Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz hat am Montag in einem Sommerinterview des ORF-Fernsehens erklärt, seine Regierung werde die Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs zur Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben im Ehe-Recht zwar akzeptieren, prüfe aber noch, "welchen Weg" man gehen könne. Der Chef der Koalition seiner christsozialen Volkspartei mit der rechtspopulistischen FPÖ nahm damit seit der Entscheidung der Höchstrichter Ende letzten Jahres erstmals öffentlich zum Thema Stellung.
"Wir leben in einem Rechtsstaat und da sind höchstgerichtliche Entscheidungen zu respektieren. Das tun wir auf jeden Fall. Und jetzt gilt zu prüfen, welchen Weg man gehen kann, der auch rechtskonform ist. Das diskutieren wir noch in der Regierung", sagte Kurz in dem im niederösterreichischen Rossatz aufgezeichneten Gespräch, das rund 800.000 Österreicher kurz nach 21 Uhr auf ORF 2 anschalteten.
"Man muss die Kirche gar nicht konsultieren"
Die Moderatoren Hans Bürger und Nadja Bernhard sprachen den Kanzler auch auf die Aussage seines rechtspopulistischen Stellvertreters Heinz-Christan Strache an, der vor einer Ehe-Öffnung mit der katholischen Kirche Gespräche führen will (queer.de berichtete). "Man muss die Kirche in der Frage gar nicht konsultieren", erklärte Kurz dazu. "Die Kirche tritt in dieser Frage sehr schnell an jeden direkt heran", auch an seine Partei. Natürlich gebe es einen "Dialog" mit der Kirche.
Justizminister Josef Moser, ein Parteifreund von Kurz, hatte Ende August erklärt, dass neben der Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben auch die eingetragene Partnerschaft für Heterosexuelle geöffnet werden solle (queer.de berichtete). Diese Thematik spielte auf persönlicher Ebene im Sommerinterview eine Rolle: Auf die Frage, ob der seit Jahren mit einer Frau liierte, aber unverheiratete Kanzler eher eine eingetragene Partnerschaft oder eine Ehe eingehen würde, antwortete Kurz leicht belustigt, dass er Katholik sei und "die meisten Heterosexuellen wahrscheinlich nicht die eingetragene Partnerschaft in Erwägung ziehen und wahrscheinlich viele Homosexuelle auch gern heiraten wollen". Ferner sagte der 32-Jährige: "Wenn ich heirate, werde ich es nicht über den ORF kundtun. Aber es wäre dann schon eine klassische Ehe."
Sowohl ÖVP als auch FPÖ hatten sich vergangenes Jahr im Wahlkampf gegen die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben im Ehe-Recht ausgesprochen, auch Sebastian Kurz als damaliger ÖVP-Spitzenkandidat (queer.de berichtete). Die Entscheidung der Höchstrichter, dass die Ehe geöffnet werden muss, wurde nur zwei Wochen, bevor die ÖVP/FPÖ-Koalition ihre Arbeit aufnahm, verkündet. Deadline für die Umsetzung ist der 1. Januar 2019.
LGBTI-Aktivisten sind weiter in Habachtstellung
Die Aussagen des Kanzlers gehen LGBTI-Organisationen nicht weit genug. Rechtsanwalt Helmut Graupner, der Chef des Rechtskomitees Lambda, äußerte auf Facebook die Vermutung, dass die Bundesregierung möglicherweise nach einem Weg suche, um die Gleichbehandlung herumzukommen: "Das schwammige inhaltslose Herumgerede des [Bundeskanzlers] samt Betonung, dass sie einen Weg suchen (!) (erkennbar gemeint: um die Ehegleichheit wieder abzuschaffen), der rechtskonform ist, deutet darauf hin, dass die Regierung genau das vorhat." Eine solche Einschränkung werde er aber nicht akzeptieren: "Nun ja, dann sehen wir einander eben wieder vor Gericht. Ich stehe bereit." (dk)
Genauso hat der oberste Gerichtshof das angeordnet und das wird so kommen müssen - egal ob es der Regierung, der Kirche oder wem auch immer passt oder nicht.
Punkt.