schäden" und zu einer Übernahme der Prozesskosten von 7.000 Leu sowie zu einer Entschuldigung.
In einer ersten Reaktion kommentierte Valutu, dass nun die Verfolgung Religiöser beginne: "Bald stecken sie uns in Gefängnisse. Aber wir werden uns nicht ergeben." Außerdem stritt er ab, die Aktivistin überhaupt mit Weihwasser besprenkelt zu haben. Allerdings hatte er mit Mit-Aktivisten auch bei CSDs in der Hauptstadt Chisinau versucht, Pride-Teilnehmer mit Weihwasser zu besprühen. Nach den Demonstrationen "reinigte" er damit die abgelaufenen Straßen.
In den letzten Jahren hatten orthoxe Aktivisten immer wieder Gegenproteste gegen den CSD gefordert und mit angefeuert. 2014 warfen Gegendemonstranten Eier, Tomaten und Stöcke auf die Pride-Teilnehmer (queer.de berichtete). In den Folgejahren nahmen die Proteste nicht ab, allerdings konnte die Polizei den "Marsch für Solidarität" besser schützen (queer.de berichtete).

Protest gegen den CSD in Chisinau
Der moldawische Präsident, der Russland-nahe Sozialist Igor Dodon, richtete in mehreren Jahren zeitgleich zum CSD ein "Demo-für-alle"-artiges "Familienfest" aus (queer.de berichtete). Mitte September findet in Chisinau das jährliche weltweite Treffen von religiösen anti-homosexuellen Aktivisten, der "Weltkongress der Familien", statt. Igor Dodon bewirbt und umwirbt den Kongress seit Monaten und wird dort die Eröffnungsrede halten (wie der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán im letzten Jahr in Budapest). Er unterstütze "Initiativen zur Vereinigung der Gesellschaft und zur Rückkehr zu ihren wahren Werten, wie sie in der Bibel stehen", schreibt Dodon in einem Grußwort auf der Kongress-Webseite.
2014 war bereits der orthodoxe Bischof Marchel wegen Diskriminierung Homosexueller verurteilt worden (queer.de berichtete), nachdem dieser meinte, er wolle Homosexuelle nicht auf der Straße und in Schulen sehen: "92 Prozent von ihnen sind Aids-HIV-Patienten". Das höchste Gericht des Landes hob die Verurteilung aus zwei Vorinstanzen schließlich wieder auf (queer.de berichtete). (nb)

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