28 Kommentare
- 30.09.2018, 07:12h
- Man mag ihr ja anrechnen, also Rowling, dass sie außerhalb dieses Universums eine respektable Person dazu gebraucht hat, zu provozieren und sich mit ein paar evangelikalen Christen anzulegen.
Nur:
Wenn man sich anhand Snapes Charakter, bei dem tatsächlich Andeutungen und Hintergründe da waren, mal ansieht, wie geschickt sie darin ist, die Story von vornherein so aufzubauen, dass zweites anschauen oder auch bloß zweites Sehen der Filme eine ganze Menge "aha"-Momente produziert, bei denen man plötzlich Dinge besser versteht, wird einem ebenso bewusst, dass Dumbledores vorgebliche Homosexualität etwas hochgradig Nachgeschobenes ist, das eben gerade solche Momente NICHT produziert.
Wahrscheinlich wollte sie der Community ursprünglich einen Gefallen damit tun. Im Moment kann man es wohl bloß noch unter "Queerbaiting" verbuchen, und es vermiest mir ganz ehrlich den Spaß an diesem Universum, dass nicht einfach zugegeben wird, dass das bloß ein PR-Gag sein sollte. Solange Dumbledore weiter als homosexuell bezeichnet wird, ist die ganze Umsetzung, die darauf angelegt ist, das Ganze mit Riesenabstand zu vermeiden, leider eine bloße Erinnerung an die unglaubliche Homophobie des Systems.
Mir kann einfach keiner erzählen, wenn's denn eine Frau wäre, die da ein berühmter Gegenspieler wäre, zu dem mal eine Beziehung bestand, dass irgendein Regisseur darauf verzichten würde, diese Geschichte emotional darzustellen, zu zeigen und auszuschmücken.
Lasst euch doch einfach nicht verkohlen von der billigen Werbung. Das war von vornherein ein Fake mit wenig dahinter, und wie man jetzt sieht, eben derart wenig dahinter, dass es nichts zu zeigen und nichts zu erzählen gibt. Selbst wenn das erste 5-Sekunden 'Outing', das hier obendrein noch zweideutig ausfallen wird, so kurz und knapp ist, dass es niemandem auffallen wird und ggf. sogar wegdiskutierbar ist, wenn man's da nicht zwanghaft reininterpretiert.
Eben gerade so, dass man es Russland noch als "er begehrt eben, dass er erwischt wird, nicht, mit ihm zusammen zu sein" verkaufen kann, damit der Film dort nicht zensiert wird. Ich bezweifle nämlich, dass dieses Bild im Spiegel eindeutig darauf hinweisen wird, dass es da um Sexualität und Begehren im partnerschaftlichen Sinne geht - und so wird sich die Queerness darauf beschränken, dass man noch viel Interpretation hinzufügen muss.
Wer sich mal kurz eine Welt vorstellt, unsere reale Welt, als einen Ort, an dem Homosexualität voll okay und normal wäre, dem müsste sich das als die Farce aufdrängen, die es ist. Autoren sagen Dinge, die sie wirklich sagen wollen und für sagbar halten, dementsprechend auch IN ihren Geschichten und erzählen sie über ihre Geschichten, und stellen sich nicht außerhalb von allem, was Fans mitbekommen, vor eine Gruppe Menschen und erzählen da Dinge, die sich dann so gar nicht wiederfinden lassen.
Wenn man es ernst meinte, wäre die ganze Geschichte anders aufgebaut. Aber wie das in der Mainstream-Fantasy halt ist - da darf es sowas einfach nicht geben. Bei den Bösen, einem gar nicht schwulen Joker beispielsweise, da ist ein bisschen queer-acting okay, weil: ein Faktor dabei, den Leuten zu vermitteln, dass die Figur ganz und gar daneben ist. Einer von den Guten, angesehen und schwul, das geht dagegen eben gar nicht.
Könnten ja Kinder zugucken. - |
- 30.09.2018, 07:53h
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Kann man mal sehen, wie die Geschmäcker sich unterscheiden: Seit ich in der Umsetzung im Wesentlichen einen Praxiskurs darin sehe, wie man LGBT aktiv und zwanghaft aus allem herauszuhalten versucht, habe ich auf diese Vera***e einfach keine Lust mehr.
Mir wär's lieber gewesen, wenn man auf diese Fake-Homosexualität verzichtet hätte, dann wäre es uns zumindest erspart geblieben, allzu deutlich vorgeführt zu bekommen, was uns nicht zusteht: Geschichten, die so gut und groß gemacht sind, dass sie sich an den Mainstream verkaufen, und in denen man sich als Minderheit trotzdem wirklich gut wiederfindet, und zwar in einer Rolle, die auf menschlicher Ebene ernstzunehmen ist.
Wer mir so klar vorführt, dass er auf meine Sympathiepunkte lieber verzichtet, weil ich nunmal verstehen müsse, dass die heterosexuelle Mehrheit sich an mir und meinesgleichen stört, bzw. weil die vermutete Mehrheit sich zu wenig wiederfinden würde, wenn mir die Gelegenheit geboten würde, und mir entsprechend Geschichten vorenthält, in denen sowas wie ich vorkommt, der wird mehr als ein gequältes und wenig ehrliches Lächeln dafür nicht mehr bekommen. Und mein Eintrittsgeld im Kino schon gar nicht.
Wenn es halt so wichtig ist, Eintrittsgelder auch aus Russland zu bekommen, und man sich daher moralisch nunmal sehr weit unten orientieren muss, dann kann ich darauf verzichten.
Richtig sauer macht mich das im Wesentlichen deswegen, weil ich dieses Universum mal sehr gerne mochte. Bevor die Menschen, die es darstellen, angefangen haben, mir zu demonstrieren, dass sowas wie ich darin nichtmal erwünscht ist, wenn es um gerade das geht, was ja das Provokante daran war, ausgerechnet Dumbledore für schwul zu erklären: Dass die queere Minderheit mal nicht drogenabhängig und kaputt ist, sondern eine moralisch positiv besetzte Figur, die es im Leben zu etwas gebracht hat.
Wenn man sich den Einfluss der Medien mal ansieht, kann man mEn schon die Frage stellen, woher denn ein positiv besetztes Bild von queeren Personen bitte kommen soll, wenn Regisseuren selbst innerhalb des queeren Kontexts meistens nichts anderes einfällt als die Rolle des kaputten Opfers. Bzw. wie zwanghaft man verschwinden und unsichtbar sein muss, wenn die Queerness mal kein "aber" im Gegensatz zum moralisch Guten sein müsste.
Hat mich ganz ab davon auch bei der Umsetzung von Anne Rices Universum schon gestört: Während ich "Interview mit einem Vampir" als Film wahrscheinlich gerade deswegen so gern mochte, weil die Beziehung zwischen Louis und Lestat da sichtbar ist, und zwar eben als komplexe Beziehung, haben sie es bei der "Königin der Verdammten" auf einmal fertiggebracht, Lestat eine heterosexuelle Beziehung zu einer Person aufzudrücken, während die ursprünglich sehr wohl auch homoerotische Beziehung zwischen ihm und seinem "Erschaffer" Marius (die Anführungszeichen, weil er das im Buch nicht ist) komplett unter den Tisch fällt.
Die älteren Stories aus Anne Rices Vampirreihe haben überhaupt häufiger eine sehr selbstverständliche Homoerotik in sich, weil Rice als weibliche Autorin eben damit aufgewachsen sein dürfte, dass es selbstverständlich und okay ist, sich für Männer zu interessieren - eine Selbstverständlichkeit, die ich als f2m-Transgender bei schwulen Cissen manchmal vermisse, wo mir die Verklemmtheit teilweise sehr leid tut, und wobei ich mir denke, dass "ihr" da vielleicht einiges von unsereinem lernen könntet. Diese Selbstverständlichkeit spiegelt sich in ihren Büchern so oft und deutlich wieder - und selbst da schaffen sie es, das für ein Mainstream-Publikum im Film umzudrehen. Lächerlich, sowas.
Statt einen Film für die Fans zu machen, die vielleicht an den Büchern gerade diesen Bruch mit geltenden Normen mochten.
Sollte man sich wünschen, der Gegner wäre schwul und Dumbledore hetero und nicht interessiert? Ehrlicherweise würde es in Rowlings Universum besser passen, das von Grund auf heteronormativ aufgebaut ist. Das hätte uns dann wahrscheinlich keine positiven queeren Momente gebracht, bei denen wir das Gefühl hätten, zu den Guten gehören zu dürfen, oder, was evtl. noch schlimmer wäre, möglicherweise gar zu den Gewinnern. Aber gesehen hätte man gerade deswegen dann wohl deutlich mehr davon. - |
- 30.09.2018, 12:15h
- ich mag das ganze universum immer noch ansonsten sehe ich das aber genauso.
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- 30.09.2018, 12:53h
- Was soll die Erregung über versteckte Andeutungen. Normalzustand ist erst erreicht, wenn Roman- und Filmfiguren schlicht allgemein erkennbar schwul sind und darum kein Bohei gemacht wird. Davon sind wir leider weit entfernt.
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- 30.09.2018, 12:54hTauroa Point
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""dass es selbstverständlich und okay ist, sich für Männer zu interessieren - eine Selbstverständlichkeit, die ich als f2m-Transgender bei schwulen Cissen manchmal vermisse, wo mir die Verklemmtheit teilweise sehr leid tut, und wobei ich mir denke, dass "ihr" da vielleicht einiges von unsereinem lernen könntet.""
Es wäre eine schöne Vorstellung, wenn einmal eine solche Zeit wahr würde.
Ich bin damit aufgewachsen, dass es alles andere als selbstverständlich ist, sich als Mann für Männer zu interessieren. Bei uns war das des Teufels Verführung, verboten und verdammt, pervers, abfällig, irregeleitet, vom rechten Weg weg, geisteskrank und bei dem Kerl mit dem irren Blick und dem kleinen Schnäuzer wäre man selbstverständlich deshalb vergast worden. Das durfte man sich schon aufgrund verhältnismäßig getarnter Hinweise aufs Anderssein anhören.
Wie soll sich Vielfalt und Naturvarianz auch in Mainstream-Geschichten spiegeln, wenn die überragende Mehrheit sich immer wieder den Cis-Frau + Cis-Mann-Kuss wünscht, selbst wo es phantastische Spezies sind, wo doch Geschlechtervarianten ein beispielhafter Weg wären, um Vielfalt zu zeigen?
Grade bei Vampiren, wo Bisexualität oder Homo-Erotik an sich von Anfang an mit reinspielen.
Aber versuch mal, so ein Buch zu veröffentlichen, in dem mehr als 3 Geschlechter vorkommen, plus Asexuelle, Sapioromantikerinnen, und wo Aliens wenigstens 6 Geschlechter benötigen, um sich fortpflanzen zu können. Da wird man in der Landschaft stehen gelassen, wie mit der Geschichte über "Gay City" oder "Forbidden Love" damals 80er.
Selbst bei Startrek reisten die lange genug durch Aberxilliarden von Lichtjahren Raum, um am anderen Ende des Paralleluniversums Mann Frau oder Frau Mann küssen zu sehen.
Wenn man selbst in den phantastischsten Gedankenwelten nicht vorkommen darf, ja, da ist die Vision leider arg begrenzt. Das spiegelt wiederum zurück in die reale Lebenswelt, wo man Leute wie Dich oder mich zum größten Teil auch nicht wahrnehmen will, es mit mehr oder weniger Zurückhaltung und aus nicht ganz so überzeugender Höflichkeit aber auch schon mal tut.
Vielleicht ja in so 50 Jahren mal, und Bisexualität ist der Kompromiss oder die sanfte Hinführung, oder so etwas. - |
- 30.09.2018, 13:36h
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"wenn Roman- und Filmfiguren schlicht allgemein erkennbar schwul sind"
wann ist man denn "schlicht allgemein erkennbar schwul"? Viele, die schwul sind, sind nicht schlicht allgemein erkennbar schwul. - |
- 30.09.2018, 13:36h
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"Selbst bei Startrek reisten die lange genug durch Aberxilliarden von Lichtjahren Raum, um am anderen Ende des Paralleluniversums Mann Frau oder Frau Mann küssen zu sehen."
ähm... höchstens Zehntausende Lichtjahre ;-) :-P
Der Witz hierbei ist ja, dass dies nicht heterosexuell sein kann, da Menschen eine andere Spezies küssen...aber diese Denkleistung ist für Otto-Normal-Zuschauer zu hoch. - |
- 30.09.2018, 14:17hHannover
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""Viele, die schwul sind, sind nicht schlicht allgemein erkennbar schwul.""..
Das hat verschiedene Gründe..
Der eine kann sein, Du schaust gar nicht richtig hin..
Ein anderer Grund wäre dann, Dein Radar ist einfach kaputt..
Ein Dritter Grund, Du bist selbst kein Schwuler Mann, und deshalb fallen Dir dann auch Schwule Männer einfach nicht auf.. - |
- 30.09.2018, 14:25hHannover
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""um am anderen Ende des Paralleluniversums Mann Frau oder Frau Mann küssen zu sehen.""..
Ich habe den Satz so verstanden, daß die Reisenden beim Hinschauen von außen die eigenen Kategorien auf die anderen Spezies stülpen..
Exakt übrigens das Problem vieler Heten, die aus ihrer Verdummbibeltheit oder auch anderem erlerntem Unfug heraus in Homo-und Trans*phoben Unsinn verfallen.. - |
www.youtube.com/watch?v=-QbDyJNSano