Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder am Montag am Politischen Gillamoos in Abensberg und das "Argumente-Handbuch" seiner CSU (Bild: Screenshot, CSU / facebook)
Der Landtagswahlkampf in Bayern ist um eine homophobe Episode reicher: Die FDP machte am Dienstag ein bislang unbemerktes Dokument der CSU öffentlich, in dem diese "10 Gründe gegen die FDP in Bayern" aufführt. Den Liberalen wird etwa vorgeworfen, "Cannabis in unverantwortlicher Art und Weise" zu "bagatellisieren" oder "mit linksradikalen Multikulti-Fans gegen die Ordnung und Begrenzung der Zuwanderung" zu demonstrieren.
Die von der Abteilung "Marketing und Veranstaltungen" der CSU-Landesleitung verantwortete "Argukarte" setzt auch auf Homophobie: In einem Punkt werden gleichgeschlechtliche Paare indirekt als unnormal dargestellt und der Einsatz für sie in Konkurrenz zum Einsatz für heterosexuelle Familien gebracht:
9. Die FDP wertet die klassische Familie ab und wendet sich gegen die Mehrheit unserer Gesellschaft.
Nach dem Willen der FDP sollen sämtliche Lehrpläne angepasst und unseren Kindern offensiv gleichgeschlechtliche Partnerschaften als "normales" Familienmodell präsentiert werden. Das von der Mehrzahl der Menschen gelebte Modell der klassischen Familie mit Mutter, Vater und Kindern muss aber auch in Zukunft als solches vermittelt werden, ohne andere Formen der Familie zurückzusetzen.
Die FDP reagierte auf die Auflistung mit Spott: "Achtung: Die FDP will, dass schwule Ehepaare auch nach 20 Uhr legal Gras kaufen können", fasste Spitzenkandidat Martin Hagen in einer Grafik bei Twitter und bei Facebook die CSU-Warnungen als "schöne, wenn auch unvollständige Zusammenfassung unseres liberalen Programms" zusammen.
CSU gegen "Gender" und "Frühsexualisierung"
Wie sich später am Dienstag zeigte, ist aber nicht nur die FDP von den Tiraden der CSU betroffen – und die Abwertung von gleichgeschlechtlichen Paaren kein Ausrutscher: Auf einer Unterseite der Partei, csu.de/argumentationen, finden sich ähnliche Zehn-Punkte-"Argukarten" gegen die anderen Parteien. Der SPD wird etwa vorgeworfen, sie leide "an Genderwahn auf allen gesellschaftspolitischen Feldern". Den Grünen wirft die CSU vor, sie wollten "frühkindliche Sexualisierung in unseren Schulen": "Sämtliche Lehrpläne sollen mit dem Ziel deutlich erhöhter Sichtbarkeit aller Formen sexueller Vielfalt überarbeitet werden. An staatlichen Hochschulen soll die Geschlechter- und Genderforschung stärker gefördert werden."
Bei der Karte zur AfD fehlen entsprechende Vorwürfe, wohl weil Wehklagen über gleichgeschlechtliche Ehen oder die Diffamierung von sinnvollem und altersgerechten Aufklärungs-Unterricht als "Frühsexualisierung" zum Standardprogramm der Rechtsaußenpartei gehören. Bereits Ende November 2016 hatte sich die CSU von der AfD-Rhetorik inspirieren lassen und sich in ihrem neuen Grundsatzprogramm gegen "Frühsexualisierung", "Gender-Ideologie" und "jegliche Relativierungsversuche" der Ehe zwischen Mann und Frau ausgesprochen (queer.de berichtete).
Der jeweilige Punkt 9 aus den "Argukarten" der CSU. Den "Freien Wählern" wird unter dem Punkt stattdessen vorgeworfen, nicht "auf der Höhe der Zeit" zu sein, weil sie etwa bei Beschränkungen beim Familiennachzug von Asylbewerbern umgesetzte CSU-Politik forderten, der AFD das "billige Geschäftsmodell" der "Provokation", auf das "der linke Mainstream und Medien" empört reagierten
Die CSU-Landesregierung, die nach der Ehe-Öffnung im letzten Sommer gut neun Monate lang eine Klage in Karlsruhe gegen die Gleichstellung prüfen ließ (queer.de berichtete), ist auch kein Freund akzeptierender Schulaufklärung über LGBTI: 2016 hatte das Kultusministerium Pläne für eine angemessene Berücksichtigung des Themas im Unterricht nach einer Online-Petition der "Demo für alle" und nach einem Treffen des Kultusministers mit den Verantwortlichen zurückgefahren, nun ist etwa von "Toleranz und Respekt" statt von "Akzeptanz" die Rede (queer.de berichtete).
Die homophoben "Argukarten" der CSU finden sich derweil übrigens auch in einem ausführlicheren "CSU-Argumente-Handbuch" (PDF). In einem Grußwort betont Generalsekretär Markus Blume, die enthaltenen Aussagen sollten Wahlkämpfer "unterstützen, um für jede Diskussion inhaltlich optimal gerüstet zu sein". Das Handbuch enthält keine weiteren positiven oder informierenden Aussagen über LGBTI, ihre Partnerschaften oder über das Aufgreifen ihrer Themen im Unterricht.
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