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Kulturschock
Serbien: Politik-Posse um "schwules" Kunstwerk mit Micky Maus und Donald Duck
Das serbische Kulturzentrum in Paris zeigte ein Werk mit zwei glücklichen Disney-Figuren – bis das Kulturministerium unter Mediendruck einschritt. Künstler und LGBTI-Aktivisten sind empört.

Mit diesem Anblick werden Passanten in Paris inzwischen nicht mehr konfrontiert
- 22. August 2018, 20:13h 3 Min.
Das serbische Kulturministerium hat die Entfernung eines Kunstwerks in einem Kulturzentrum in Paris verfügt, das zwei beliebte Disney-Figuren in einer ungewohnten, sexuell interpretierbaren Konstellation zeigte.
Die Skulptur unter dem Titel "Under the Rainbow" des Künstlers Milorad Stajcic ist Teil der Ausstellung "The End and the Beginning", die bereits seit 9. August im Centre Culturel de Serbie (KICK) zu sehen war. Nachdem serbische Medien Anfang dieser Woche davon Wind bekamen, war allerdings schnell das Ende der Präsentation von "Miki Maus" und "Paja Patak" in der intimen Pose gekommen.
Das 2009 entstandene Kunstwerk, das ursprünglich noch einen großen Regenbogen enthielt, der ein wenig den großen Regenbogen am Warschauer Erlöserplatz vorweg nahm, war von der Regierungseinrichtung direkt im Schaufenster gezeigt worden – während, wie Tabloids in der Heimat empört anmerkten, über der Eingangstür daneben ein berühmtes serbisches Fresko aus dem 13. Jahrhundert, der "Weiße Engel", für das Haus wirbt.
Kulturministerium hält Kunstwerk für "ungeeignet"
Viele Zeitungen sprachen von "skandalöser" und "unanständiger" Kunst, manche mit einem homophoben Unterton, der gerade in der Empörung in sozialen Netzwerken zu spüren war. Der Außenminister nannte das Werk angesichts des aufkommenden Wirbels "inakzeptabel" – bevor er be- und anmerkte, dafür nicht zuständig zu sein.
Das zuständige Kultusministerium gab schließlich bekannt, die Entfernung des Werks veranlasst zu haben. Man wolle nicht die Freiheit der Kunst einschränken, halte "einen solchen Inhalt aber nicht für geeignet für das KICK in Paris und für die Vertretung des Landes im Ausland." Das Werk habe für Aufregung in der serbischen Diaspora in Paris und in der Heimat geführt. Es gebe "genügend andere Räume für solche künstlerischen Provokationen", so das Ministerium, das zugleich bemüht war zu betonen, dass nur der Kurator der Ausstellung und der Künstler für das Werk verantwortlich seien. Das Ministerium hatte die Schau abgenickt, gibt aber an, dass das Regenbogen-Werk bei vorgelegten Dokumenten gefehlt habe.
Die eigene künstlerische Kommission des Ministeriums wies die Kritik an dem Kunstwerk empört zurück. Zum einen sei das Werk kein Schock für Paris, wo man Kunst und Vielfalt schätze und das Kulturzentrum direkt gegenüber dem Centre Pompidou für zeitgenössische Kunst liege. Auch werbe die – gut besuchte – Ausstellung für eine moderne Sicht auf Serbien und seine Künstler. Die Kritik mancher Boulevardblätter sei in Zeiten, in denen Massenmedien viel Expliziteres druckten und sendeten, überzogen – bei einem Kunstwerk, bei dem die Frage, ob Sex dargestellt werde, ohnehin im Auge des Betrachters liege.

Centre Culturel de Serbie / facebook Das Werk von der Innenseite des Kulturzentrums aus gesehen. Bild:
Irritiert zeigte sich auch das Gay Lesbian Info Centre. Die queere Organisation, die die überwiegend nationalkonservative Regierung unter einer lesbischen Ministerpräsidentin immer wieder kritisiert, forderte zur Rücknahme der "Zensur" auf, ansonsten werde man eine Klage wegen Diskriminierung gegen die LGBT-Bevölkerung einreichen. "Das serbische Kulturzentrum in Paris hat schon häufiger vermeintlich 'ungeeignte' Inhalte gezeigt, aber das Ministerium schreitet erstmals ein, wenn die Skulptur homosexuelle Elemente enthält", beschwerte sich die Organisation, die auch Künstler zur Solidarität mit Milorad Stajcic aufrief.
Etwas entspannter und ironisch gab sich der Künstler selbst. "Zensur hilft uns Künstlern", meinte Stajcic. "Die Entfernung geht in Ordnung, wenn ich bedenke, dass es sich um eine Gruppenausstellung von fünf Künstlern handelt und nun jemand anderes die Gelegenheit erhält, im Schaufenster ausgestellt zu werden." Allerdings war dem Künstler zu dem Zeitpunkt wohl gesagt worden, dass das Werk in einen hinteren Teil des Raumes und nicht ganz verschwinde. (nb)

Links zum Thema:
» Webseite des Künstlers
Wenn man die Demokratie nicht immer wieder verteidigt, ist sie irgendwann tot.