Der Landtag in Wiesbaden mit dem Logo des Wahlchecks (Bild: nb, hessen-waehlt-queer.de)
Mit wem wird es in Hessen in punkto Gleichstellung, Vielfalt und Respekt von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*, intergeschlechtlichen und queeren Menschen voran gehen oder wer steht für Ausgrenzung und Diskriminierung? Zur Landtagswahl am 28. Oktober 2018 haben der LSVD Hessen, Vielbunt, VelsPol und die LesBiSchwulen Lehrer_innen in der GEW Wahlprüfsteine erstellt und im Sommer an die Parteien verschickt. Inzwischen liegen die Antworten aller im Landtag vertretenen Parteien vor, die auf der Webseite hessen-waehlt-queer.de im Detail veröffentlicht wurden.
Alle befragten Parteien bekennen sich demnach zum 2017 verabschiedeten Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt. Mit ihm habe "die CDU-geführte Landesregierung ein klares Signal gesendet, dass wir jeglicher Form von Diskriminierung – gerade auch auf Grund der sexuellen Orientierung eines Menschen – entschieden entgegentreten", betont etwa die CDU, die eine Fortschreibung ebenso verspricht wie Nachjustierungen, "wenn dies erforderlich scheint". Die Grünen wollen die gemeinsame Entwicklung des Plans mit der Community fortsetzen, wie es auch die Oppositionsparteien SPD, FDP und Linke versprechen.
Hessen wird seit 2013 von Schwarz-Grün unter Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU, l.) regiert. Der SPD-Herausforderer Thorsten Schäfer-Gümbel liegt in Umfragen zu Partei und Amt abgeschlagen. Bilder: Martin Kraft / wikipedia
Nachdem die Regierung zusätzlich beschlossen hat, 2018 und 2019 vier Beratungsstellen für LGBTI mit 500.000 Euro zu unterstützen, versprechen Grüne, SPD und Linke eine Weiterführung der Förderung. Die Linke will mehr regionale Beratungsstellen; die Union lobt den "wichtigen Beitrag" der Stellen, lässt aber unklar, ob die "Förderung in dieser historisch besonderen Höhe verstetigt wird".
CDU warnt vor "Frühsexualisierung" an Kitas
Viel Streit in Hessen hatte es um Schulaufklärung über LGBTI gegeben, dank Falschinformationen und Protesten von "Demo für alle" und "AfD". Zu dem im 2016 verabschiedeten Lehrplan enthaltenen Aufklärungsziel bekennt sich in der Antwort an die Wahlfragen der queeren Verbände auch die Union, obwohl sie in ihrer recht allgemeinen Antwort sehr auf die Einbeziehung von Eltern eingeht und nicht näher auf die Frage antwortet, wie sie eine als "schleppend" empfundene Umsetzung des Lehrplans erfolgreich gewährenleisten will.
Der grüne Koalitionspartner geht in seiner Antwort näher auf die Situation und den Alltag von Kindern und Jugendlichen ein und verspricht: "Wir werden uns auch weiterhin dafür stark machen, dass der Lehrplan in den Schulen behutsam und altersgerecht umgesetzt wird." Die SPD fordert eine Ausweitung unter anderem von Lehrerfortbildungen und der Förderung von Schulaufklärungsprojekten, die FDP mehr konkrete Unterstützungen für Schulen und auch die Linke will mehr Fortbildungen und Evaluierungen.
Eine von mehreren Kundgebungen der "Demo für alle" in Wiesbaden gegen Schulaufklärung über Homo- und Transsexualität, hier im Oktober 2016. Bild: nb
Eine Aufklärung in Kindertagesstätten lehnt die Union hingegen ab – mit den gleichen "Argumenten" und Kampfbegriffen, mit denen "Demo für alle" und AfD den aktuellen Lehrplan ablehnen: "Für den Bereich der Kindergärten, in dem Kinder bis sechs Jahre betreut werden, sehen wir kein Erfordernis, speziell auf LSBT*IQ-Themen einzugehen. Der Schutz der Kinder vor einer Frühsexualisierung und die Vermittlung allgemeiner Normen und Werte im gegenseitigen Umgang miteinander stehen hier im Fokus." Zu den Normen gehörten Akzeptanz und Toleranz, so die Partei. "Der Kindergarten ist für die CDU Hessen aber sicher nicht der Ort, an dem man Kinder mit den unterschiedlichen sexuellen Vorlieben und geschlechtlichen Identitäten von Erwachsenen konfrontieren solle."
Die Grünen wollen hingegen ein Klima schaffen, in denen sich "Kinder und Jugendliche, die lesbisch, schwul, trans* oder Teil einer Regenbogenfamilie sind", angenommen und akzeptiert fühlen können, und fordern unter anderem eine Aufklärung von Fachkräften in Kitas, Schulen und der Kinder- und Jugendhilfe und die weitere Förderung von Gruppen wie SCHLAU. Auch SPD, FDP und Linke treten allgemein für umfassende Fortbildungen und Sensibilisierungen ein – ein Bereich, bei dem die Union meint, dass es "keine Lücken" mehr gebe.
CDU: Kindeswohl am besten bei Vater und Mutter gewährleistet
Auf die Bremse tritt die Union auch bei gezielten Unterstützungen von Regenbogenfamilien, während die Grünen ein Regenbogenfamilienzentrum einrichten wollen. Die Union spricht sich auch gegen eine Modernisierung des Familienrechts aus (konkret gefragt wurde nach der fehlenden automatischen Anerkennung zweier Ehefrauen als Mütter): "Das Kindeswohl ist aus Sicht der CDU Hessen am besten in einer Familie mit Vater, Mutter und Kindern gewährleistet", meint die Partei, die auch eine Leihmutterschaft ablehnt.
Während die SPD knapp antwortet, auf Bundesebene ein "vollständiges Adoptionsrecht" anzustreben, wollen die Grünen die "rechtlichen Möglichkeiten für Mehreltern-Konstellationen" ausbauen, die hier auch mehr als zwei Erwachsene betreffen sollen. Auch fordert die Partei, "dass im Bund die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung lesbischen Frauen in gleicher Weise wie heterosexuellen Frauen offen stehen muss." Die Linke fordert ein Ende von Diskriminierung und letztlich eine Modernisierung des Rechts im Sinne von "Wahlverwandtschaften", die FDP "volles Adoptionsrecht und freien Zugang zur Reproduktionsmedizin".
Auch die übrigen Wahlprüfsteine aus insgesamt 13 Themenbereichen zeigen vor allem Unterschiede zwischen der Union und den übrigen Parteien. So meint die CDU, es sei nicht der Fall, dass trans- und intergeschlechtliche Personen durch eine Richtlinie vom Polizeidienst ausgeschlossen seien, während die anderen Parteien samt Koalitionspartner eine Änderung der Richtlinie wollen. Die Union lehnt eine "Zusammenarbeit" mit Anbietern von "Umpolungstherapien" ab, während die anderen Parteien ein Verbot der Behandlungen befürworten. Auch bei der Einbeziehung von Homo- und Transsexuellen in den Antidiskriminierungs-Artikel des Grundgesetzes veweigert lediglich die Union einen entsprechenden Einsatz.
Bei Fragen nach dem Schutz queerer Flüchtlinge ist die Linke die einzige Partei, die das Konzept "sicherer Herkunftsstaaten" ablehnt, während die Union ausdrücklich eine Ausweitung auf Tunesien, Algerien und Marokko sowie Georgien befürwortet. Die Grünen erkennen manche Probleme in der Praxis, die SPD setzt auf Einzelfallprüfungen und die FDP fordert "eine(n) Sonderbeauftragte(n) für LSBTI beim BAMF" und eine Sensibilisierung der Mitarbeiter.
AfD vor Landtags-Einzug
Die queeren Wahlprüfsteine bieten keine Antworten der AfD. Der homo- und transfeindlichen Partei wird in Umfragen zwischen 11 und 14 Prozent und damit der erstmalige Einzug in den Landtag vorausgesagt; 2013 hatte die frisch gegründete Partei 4,1 Prozent geholt.
"Jeder Sexualkundeunterricht muss auf den christlichen Wurzeln unseres Landes basieren", betont die Partei in ihrem Landeswahlprogramm. "Die Vater-Mutter-Kind-Konstellation muss als Keimzelle unserer Gesellschaft erhalten bleiben." Es sei ein "unvereinbarer Verstoß gegen das Indoktrinationsverbot, wenn Kindern die Akzeptanz vielfältiger sexueller Verhaltensweisen vermittelt und insbesondere Homosexualität und andere sexuelle Orientierungen (LSBTTIQ) als gleichwertige Erscheinungsformen menschlicher Sexualität dargestellt werden, noch dazu, wenn sie gleichberechtigt neben der gesetzlich geschützten Ehe stehen sollen." Der aktuelle Lehrplan mit "Frühsexualisierung" und "Gender-Ideologie" müsse "aus moralischer und verfassungsrechtlicher Sicht umgehend zurückgezogen werden".
Motive der AfD Hessen bei Facebook aus den letzten Wochen
Auch eine "Infragestellung des eigenen Geschlechts" in der Schule lehnt die AfD im Wahlprogramm ab, "Lehr- und Lehrbuchinhalte" sollten sich "vorrangig an der Lebenswelt der Mehrheit orientieren". Die Partei beschreibt ein Familienbild aus "Vater, Mutter, Kindern" – bei einer Wahlkampfveranstaltung Mitte August in Wiesbaden hatte die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch unter Applaus angekündigt, die Ehe für alle wieder abschaffen zu wollen. (nb)
Podium zur Landtagswahl in FrankfurtAm Dienstag, den 25. September, veranstaltet die Aids-Hilfe Frankfurt ein Kandidatenforum zur hessischen Landtagswahl. Teilnehmen werden Dr. Arijana Neumann (SPD), Kai Klose (Landesvorsitzender Grüne), Magdalena Depta (Die Linke), Rolf Würz (FDP), N.N. (CDU). Bei dem Podium werden Themen besprochen, die "Angehörige der LSBT*I-Community, Drogen gebrauchende Menschen und Migrantinnen und Migranten betreffen". Der Eintritt ist frei und steht allen Interessierten offen.
"Dein Land. Deine Community. Deine Fragen."
Dienstag, 25. September 2018, 19.00 Uhr
Tagestreff bASIS, Lenaustraße 38, 60318 Frankfurt a. M.
Mehr Infos
Was haben die nicht nach der letzten Wahl erzählt, sie "hätten verstanden", es "dürfe kein Weiter So" geben, etc.
Aber jetzt machen sie doch genauso weiter wie vorher. Wieder mal haben sie von den zahlreichen LGBTI-Versprechen, die sie vor der Wahl gemacht haben, kein einziges gehalten.
Damit wir uns nicht falsch verstehen:
Kompromisse einzugehen ist in Koalitionen normal. Aber ein Kompromiss wäre es, nur einen Teil der Versprechen halten zu können, aber nicht alle Versprechen komplett aufzugeben.