CSD-Teilnehmer demonstrierten vor zwei Jahren vor dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern für die Ehe-Öffnung – nach der Gleichstellung versucht die AfD, die Uhren wieder zurückzudrehen (Bild: CSD Schwerin / facebook)
Eine knappe Stunde lang debattierte der Landtag in Schwerin am frühen Freitagnachmittag darüber, ob die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern in Karlsruhe gegen die Ehe für alle klagen soll. Den Antrag (PDF) hatte die AfD-Fraktion gestellt, weil das Grundgesetz angeblich nur "die Verbindung von Mann und Frau" als Ehe vorsehe (queer.de berichtete). Doch während der Debatte ließen selbst die beiden müde wirkenden AfD-Redner Zweifel durchblicken, ob ihre Forderung nach einer sogenannten Normenkontrollklage überhaupt sinnvoll ist. Sprecher der anderen Fraktionen – darunter auch solche aus der CDU, die die Öffnung der Ehe einst abgelehnt hatten – wiesen das Anliegen als billiges Manöver zurück.
Den Antrag begründete der geschiedene AfD-Abgeordnete Horst Förster. "Erstmals in der Menschheitsgeschichte", so der pathetische Einstieg in seine Rede, sei die Ehe nicht mehr allein als Verbindung zwischen Mann und Frau definiert. Zwar gebe es einen Konsens, dass niemand wegen seiner Sexualität ausgegrenzt werden dürfe ("Dazu steht auch die AfD"), aber er sehe "erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken", wenn Homosexuelle sich das Ja-Wort geben. Der Jurist zelebrierte dabei auch die angeblich eigene Opferrolle, weil Gleichstellungsgegner wie er als "unzeitgemäß" angesehen werden würden.
Seine Argument für eine Klage: Die "Mütter und Väter des Grundgesetzes" hätten Ende der Vierzigerjahre allein die Ehe von Mann und Frau im Blick gehabt. Der Satz "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung" (Art. 6, Abs. 1) beziehe sich daher nur auf heterosexuelle Ehen, auch wenn es nicht ausdrücklich erwähnt werde. Außerdem habe die Rechtsprechung in der Karlsruher Vergangenheit immer wieder von der Ehe als Vereinigung von Mann und Frau gesprochen. Förster schränkte allerdings sein Argument selbst ein: So sei etwa die historische Auslegung "nicht zwingend geboten". Trotzdem sei seine Partei "von der Verfassungswidrigkeit überzeugt".
Förster: Heute heiraten Schwule, morgen gibt es Polygamie
Danach kam Förster auf die Gründe jenseits des Grundgesetzes zu sprechen, warum Homosexuelle nicht heiraten sollten: Die Ehe, so der 76-jährige ehemalige Richter, würde durch die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben einen "weiteren Schritt" in die "Beliebigkeit" gedrängt. Am Ende könnten dann auch "mehrere Ehefrauen" genommen werden, prophezeite der Rechtspopulist. Danach beklagte er den "Zeitgeist", rief dazu auf, die "Schöpfung" zu achten und ging zu einem der AfD-Lieblingsthemen im Kampf gegen LGBTI-Rechte über: die vermeintlich "staatlich verordnete Umerziehung" in Grundschule und Kindergarten. Am Ende der Rede attackierte er noch die "nach links gerückte" CDU.
Landesjustizministerin Katy Hoffmeister (CDU) stellte im Anschluss klar, dass die rot-schwarze Regierung nichts von dem AfD-Antrag hält: "Die Landesregierung ist dieser Auffassung nicht, und auch ich bin dieser Auffassung nicht", so die 45-Jährige. Sie verwies auf eine Expertenanhörung im Jahr 2015, in der die Mehrheit der Gutachter kein Problem mit einer einfachgesetzlichen Ehe-Öffnung hatte (queer.de berichtete). Außerdem habe Bayern eine Klage bereits geprüft, aber nach Einholung zweier Rechtsgutachten wegen geringer Erfolgsaussichten nicht weiter verfolgt (queer.de berichtete).
Hoffmeister erinnerte daran, dass sie selbst der Ehe für alle "skeptisch" gegenübergestanden habe – und noch im vergangenen Jahr im Landtag ebenfalls argumentiert hatte, dass für die Gleichbehandlung eine Grundgesetzängerung nötig sei (queer.de berichtete). Allerdings habe sich die "verfassungsrechtliche Diskussion inzwischen weiterentwickelt".
Der Linkspolitiker Peter Ritter beschuldigte als nächster Redner die AfD, dass es ihr gar nicht um die Verfassung gehe und rechtliche Bedenken nur "vorgeschoben" seien. Die Rechtsaußen-Partei habe nur eine "unmissverständliche Botschaft": "Die AfD will keine gleichgeschlechtliche Ehe". Dazu wolle sie "uns erklären, wie das Grundgesetz zu verstehen ist." Von "Frau und Mann" sei aber in Artikel 6 des Grundgesetzes keine Rede. Die Ehe sei dazu da, dass Partner füreinander Verantwortung übernehmen würden, so Ritter. Er wisse nicht, was die AfD daran störe.
"Überholte Moralvorstellungen"
Für die SPD argumentierte Martina Tegtmeier ähnlich: "Die Ehe für alle passt nicht in Ihr Weltbild", sagte sie in Richtung AfD. Die Auslegung des Grundgesetzes sei stets ein "Spiegel der Gesellschaft und der Zeit". Sie zitierte daraufhin ausführlich eine Stellungnahme des Jura-Professors Uwe Volkmann von der Uni Frankfurt, wonach die deutsche Verfassung "keineswegs als ein Schrein ewiger Wahrheiten" betrachtet werden dürfe. "Das Grundgesetz, um es auf eine ganz schlichte Formel zu bringen, ist nicht dazu da, die Probleme zu lösen, die man 1949 gehabt hat, schon gar nicht auf der Grundlage von der Geschichte ganz überholter Moralvorstellungen ", schrieb der Professor.
Mit Sebastian Ehlers nahm ein weiterer CDU-Politiker Stellung, der ursprünglich gegen die Öffnung der Ehe argumentiert hatte. Jetzt müsse man sich aber "den Realitäten stellen", so der Politikwissenschaftler. "Die Gesellschaft hat sich ein Stück weiter entwickelt." Als Demokrat müsse man eben demokratische Entscheidungen akzeptieren, auch wenn man sie selbst nicht mitgetragen habe. Sogar die bayerische Staatsregierung habe akzeptiert, dass ein Verfahren gegen die Ehe für alle keine Aussichten auf Erfolg gehabt hätte.
Den Abschluss der Debatte machte mit Rechtswissenschaftler Ralph Weber ein weiterer Homo-Gegner der AfD: Der 57-jährige Professor hatte bereits vergangenes Jahr für Empörung gesorgt, als er die namentliche Registrierung aller HIV-Positiven forderte (queer.de berichtete).
Der in selbst in zweiter Ehe verheiratete Politiker wiederholte "Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit" der Ehe-Öffnung und äußerte wie sein AfD-Vorredner die Sorge, dass mit der Ehe für Schwule und Lesben nicht Schluss sei: Das ehemalige CDU-Mitglied nannte allerdings anders als Horst Förster nicht mehrere "mehreren Ehefrauen" als mögliche Neuerung, sondern Ehen "zwischen Adoptiveltern und Adoptivkind" sowie bei "lange gewachsenen sonstigen Freundschaften". Ferner erklärte er: "Warum zwei? Warum nicht drei und vier Personen?" Weber behauptete, dass in Kürze Verfassungsklagen einer "Hippiekommune" anstehen könnten. "Deswegen warnt die AfD vor dieser Gleichstellung", so Weber.
Am Ende blieb die AfD aber die einzige Fraktion, die noch gegen die Ehe für alle klagen will. Alle anderen stimmten geschlossen gegen den Antrag.
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