Für die Zeitung sind trotz aller Zweifel die Fakten klar: Die Jugendlichen im Iran wurden als "Kinderschänder" gehängt.
Von Norbert Blech
Während sich die Szene in Deutschland über die Hinrichtung zweier Jugendlicher im Iran aufregt, freut sich "Bild" am Mittwoch auf der Titelseite: "Hier werden zwei Kinderschänder gehängt". Dafür gibt es die queer.de-Homogurke.
Der kurze Begleittext stellt als Fakt dar, die beiden jungen Männer seien zum Tode verurteilt worden, "weil sie einen 13jährigen Jungen entführt und vergewaltigt haben sollen." Diese vermeintliche Urteilsbegründung stammt jedoch nur aus einer Quelle, den "Iran News", die sich offenbar auf eine späte Behördenrechtfertigung stützen.
Andere Quellen aus dem Iran hingegen gehen nicht auf diesen Vorwurf ein, sprechen nur von dem Vorwurf einer homosexuellen Handlung, im Iran ebenfalls mit der Todesstrafe belegbar. Organisationen wie beispielsweise die International Gay and Lesbian Human Rights Commission, die britische Homogruppe Outrage, COC in den Niederlanden, die HOSI in Wien aber auch die iranischen Macher des Magazins "MAHA" halten die Vergewaltigungs-Argumentation für vorgeschoben oder bezweifeln sie aus unterschiedlichen Gründen (s. vorherige Berichte).
Aber "Bild" schmeißt alle berechtigten Zweifel einfach beiseite. "Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen", sagt dazu Ziffer Zwei des Pressekodex, der auch fordert, Nachrichten mit der "gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen". Ziffer Neun sagt: "Es widerspricht journalistischem Anstand, unbegründete Behauptungen und Beschuldigungen, insbesondere ehrverletzender Natur, zu veröffentlichen." In Ziffer Dreizehn, die sich mit der Vorverurteilung von eventuellen Straftätern befasst, heißt es unter anderem: "Vorverurteilende Darstellungen und Behauptungen verstoßen gegen den verfassungsrechtlichen Schutz der Menschenwürde, der uneingeschränkt auch für Straftäter gilt. Ziel der Berichterstattung darf in einem Rechtsstaat nicht eine soziale Zusatzbestrafung Verurteilter mit Hilfe eines 'Medien-Prangers' sein. Daher ist zwischen Verdacht und erwiesener Schuld in der Sprache der Berichterstattung deutlich zu unterscheiden." Das alles gilt jedoch vor einem gerichtlichen Schuldspruch, den "Bild" als erwiesen darstellt.
Zur Sorgfaltspflicht gehört sicher auch der Hinweis auf das Alter der vermeintlichen Täter. Als die beiden Jugendlichen inhaftiert wurden, waren sie sechzehn, zur Hinrichtung war noch mindestens einer der beiden Jungen minderjährig. Das macht, abgesehen von der unklaren Sachlage und dem Schüren der Kinderschänderhysterie, den eigentlichen Skandal des Berichtes aus: Er verherrlicht die Todesstrafe, auch für Jugendliche, stellt sie als gerechtfertigt dar.
Dabei ist die Hinrichtung das eigentliche Verbechen: Mehrere internationale Menschenrechtskonventionen schließen ausdrücklich jugendliche Straftäter von der Todesstrafe aus. "Zudem ist das Verbot inzwischen so weit anerkannt und respektiert, dass es zu einem Grundsatz internationalen Gewohnheitsrechts geworden ist", schreibt dazu amnesty international.
27. Juli 2005