Thomas Ehrhorn warnt vor der "totalen Gleichbehandlung"
Ein paar Stunden, nachdem der Bundestag einen AfD-Antrag auf Abschaffung der gleichgeschlechtlichen Ehe debattierte, beriet er am Donnerstag kurz vor Mitternacht noch ein eigentlich wenig kontroverses 39-seitiges Begleitgesetz zur Ehe für alle (PDF). Laut dem Bundesjustizministerium von Katarina Barley (SPD) dient es dazu, "die einheitliche Umsetzung der Umwandlung von Lebenspartnerschaften in Ehen zu gewährleisten, Unklarheiten zu beseitigen und nicht mehr erforderliche Regelungen aufzuheben".
Die AfD kaperte die Debatte mit ihrer bislang homofeindlichsten Rede im Bundestag. Der niedersächsische Abgeordnete Thomas Ehrhorn ging mit keinem Wort auf den Gesetzentwurf ein, sondern führte aus, wie schlimm die Welt sei, wenn Schwule und Lesben heiraten können.
"Vorboten einer degenerativen Geisteskrankheit"
Der "Wille zum Selbsterhalt" mache den Menschen aus, referierte der 59-Jährige – nicht nur für Individuen, sondern auch für eine Gesellschaft. Jede "gesunde Gesellschaft" strebe zunächst einmal den eigenen Fortbestand an. Dann holte der AfD-Politiker aus: "Die Hoffnung auf den eigenen Volkstod, der Wunsch 'Deutschland verrecke' jedenfalls, ist weltweit einmalig und vielleicht müssen wir uns einmal fragen, ob wir es hier nicht mit den Vorboten einer degenerativen Geisteskrankheit zu tun haben."
Für den Fortbestand der Nation sei eine "ausreichende Zahl von Nachkommen" notwendig. "Genau deshalb haben sich die Väter des Grundgesetzes entschlossen, der Ehe zwischen Mann und Frau eine besondere Bedeutung beizumessen, sie herauszuheben und zu fördern." Damit spielte Ehrhorn auf die von der AfD weiter gepflegte Legende an, wonach im Grundgesetz ein verstecktes Eheverbot für Schwule und Lesben enthalten ist.
AfD über Homosexuelle: "Immer eine Minderheit" und "nicht besonders"
Man akzeptiere und toleriere "natürlich" auch andere Lebensmodelle, so Ehrhorn scheinheilig. "Die Menschen, von denen wir hier reden", würden aber "immer eine Minderheit bleiben" und seien überdies "nicht besonders". "Besonders ist aber die Entstehung neuen Lebens durch die Vereinigung von Mann und Frau". Die Forderung nach der "totalen Gleichbehandlung" sei nachvollziehbar, aber "unangemessen". Den Vertretern anderer Parteien warf er vor, sich vor den Karren der "linksgrünen Ideologie" spannen zu lassen.
Diese Aussagen führten zu einiger Aufregung im Plenum. Der SPD-Politiker Johannes Kahrs bezeichnete die Äußerungen Ehrhorns in einem Zwischenruf als "rechtsradikalen Unsinn".
Johannes Kahrs kann nicht fassen, was er hört
Der Grünenpolitiker Sven Lehmann erklärte später in einer Rede, er frage sich, "wie viel Selbstbetrug und Selbstverleugung man eigentlich als eine Frau wie Alice Weidel an den Tag legen muss, um Vorsitzende dieser Fraktion zu sein." Die AfD-Politikerin war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Parlament anwesend.
Regierung will auch Diskriminierung lesbischer Paare angehen
Zu dem konkreten Begleitgesetz hatten LGBTI-Aktivisten und Oppositionsparteien kritisiert, dass es eine bestehende Ungleichbehandlung nicht antastet: Die Ehefrau einer Mutter wird nicht automatisch ebenfalls Mutter, anders als es die Gesetzesregelung zur Vaterschaft bei heterosexuellen Eheleuten vorsieht. In dieser Frage deuteten Justizstaatssekretär Christian Lange (SPD) als auch der CSU-Politiker Volker Ullrich in der Debatte ein Entgegenkommen an, im Rahmen eines späteren eigenen Gesetzes zum Abstammungsrecht.
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