Einvernehmlicher Sex zwischen zwei erwachsenen Männern oder Frauen kann in Malaysia mit bis zu zwanzig Jahren Gefängnis und Stockschlägen bestraft werden – erst Anfang des Monats wurde ein lesbisches Paar in Kuala Terengganu mit je sechs Hieben gefoltert (queer.de berichtete). Das hinderte die Messe Berlin nicht daran, den südostasiatischen Staat zum offiziellen "Partnerland" der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) im kommenden Jahr zu küren.
Das Unternehmen, das sich zu 99,7 Prozent im Besitz des Landes Berlin befindet, hat mit der Homo-Verfolgung kein Problem: "Unsere Aussteller präsentieren sich auf der ITB Berlin ausschließlich über die touristischen Vorzüge ihrer Region. Sie betreiben keinerlei politische Werbung", teilte die Messe Berlin dem Nollendorfblog mit, das die fragwürdige Auswahl des "Partnerlandes" am Mittwoch erstmals thematisierte. Man setze sich "kontinuierlich und weltweit für Toleranz und gegen Diskriminierung ein", so die Veranstalter der weltweit größten Reisemesse. Aber: "Gleichzeitig verstehen wir uns als politisch neutrale Plattform der Reise-Industrie und respektieren die Souveränität unserer Aussteller und Partner."
Einhaltung "ethischer Minimalstandards" gefordert
Nun räumt Nollendorfblogger Johannes Kram selbst ein, dass es kaum Aussteller für die ITB gebe, wenn man dort Rücksicht auf die Menschenrechte nehmen würde, allerdings fordert er die Einhaltung "ethischer Minimalstandards". Es sei ein Unterschied, ob man nur Ausstellungsflächen zur Verfügung stellt oder sich zum Teil einer Agenda macht: "Wer als größte Tourismus-Show der Welt den Partner-Spot auf ein ganz bestimmtes Land richtet, nimmt nicht nur in Kauf, dass dieses Land besser scheinen wird als es ist. Er verpflichtet sich dazu, macht es zu seinem Ziel."
Kram erinnerte den rot-rot-grünen Senat und insbesondere Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), die im Aufsichtsrat der Messe Berlin sitzt, an den Koalitionsvertrag, der versprach, "Belange der LSBTTIQ*-Community national und international engagiert [zu] vertreten". Dieser Anspruch drohe "gerade zur Farce zu werden", kritisiert der Nollendorfblogger. "Denn ausgerechnet die Regenbogenhauptstadt Berlin will im nächsten Jahr einer Homo-Hölle dabei helfen, sich international als Paradies zu inszenieren."
Nicht das erste "Partnerland", das Homosexualität verbietet
Malaysia ist allerdings nicht das erste "Partnerland" der ITB, das Homosexuelle verfolgt. 2016 waren es die Malediven (bis zu vier Jahre Haft plus maximal hundert Stockschläge), 2017 wurde für Botswana geworben (bis zu sieben Jahre Haft) und für das Jahr 2020 wurde bereits Oman ausgewählt (bis zu drei Jahre Haft).
Immerhin versprach die ITB, zu der jedes Jahr auch ein Gay & Lesbian Travel Pavilion gehört, mit den Vertretern der Verfolgerstaaten über LGBTI-Rechte zu reden – zumindest falls die Community aktiv wird: "Wir sind im konstanten Austausch mit den Repräsentanten des jeweiligen Partnerlandes", heißt es in der Stellungnahme gegenüber dem Nollendorfblog. "Beschäftigt sich die Öffentlichkeit bzw. die Medien mit Themen wie Diskriminierung oder Verfolgung von Minderheiten, sprechen wir dies selbstverständlich im Dialog an."
Die ITB 2019 findet vom 6. bis zum 10. März statt.
Ich frage mich ohnehin, was es da im Jahre 2018 noch zu disktutieren gibt.
Das ist bewussste Zivilisationsverweigerung, für die die betreffenden Staaten auch wirtschaftlich gerade stehen müssen. Auch in der Tourismuswirtschaft.
Wie wäre es angesichts der neueren juristischen Entwicklung mit dem Partnerland Indien?