"Als wir noch klein waren, sagte man uns: 'Mach das, worauf du Lust hast. Was wünschst du dir? Wer willst du sein? Du musst es nur herausfinden. Dann wirst du glücklich. Aber so ist es nicht.'" So beginnt der neue Kurzfilm "Mein Anderer" des Projekts Queerblick.
In seinem Mittelpunkt steht Leo, der gerade sein Abi in der Tasche hat. Er ist selbstbewusst, zufrieden und schwul. Aber mit der Szene kann er nichts anfangen. Er geht lieber mit Heteros feiern und zwar am liebsten auf Technopartys. Das erhöht nicht gerade seine Chancen, einen Traumkerl kennenzulernen. Aber in einer Partynacht, auf die er eigentlich keine Lust hat, trifft er Markus. Der bringt seine Welt ins Wanken.
Der Techno-Club als verführerischer Schauplatz
Regisseur David Lange (Bild: queerblick)
"Mein Anderer" ist seit einer Woche online und wurde bereits mehr als 400.000 Mal angeschaut. Entstanden ist das 26-Miunuten-Video in einem Kurzfilmcamp zum Thema "Lust und Rausch", welches gerade in Zeiten von Chemsex – also Sex unter Einfluss von Substanzen wie Crystal Meth, Liquid Ecstasy oder Ketamin – besondere Relevanz in der Präventionsarbeit hat. Regisseur David Lange aber verortet das Thema nicht wie typisch in einem Schwulenclub oder bei einer Szeneclique, sondern in einem überwiegend heterosexuellen Techno-Schuppen
"Die Party- und Drogen-Szene, vor allem was Techno angeht, ist durch seine negative Konnotation hervorragend geeignet, um einen bedrohlichen und zugleich verführerischen Schauplatz zu bieten", sagt David Lange. "Er ist wie ein 'Abgrund', der einen hinab zieht aber hinein zieht ins Leben. Diese permanente Ambivalenz entspricht auch der inneren Zerrissenheit Leos, der Angst und Sehnsucht zugleich erlebt."
Leo gerät im Film in einen Strudel der Gefühle. Endlich erwachsen. Endlich ein neuer Lebensabschnitt. Das Abenteuer beginnt. Und so landet er letztlich bei seiner Partybekanntschaft Markus im Bett. Aber was ist in diesem Moment mit Safer Sex?
Risikobereitschaft durch unerfüllte Sehnsucht nach Nähe
Das schlechte Gewissen danach: Szene aus dem Film (Bild: queerblick)
"Ich glaube, dass bei der heutigen Präsenz des Themas HIV/ STI ein 'Vergessen' im eigentlich Sinn kaum möglich ist", so David Lange. "Der Gedanke an eine mögliche Infektion kann aber betäubt werden: Durch einen Rausch zum Beispiel oder durch unerfüllte Sehnsucht nach Nähe, die zu hoher Kompromissbereitschaft führt."
Oliver Schubert von der Aidshilfe NRW bestätigt dies: "In der Regel sind schwule Männer gut aufgeklärt. Chemsex wird aus unterschiedlichen Gründen praktiziert: Stressbewältigung, Abbau von Hemmungen oder Lustgewinn spielen dabei oft eine Rolle. Durch den Rausch ist die manuelle Anwendung von Kondomen oft erschwert. Andere Schutzsstrategien wie die PrEP können in solchen Situationen – wenn auch Nicht spontan – eine Alternative sein."
Für Leo kommt am Morgen nach dem One-Night-Stand das Erwachen. Der Rausch weicht den Sorgen über das, was letzte Nacht passiert ist. Aber wie damit umgehen? Diese Frage stellen sich auch viele Kommentatoren auf Youtube. Genau das soll der Film erreichen: Zum Nachdenken anregen über die Frage, wie ich mich in einer solchen Situation verhalten und wie ich mich schützen würde. (cw/pm)
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