Unzählige Christen führen ein Doppelleben: Nach außen passen sie sich an, lassen sich nichts anmerken, nicken und schweigen, wann immer es um Liebe geht. Aber tief in ihrem Inneren wissen sie: "Für meine Gemeinde darf es mich eigentlich nicht geben." Denn sie sind zwar gläubig – aber nicht heterosexuell. Aus Angst, abgelehnt und ausgegrenzt zu werden, schweigen sie über ihre innersten Gefühle.
Jetzt brechen 25 von ihnen ihr Schweigen: junge und alte Menschen, Männer und Frauen, Singles und gestandene Eltern aus Deutschland und der Schweiz. In einem Buch mit dem Titel "Nicht mehr schweigen" erzählen sie davon, wie es ist, nicht sein zu dürfen, von der Sehnsucht, endlich anzukommen und dem langen Weg zu sich selbst. Sie stehen exemplarisch für viele queere Menschen in christlichen Kirchen und Gemeinden.
"Die Stimmen müssen gehört werden"
Fünf kirchennahe Verlage zeigten sich zunächst vom Manuskript begeistert – doch alle zogen kurz darauf zurück. "Man kann davon ausgehen, dass sie Angst haben, ihre Stammleserschaft durch die offenen Statements zu verschrecken", vermutet Herausgeber Timo Platte.
"Doch die Stimmen müssen gehört werden", sagt er und wird jetzt das Buch mithilfe einer Crowdfunding-Kampagne auf den Markt bringen – vorbei an den etablierten Verlagsstrukturen. Unterstützt wird er dabei von einem kleinen Team aus freien Journalisten, Lektoren und Videografen sowie vom Verein Zwischenraum, der sich seit vielen Jahren für die Belange von queeren Christen einsetzt.
So soll das gedruckte Buch einmal aussehen
"Wir brauchen in der Kirche einen Umgang mit dem Thema, in dem es um Menschen geht – und nicht um theologische Streitigkeiten", fasst Platte das Anliegen des Buchprojekts zusammen. "Es gibt verschiedene Sichtweisen zu dem Thema und die Unterschiede werden so schnell nicht verschwinden. Aber durch Ablehnung leiden Menschen. Ich wünsche mir, dass die Schicksale in diesem Buch ein wertschätzendes Miteinander und einen neuen Dialog ermöglichen", so der Herausgeber.
Und das sehen offensichtlich auch zahlreiche andere Menschen so: Die Crowdfunding-Kampagne hat in den ersten 24 Stunden bereits 60 Prozent der ersten Fundingschwelle erreicht. Die Kampagne läuft noch bis zum 6. November. (cw/pm)