Papst Franziskus hat sich am Sonntagabend auf seiner Rückreise vom katholischen Weltfamilientag in Dublin erneut zum Thema Homosexualität geäußert, nachdem er von einem italienischen Journalisten gefragt wurde, was er einem Vater sagen würde, dessen Sohn schwul ist.
"Es hat immer Homosexuelle gegeben, Menschen mit homosexuellen Neigungen, immer", so der Papst. "Soziologen sagen – ich weiß nicht, ob es stimmt – dass in Zeiten von epochalen Änderungen einige soziale, ethische Phänomene zunehmen; das wäre eines davon. Das ist die Meinung einiger Soziologen."
Eltern von Kindern mit "dieser Tendenz" würde er sagen: "Erst beten, beten! Nicht verdammen. Den Dialog suchen, verstehen, dem Sohn oder der Tochter Platz schaffen, um sich auszudrücken." Weiter meinte der Papst, dass man auch auf das Alter schauen müsse. "Eine Sache ist, wenn es sich [die Homosexualität] in einem Kind zeigt. Es gibt viele Dinge, die man mit der Psychiatrie machen kann, um zu sehen, wie die Dinge sind. Etwas anderes ist es, wenn es sich ab dem Alter von 20 Jahren manifestiert."
Zugleich warnte der Papst davor, das Thema zu verschweigen. "Einen Sohn oder eine Tochter mit homosexuellen Tendenzen zu ignorieren, ist ein Mangel an Vaterschaft und Mutterschaft. Du bist mein Sohn, du bist meine Tochter, so wie du bist!" Wenn Eltern dem nicht gewachsen seien, sollten sie Hilfe suchen, aber mit dem Kind im Dialog bleiben. "Denn ein Sohn und eine Tochter haben ein Recht auf Familie und darauf, nicht aus dieser Familie gejagt zu werden. Das ist eine ernste Herausforderung."
Turbulenter Weltfamilientag in Dulin
Beim mehrtägigen Weltfamilientag selbst war der Papst nicht auf das Thema eingegangen, obwohl sich bei einem Treffen mit dem irischen Premier Leo Varadkar die Gelegenheit dazu geboten hatte. Bei gemeinsamen Ansprachen im Schloss von Dublin war der schwule Politiker am Samstag sogar auf die Frage eingegangen.
"Wir haben in unserem Parlament und per Referendum abgestimmt, um unsere Gesetze zu modernisieren", betonte Varadkar, "im Verständnis, dass Ehen nicht immer funktionieren, dass Frauen ihre eigenen Entscheidungen treffen sollten, und dass Familien in vielen Formen kommen, einschließlich derjenigen, die von einem Großelternteil, Alleinerziehenden oder gleichgeschlechtlichen oder geschiedenen Eltern angeführt werden". Der Politiker, der auch deutliche Worte zum Skandal um Missbrauch durch Priester verlor, traf sich später für rund zehn Minuten allein mit dem Papst und hatte angekündigt, dabei auch über LGBTI reden zu wollen. Als der letzte Papst Irland besuchte, Johannes Paul II. im Jahr 1979, war Homosexualität noch verboten; gerade in den letzten Jahren hatte das einst streng katholische Land viele gesellschaftliche Fortschritte gemacht.
Der Papst war bei dem Besuch mehrfach auf die Missbrauchsskandale eingegangen; er bat um Vergebung und traf sich mit Opfern. Am Wochenende erhob Erzbischof Carlo Maria Vigano, früherer Vatikan-Botschafter in den USA, zugleich den Vorwurf, Franziskus habe früh vom mutmaßlichen Missbrauch durch den US-Kardinal Theodore McCarrick gewusst und Sanktionen gegen diesen verhindert. Im Flugzeug nahm der Papst dazu keine direkte Stellungnahme; einige Stimmen werten die mit Rücktrittsforderungen gepickten Vorwürfe vorsichtig als Intrige.
Im Vorfeld und am Rande des Weltfamilientags hatten mehrere prominente Vertreter der Kirche versucht, den Missbrauchsskandal als Problem einer "homosexuellen Subkultur" innerhalb der Priesterschaft darzustellen (queer.de berichtete). So meinte auch der Churer Weihbischof Marian Eleganti, der Skandal "hängt mit Homosexualität zusammen", die er nicht "als ebenso wertvolle Variante der Schöpfung" ansehe wie die heterosexuelle Ehe (siehe Nachfolge-Bericht).
Im Rahmen eines offiziellen Programmpunktes beim Weltfamilientag hatte ein amerikanischer Jesuitenpriester, James Martin, einen 10-Punkte-Plan zum respektvollen Umgang mit LGBT vorgestellt – der Vortrag, der als solcher ein Novum darstellt und zugleich nicht mehr als eine einzelne Rede ohne Konsequenzen ist, fand reges Interesse und durfte stattfinden, obwohl erzkatholische Gruppen eine Petition dagegen gestartet hatten (queer.de berichtete).
Dem Global Network of Rainbow Catholics, einer Vereinigung von Gruppen homosexueller Katholiken, war von den Organisatoren des alle drei Jahre in unterschiedlichen Städten stattfindenden Weltfamilientags zugleich ein Infostand verweigert worden, auch wurden Bilder gleichgeschlechtlicher Paare aus offiziellen Broschüren zu dem Event nachträglich durch andere Bilder ersetzt.
Twitter / ScotCuthbertson | Der Papst wurde in Dublin auch mit Regenbogenflaggen empfangen – "ein Zeichen, wie sich Irland in nur wenigen Jahren verändert hat", kommentiert dieser Twitter-Nutzer
Update 20.05h: Vatikan zieht Aussagen zur Psychiatrie zurück
Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP sagte eine Papst-Sprecherin, die Aussage habe den Gedankengang des Papstes verfälscht. Mehr in diesem Artikel.