Derartige Heimtests sind künftig auch in Deutschland erhältlich (Bild: DAH / Renata Chueire)
Der Bundesrat hat am Freitag einer Änderung der Medizinprodukteabgabeverordnung (PDF) zugestimmt und damit den Weg für den Verkauf von HIV-Selbsttests in deutschen Drogerien und Apotheken frei gemacht. Diese können voraussichtlich ab Oktober erworben werden. Schätzungen zufolge wird der Test zwischen 20 und 50 Euro plus Versand kosten. Damit sind sie teurer als Schnelltests von Ämtern oder Beratungsstellen, die manchmal auch kostenlos angeboten werden.
Die Initiative für die Legalisierung der Selbsttests hatte das Bundesgesundheitsministerium im Juni ergriffen (queer.de berichtete). Diese seien ein "Meilenstein beim Kampf gegen Aids", erklärte damals Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Mit den Selbsttests könnten auch Menschen erreicht werden, die sich sonst nicht testen lassen würden.
Die Deutsche Aids-Hilfe hatte sich in den letzten Jahren für die Einführung des HIV-Selbsttests eingesetzt und begrüßte die Entscheidung von Bundesgesundheitsministerium und Bundesrat. "Der HIV-Selbsttest wird zahlreiche Aids-Erkrankungen und HIV-Infektionen verhindern", erklärte DAH-Vorstandsmitglied Sylvia Urban. "Die freie Verfügbarkeit senkt die Hemmschwelle und ermöglicht so mehr Menschen eine frühe Diagnose und damit eine Behandlung. Unter Therapie ist HIV auch nicht mehr übertragbar."
13.000 Menschen wissen nichts von HIV-Infektion
Der Selbsttest könne so dazu beitragen, ein dringendes Problem zu lösen: Rund 13.000 Menschen in Deutschland wissen nach Schätzungen nichts von ihrer HIV-Infektion. Etwa die Hälfte aller HIV-Diagnosen in Deutschland erfolgt erst nach Jahren und damit laut DAH deutlich zu spät. Über 1.000 Menschen erkranken jährlich an Aids oder einem schweren Immundefekt, weil sie jahrelang nichts von ihrer HIV-Infektion geahnt hatten. Diese Erkrankungen seien mit einer rechtzeitigen Diagnose vermeidbar, so Urban. Studien aus Ländern wie Frankreich und Australien hätten gezeigt, dass Selbsttests mehr Menschen dazu motivieren, ihren HIV-Status zu checken.
Wichtig ist laut der Deutschen Aids-Hilfe, sich vor dem Test gut zu informieren. So kann der Test erst drei Monate nach dem letzten Risiko eine HIV-Infektion ausschließen. Positive Ergebnisse müssen mit einem weiteren Test in der Arztpraxis bestätigt werden. Liegt eine HIV-Infektion vor, sollte man sich so schnell wie möglich an eine darauf spezialisierte Praxis wenden.
Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass sich Menschen mit einem positiven Testergebnis in der Regel rasch in medizinische Versorgung begeben und Rat suchen. Behandelte HIV-Positive haben heutzutage praktisch die gleiche Lebensqualität und Lebenserwartung wie negative Menschen. Dramatische Überreaktionen wie Suizidversuche sind zuletzt ausgeblieben.
"Im Zweifel ein HIV-Test"
"Die wichtigste Botschaft lautet: Im Zweifel ein HIV-Test. Der Test sorgt für Klarheit. Bei einem positiven Ergebnis hilft die Beratung der Aidshilfen und der schnelle Zugang zu einer Behandlung wird möglich", betonte Urban. "Welcher Test am besten geeignet ist, kann jeder Mensch selbst entscheiden." Die DAH-Sprecherin erklärte aber auch, dass Selbsttests nicht alle Probleme lösen würden. Viele Menschen hätten etwa Angst, abgestempelt zu werden, wenn der Test positiv ausfällt. "Die wichtigste Maßnahme gegen Aids ist deswegen das Engagement gegen Ablehnung, Schuldzuweisungen und Diskriminierung. Wichtig ist auch die Botschaft, dass man mit HIV heute gut leben kann. Denn viele Menschen haben noch die Schreckensbilder alter Tage im Kopf und verdrängen das Thema deswegen", so Urban weiter.
Eine begleitende (auch anonyme) Beratung wird durch die Aids-Hilfen angeboten. Sie ist telefonisch, per E-Mail oder für schwule Männer auch im Live-Chat möglich.
Derartige Heim-Tests gibt es in anderen Ländern schon seit vielen Jahren. Sie konnten bislang in Deutschland auch aus dem EU-Ausland bestellt werden. Vor einigen Jahren hatte die Deutsche Aids-Hilfe derartige "Bettkantentest" aber abgelehnt, unter anderem weil diese für den Laien zum kompliziert zu bedienen seien eine "trügerische Sicherheit" bieten würden (queer.de berichtete). Nach den positiven Erfahrungen im Ausland bestehen diese Sorgen heute nicht mehr. (pm/dk)
Die Info gab's ja schon vor längerer Zeit, aber ich kenne mindestens zwei Fälle, in denen Leute, die dazu schon was bloggen oder posten wollten, von allerhöchster Stelle zurückgepfiffen wurden.
Offenbar gibt es zu manchen Dingen in diesem Land eine Informationshoheit. Manche Leute dürfen eben zu manchen Zeitpunkten etwas sagen, andere dürfen es nicht.