Die Aktivisten aus Leipzig beklagen sich nicht zum ersten Mal über deutsche Behörden
Das Leipziger Queer Refugees Network hat am Mittwoch im Zuge eines aktuellen Vorfalls wiederholte Abschiebungen von LSBTIQ*-Geflüchteten, bei denen eine klare Reiseunfähigkeit vorgelegen habe, durch deutsche Behörden beklagt.
Am Montag war laut einer ersten Meldung der Initiative ein schwuler junger Mann aus Venezuela aufgrund des Dublin-Verfahrens von Leipzig nach Schweden abgeschoben worden: "Dort wurde sein Asylgesuch abgelehnt, von dort wird er nach Venezuela abgeschoben werden."
Das Netzwerk kritisiert, dass die Abschiebung erfolgte, obwohl eine psychiatrische Stellungnahme zu seiner Reiseunfähigkeit vorlag. "Er floh aus Venezuela vor wiederholter sexualisierter und körperlicher Gewalt sowie Diskriminierung im Alltag. Es gab bei ihm in der Vergangenheit bereits mehrfach Suizidversuche. Die untersuchende Psychiaterin ging davon aus, dass im Falle einer Abschiebung 'mit großer Wahrscheinlichkeit mit ernstzunehmenden suizidalen Handlungen des Betroffenen zu rechnen wäre'."
Mehrere ähnliche Fälle allein in Leipzig
Diese "Abschiebung trotz eines qualifizierten ärztlichen Attests zur Reiseunfähigkeit" sei rechtswidrig und nicht der erste Fall: "Bereits Anfang Juni gab es einen Versuch, einen schwerst traumatisierten jungen Mann aus Kamerun abzuschieben." Dieser sei nach Deutschland geflohen, um der massiven Verfolgung von Homosexuellen und dem versuchten Mord durch seinen Stiefvater im Kamerun zu entgehen.
"Seit seiner Kindheit erlebte er schwerste Gewalt und Diskriminierung. Der Betroffene ist schwerst traumatisiert, eine Posttraumatische Belastungsstörung wurde diagnostiziert", so das Hilfs-Netzwerk. "Er ist auf eine medikamentöse Behandlung angewiesen. Aufgrund der Schwere seiner psychischen Erkrankung waren seit Herbst letzten Jahres mehrere stationäre Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken nötig. Sowohl aus stationären als auch ambulanten psychiatrischen Behandlungen lagen medizinische Unterlagen vor, dennoch wurde ein Abschiebeversuch unternommen. Er befindet sich weiterhin in Gefahr, abgeschoben zu werden."
Bereits im letzten Jahr sei ein junger Schwuler aus Albanien abgeschoben worden, so die Leipziger Initiative. "Auch er erlebte massive körperliche Gewalt und Freiheitsberaubung, es gab einen Mordversuch durch die eigene Familie. Die [albanische] Polizei informierte nach einer Anzeige die Täterpersonen der Familie und ergriff keine Schutzmaßnahmen für den jungen Mann, sodass die Gewalt weiter eskalierte" und eine "Zwangsverheiratung" versucht wurde. "Obwohl auch in diesem Fall eine Vielzahl von psychologischen und psychiatrischen Stellungnahmen einen langfristige Behandlungsbedarf darstellten, eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde und eine Reiseunfähigkeit attestiert wurde, kam es zur Abschiebung."
"Menschenverachtend und lebensgefährlich"
Diese Praxis, Menschen trotz vorliegender Bescheinigungen zur Reiseunfähigkeit abzuschieben, könne nur als "menschenverachtend und lebensgefährlich" bezeichnet werden, so das Queer Refugees Network. "Fachärztliche Stellungnahmen müssen durch das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge, die Zentrale Ausländerbehörde und die Ausländerbehörde der Stadt Leipzig angemessen beachtet und ggf. überprüft werden", fordern die Aktivisten.
"Zusätzlich fordern wir die Bundesrepublik Deutschland auf, im Fall von abgelehnten Asylgesuchen in anderen EU-Staaten vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, die Fälle aus humanitären Gründen zu übernehmen und das Asylgesuch erneut zu überprüfen", so das Netzwerk. Das im Zentrum Rosa Linde angesiedelte Projekt hatte schon mehrfach die deutschen Behörden kritisiert, etwa wegen der – zudem oft haarsträubend begründeten – Ablehnung von Asylanträgen schwuler Flüchtlinger aus Verfolgerstaaten wie dem Irak (queer.de berichtete). (nb/pm)